Jetzt geht es noch kooperativ, wenn es nicht vorangeht, irgendwann nicht mehr, sagt Dr. Matthias Proske, Verbandsdirektor vom Regionalverband Mittlerer Oberrhein, über den stockenden, aber dringend notwendigen Ausbau der Windenergie in der Region. Gesetzgeber, Bund und Länder haben hier klare Vorgaben gemacht, diese gilt es nun umzusetzen, auch wenn die Widerstände teilweise erheblich sind.
Über die Ausbaupläne in der Region, Kooperation und Widerstand sowie die hier offenkundig nötige Quadratur des Kreises haben wir im ausführlichen Hügelhelden-Interview mit Dr. Matthias Proske gesprochen. Das Interview führt Stephan Gilliar.
Redaktion: Herr Dr. Proske, Sie haben eine Aufgabe, um die Sie nicht zwangsläufig jeder Menschen in der Region beneidet. Das Thema Windkraft ist ja schon längst keine Kür mehr, sondern zur Pflicht geworden. Es gibt einen klaren gesetzlichen Auftrag für den Ausbau, dem muss nachgegangen werden. Sie haben jetzt den Job, die Quadratur des Kreises zu schaffen, indem sie im Umfeld der Städte und Gemeinden entsprechende Flächen für Windkraft identifizieren.
Da kann es ja eigentlich schon mal im Sinne des traditionellen Verständnisses von Fairness gar nicht fair zugehen, weil ja alle ganz unterschiedliche Voraussetzungen haben. Hügelsheim zum Beispiel kann wegen des Flughafens vermutlich keine Windräder auf seiner Gemarkung aufstellen, dafür müssen an anderer Stelle mehr errichtet werden. Wie ist denn Ihre Herangehensweise, um das so zu streuen, dass keine Überlastungen für einzelne Kommunen entstehen?
Dr. Proske: Sie haben vollkommen recht, das ist die Quadratur des Kreises. Die Kommunen sind dabei aber aus der Pflicht genommen, das heißt, die müssen nichts mehr ausweisen. Wir legen diese Vorranggebiete für Windenergieanlagen fest auf der Ebene des Regionalplans. Also nicht nur im Landkreis Karlsruhe, sondern im Landkreis Rastatt und in den beiden Stadtkreisen Baden-Baden und Karlsruhe. Insgesamt 1,8 Prozent der Region, das sind knapp 3.800 Hektar.
Wir sind bei der Suche nach den bestgeeigneten Standorten so vorgegangen, dass wir vom Planungsausschuss rund 100 Einzelkriterien und einen umfassenden Planungskriterienkatalog beschlossen haben, das ist die Maßgabe, nach der wir auf die Standort-Suche gegangen sind. Sie haben den Flughafen Karlsruhe Baden-Baden schon angesprochen, der in der Tat bei manchen Kommunen dafür sorgt, dass dort gar nichts geht, selbst wenn die wollten, weil es da eben Bauhöhenbeschränkungen wegen des Flugbetriebs gibt. Anderswo ist es dann halt ein bisschen mehr.
Wenn man auf die Karte guckt, die wir jetzt produziert haben, dann stellt man fest, dass wir so einen Schwerpunkt haben im Kraichgau, einen Schwerpunkt so im Streifen zwischen Karlsruhe und Rastatt und dann nochmal in Streifen südöstlich von Baden-Baden. Diese Streifen orientieren sich ja jetzt nicht daran, dass dort der geringste Widerstand zu erwarten ist, sondern vermutlich, dass dort die höchste Windausbeute zu erwarten ist.
Wir gehen bei der Bedarfsplanung – schon deswegen, weil wir einen rechtssicheren Plan haben wollen – ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten vor. Das heißt „Ich will das hier nicht“, ist kein zählendes Argument, aber „Hier ist ein Naturschutzgebiet oder ein Flugsicherungsradar“ dagegen schon. Das sind Argumente, die dann durchschlagend sind, also die Argumente, die stechen und die haben wir eben in diesem Planungskriterienkatalog schon von Vornherein abgebildet.
Es ist so, dass wir um jeden Ort auch ein Radius von der 850 Meter Siedlungsabstand gezogen haben, das sind im Übrigen 100 Meter mehr als das Land uns empfiehlt. Und das sorgt natürlich dafür, dass in dünner besiedelten Regionen, wie es der Kraichgau halt nun mal ist, deutlich mehr Restfläche verbleibt, allein was die Siedlungsflächenabstände angeht. Das ist einer der Gründe, warum man da mehr Flächen hat.
Redaktion: Beim Thema Windkraft wird man vermutlich niemals alle an einen Tisch bekommen, zu unterschiedlich sind die jeweiligen Positionen, teilweise regelrecht verhärtet. Auch weil sich immer noch sehr hartnäckige Vorurteile halten, die teilweise längst durch entsprechende Expertisen widerlegt wurden. Um hier beispielhaft drei Argumente zu nennen: Der Ausbau der Windkraft in unserer Region ist politisch motiviert, macht aber aufgrund der geringen Windausbeute in unserer Gegend überhaupt keinen Sinn. Dann werden gerne die negativen Auswirkungen einer solchen Anlage auf Mensch und Tierwelt hervorgehoben, beispielsweise durch den oft beschworen Infraschall oder den Vogelschlag. Und schließlich wäre dann da noch die Kritik an der Aufstellung der Anlagen im Wald und der damit einhergehende Verbrauch an Waldfläche. Können Sie zu diesen drei Punkten bitte Stellung beziehen?
Dr. Proske: Ja, also zum ersten Punkt – Baden-Württemberg sei ein Schwachwindland und da lohnt sich der Ausbau nicht – Das stimmt nicht!
Wir haben nach dem Windatlas die entsprechenden Informationen, wo der Wind wie stark weht, also nicht in Geschwindigkeit, sondern mit der Energiedichte, die auf einen Quadratmeter fiktive Rotorfläche drückt. Und da sind wir in der Region glücklicherweise, sehr gut gesegnet – glücklicherweise deswegen, weil es mir erlaubt, schon was die Wind, das Windangebot angeht, die Flächen möglichst gleichmäßig in der Region zu verteilen. Die Region Bodensee / Oberschwaben beispielsweise, die hat dieses Glück nicht. Da konzentriert sich wirklich alle schon alleine aufgrund dieser Windgeschwindigkeiten in einem Teilraum.
Bei uns ist es noch vergleichsweise gut verteilt in der Region, sodass wir eigentlich nur im Murgtal und in der Gegend von Waghäusl-Phillipsburg ein paar Ecken haben, wo der Wind nicht ausreichend weht. Nicht ausreichend heißt, unter 190 Watt pro Quadratmeter Rotorfläche. Und das ist die Schwelle, die uns vom Land als Wirtschaftlichkeitsschwelle genannt wurde, wobei wir auch Anlagen kennen, die bei 168 Watt pro Quadratmeter wirtschaftlich laufen. Es kommt eben auch ganz maßgeblich darauf an, wie die anderen Rahmenbedingungen sind. Das ist der erste Punkt.
Was dann noch mitspielt, ist die Argumentation: Bei uns nicht, an der Nordsee ist es doch viel besser! Das verkennt aber, dass wir dann natürlich die Leitungen bauen müssen, und die gibt es ja auch nicht zum Nulltarif. Also wenn ich die Windräder alle in die Nordsee stelle, muss ich Stromleitungen bauen, um diesen Strom in den Süden zu transportieren und diese Stromleitungen kosten auch Geld.
Redaktion: Diese Leitungen bauen wir doch bereits!
Dr. Proske: Ja, natürlich, die brauchen wir zusätzlich. Dazu kommt noch, das darf man auch nie vergessen, das haben Sie mich jetzt nicht gefragt, ich sage es trotzdem, wenn wir Unternehmensanfragen haben, also gerade Unternehmen, die sich in Baden-Württemberg niederlassen wollen, und das ist jetzt keine Spezifikum nur in der Region Karlsruhe, sondern in dem ganzen Land, dann wird zunehmend gefragt, wo sind die nächsten Erzeugungsanlagen an erneuerbarem Strom?.
Da geht es also nicht mehr darum, den Strom an der Börse zu kaufen, sondern die wollen die Anlagen direkt in der unmittelbaren Nachbarschaft stehen haben.
Das sind also wirklich handfeste wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die wir da nicht außen vorlassen sollten.
Der zweite Punkt war, Windräder sind gigantische Vogelschredder. Die Landwirtschaft und der Verkehr sind die größeren Vogeltöter, was die Greifvogelpopulation angeht, bei den Singvögeln ist die Hauskatze Nummer 1. Danach fragt keiner. Aber klar, wir achten auch darauf, insbesondere die Fledermäuse haben Sie noch vergessen. Auch die Fledermäuse sind von Windrädern möglicherweise beeinträchtigt, nicht weil sie vom Rotor getroffen werden, sondern weil dieser Infraschall, also die Druckbewegung der Luft, dazu führen kann, dass sie die Orientierung verlieren oder sogar verenden. Allerdings gibt es zunehmend Abschalteinrichtungen. Ich habe erst heute wieder eine Nachricht bekommen, wonach der Vogelschlag, so nennt man das, gerade bei den Greifvogelarten, die einschlägig sind, Rotmilan ganz vorne, um 98 Prozent bei einer Versuchsanlage in Bayern reduziert werden konnte. Also das sind schon vielversprechende Erkenntnisse.
Der dritte Punkt: Wald. Wald ist für die Windenergie nicht tabu, aber wir müssen differenziert drauf schauen. Es gilt, Wald ist nicht gleich Wald. Der Hardtwald in der Rheinebene ist ein anderer Wald, als der Wald oben auf den Schwarzwaldrücken.
Auch wir haben jetzt bei der Umweltprüfung für den Planentwurf natürlich alle Flächen genau angeschaut und sind aus den besonders bedeutsamen Waldbereichen naturnaher Wälder nach Möglichkeit draußen geblieben.
Wald ist grundsätzlich nicht tabu für die Windenergie und wenn man sich dann mal vor Augen führt, wie viel Wald dann tatsächlich dauerhaft verloren geht, der ja im Übrigen auch an anderer Stelle dann wieder ausgeglichen werden muss, halte ich das für absolut vertretbar.
Redaktion: Sie schauen sich jetzt die Region primär anhand der technischen Gesichtspunkte und der physikalischen Eignung für die Aufstellung von Windradanlagen an, aber es gilt ja auch die Menschen mitzunehmen und nicht zu überfordern. Wenn jetzt ein paar Kommunen fast ohne neue Anlagen durchkommen, während anderswo überdurchschnittlich viele entstehen könnten, ist der Ärger ja voraus programmiert und auch ein Stück weit nachvollziehbar. Wie versuchen Sie denn die Kommunen, insbesondere die Gemeinderäte und die Menschen in den Städten und Dörfern an Bord zu holen?
Dr. Proske: Also ich habe es ja vorhin schon gesagt, wir gehen nach objektiven Gesichtspunkten vor. Und wenn nach objektiven Gesichtspunkten mal unabhängig von Gemarkungszuschnitten bestimmte Flächen in der Region besser geeignet sind als andere, dann muss ich die auswählen, weil ich sonst einen Abwägungsfehler in meinem Planwerk getroffen habe und dann erleide ich vor Gericht Schiffbruch, das werde ich nicht tun. Sie sprechen jetzt davon, dass im Prinzip die Argumentationslinie der Gegnerschaft ist: Wir wollen zwar Windenergie, aber nicht so viel und schon gar nicht bei uns, lieber woanders. Ich erlebe zum Teil auch anders gelagerte Fälle, wo die Kommunen sagen, ich hätte gern noch mehr, weil viele mittlerweile auch verstanden haben, dass sich damit auch erhebliche Mittel generieren lassen für die kommunalen Haushalte.
Redaktion: Nicht nur die Kommunen erkennen hier die Chancen, auch viele private Grundstücksbesitzer. Teilweise werden ja Pachtbeträge im sechsstelligen Bereich bezahlt. Warum fließt hier so wahnsinnig viel Geld?
Dr. Proske: Weil sie ohne diese Grundstücke die Windkraftanlagen nicht errichten können. Und die Windräder, die sind natürlich in der Anschaffung teuer, das ist klar, im Unterhalt geht es schon. Aber wenn das Ding mal steht…Der Wind stellt eben keine Rechnung. Das ist anders als bei einem Atomkraftwerk, wo sie hohe Abschreibungen haben und wo sie dann die Entsorgungsthematik haben und wo sie Personal vorhalten müssen. Die Windkraftanlage, die stellen sie hin und dann läuft die.
Redaktion: Aber kann es trotzdem eine wirtschaftlich sinnvolle Rechnung sein, wenn für ein Windrad, sagen wir mal, 100.000 Euro-Pacht pro Jahr fließen, dann müssen die Einnahmen, diese 100.000, zwangsläufig überflügeln.Dass da was unter dem Strich übrig bleibt, ist das realistisch?
Dr. Proske: Ganz offensichtlich, sonst würde es ja nicht bezahlt werden. Die Windenergie wird nicht mehr subventioniert, die muss sich auf dem Strommarkt durchsetzen können.
Redaktion: Kommen wir zu den Ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeugen. Der gesetzliche Auftrag für den Ausbau der Windkraft in eindeutig definiertem Umfang ist klar, dennoch sind die Fronten mancherorts schon jetzt recht verhärtet. Welche Möglichkeiten – welchen Hebel haben Sie im Endeffekt, um den gesetzlichen Plan auch durchsetzen zu können?
Dr. Proske: Also, den Plan mache ich nicht, sondern den erarbeiten wir hier in der Geschäftsstelle, beschlossen wird er von der Verbandsversammlung des Regionalverbands. Die Verbandsversammlung ist 80 Köpfe stark, dort sitzen Mitglieder der Kreistage und der beiden Gemeinderäte von Karlsruhe und Baden-Baden drin. So, die entscheiden am Schluss über das Planwerk.
Der gesetzliche Auftrag ist klar, 1,8 Prozent, und da kann es im Zweifel auch mal passieren, dass gegen den Willen einer Kommune entschieden werden muss. Das geht gar nicht anders.
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Also, wenn ich nur hergehen würde und nur im Konsens all das einsammeln würde, was vor Ort gewünscht ist, dann würde ich wahrscheinlich nicht auf die 1,8 Prozent kommen. Und ich hätte auch den Planungsauftrag nicht erfüllt, sondern ich hätte im Prinzip eigentlich nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammen gesammelt, und das wäre erst recht für eine Klage sehr aussichtsreich. Also, es wird am Schluss auch gegen den Wunsch einzelner Kommunen entschieden werden müssen, das ist klar, aber wir lassen uns bei dieser Entscheidung natürlich von Sachargumenten leiten. Und wenn uns gewichtige Gründe vorgebracht werden, warum jetzt die Fläche nicht drin sein soll, oder eine andere drin sein soll, oder die verkleinert werden soll, oder verschoben werden soll, und es ist ein vertretbares Argument das sticht, dann können wir das tun. Das ist gar keine Frage. Aber am Schluss kommt es auch nicht darauf an, was einzelne Kommunen wollen, sondern insgesamt ist der Planungsauftrag des Landes klar, und den werden wir erfüllen.
Jetzt muss man vielleicht auch noch mal dazusagen, viele Menschen glauben, dass wenn jetzt da die Windkraftvorranggebiete von uns im Plan festgelegt sind, dass da morgen gleich der Bagger rollt, oder der Kran kommt und eine Windkraftanlage aufgestellt wird. Also, der Prozess läuft ja so, dass wenn unser Plan rechtskräftig ist, dass diese Flächen explizit für die Windenergie reserviert sind, dann darf da nichts anderes passieren, was eine spätere Errichtung einer Windkraftanlage unmöglich machen würde. Aber es bedeutet noch nicht den unmittelbaren Konstruktionsbeginn.
Redaktion: Angenommen, alles würde wie am Schnürchen laufen, die einzelnen Puzzleteile perfekt ineinander fallen, wann wäre denn der früheste Baubeginn für die erste Welle dieser Windkraftanlagen in unserer Region?
Dr. Proske: Also die Projektierer und die Kommunen, die warten ja nicht ab, bis unser Plan fertig ist. Es gibt jetzt schon die ersten Gemeinden, die auch Flächen ausgeschrieben haben und wo sich dann auch Windkraftanlagenbetreiber beworben haben. Ich mache ein Beispiel – Durmersheim im Landkreis Rastatt. Die sind schon sehr weit, die müssen natürlich nicht warten, bis unser Plan rechtskräftig ist, sondern die fangen jetzt schon an. Da kann es ja schnell gehen. Zahlreiche Gemeinderäte haben jetzt eben halt auch festgestellt, wenn sie diese Windräder auf ihre eigenen Grundstücken errichten, dann erzeugen diese Pachteinnahmen, die kommen dann wieder der Allgemeinheit zugute, was akzeptanzfördernd ist.
Die Frage ist ja nicht, ob wir Windräder sehen, sondern wo und wann.
Da haben sie vollkommen recht. Und ich stelle fest, dass zahlreiche Kommunen, die sich in die totale Verweigerungshaltung begeben, irgendwann schon auch merken, naja, das bringt uns ja nichts. Wenn wir es jetzt ablehnen, aber in unserer Nachbarkommune sollen welche entstehen, dann sehen wir die trotzdem, aber wir kriegen eben nichts davon. Zudem, wenn eine Gemeinde ja dann keine öffentlichen Flächen zur Verfügung stellt, dann schlägt dann halt ein Landwirt zu und das Geld fließt dann in den privaten Sektor ab und ist in der öffentlichen Hand nicht mehr zu verwerten.
Redaktion: Geld ist natürlich ein Katalysator für Meinung, wenn es aber am Ende dann doch dazukommen sollte, dass sie Nägel mit Köpfen machen müssen, rechnen Sie nicht doch mit entsprechenden Klagen der Kommunen vor dem Verwaltungsgericht?
Dr.Proske: Ich bereite mich zumindest darauf vor. Der Plan, den mein Vorgänger hier ja mit auf den Weg gebracht hatte, der ist ja vom Verwaltungsgericht so gekippt worden, wegen eines Planungsfehlers, den wir jetzt nicht mehr begehen.
Aber diese eine Klage gegen unseren Plan löst die Problematik aus Sicht der Windkraftgegner nicht, dass dann gar keine Windräder kommen würden.
Nein, das Gegenteil ist der Fall, wenn wir bis zum Stichtag 1. Dezember 2032 diese 1,8% nicht geschafft haben, dann gilt die Superprivilegierung. Das heißt, dann sind Windkraftanlagen überall möglich, wo sie nicht verboten sind.
Redaktion: Das wäre dann die Ultima Ratio. Doch es gibt ja auch Gemeinden, nehmen wir beispielsweise Gondelsheim, die sich von Anfang an aufgeschlossen zur Aufstellung von Windrädern positioniert haben. Der Gemeinderat hat den Weg geebnet für drei dieser Anlagen, nach den derzeitigen Plänen könnten es aber nun doch sehr viel mehr werden. In Gondelsheim fühlt man sich daher über den Tisch gezogen, Ähnlich verärgert zeigen sich auch die Bruchsaler über die vielen potentiellen Flächen für Windkraft rund um die Stadt.
Dr. Proske: Also ich kann die Haltung da ein Stück weit nachvollziehen, nur verkennt man hier eines. 12 Jahre lang, seit 2012 hatten die Kommunen es in der Hand, selbst Flächen für Windkraftanlagen auszuweisen in ihrem Flächennutzungsplan. Jetzt hat der Gesetzgeber diese Rolle den Regionen zugesprochen und wir machen das jetzt. Und da gibt es überhaupt nichts zu verhandeln. Es ist schön, wenn Kommunen auf einzelnen Flächen Windkraftanlagen vorwärts bringen wollen, weil wir natürlich auch ein Interesse daran haben, dass die Flächen dann auch in die Umsetzung kommen. Aber da gibt es nichts, was zu verhandeln wäre, so nach dem Motto: Ich bin nur mit einem Teil dieser Fläche einverstanden, den Rest nicht.
Dafür bräuchte ich einen Grund, warum mit dem Rest nicht. Und alleine ein “Das ist zu viel, das möchte ich nicht” ist kein stichhaltiges Argument.
Zum konkreten Fall von Gondelsheim und auch von Bruchsal. Wenn man da auf die Karte guckt, sieht man natürlich, dass wir da erheblich Flächen im Entwurf drin haben. Aber es ist ein Planentwurf! Dieser Planentwurf, den geben wir jetzt in die Trägerbeteiligung. Also alle Gemeinden, Behörden, Verbände können sich jetzt zu dem Planentwurf äußern. Die haben dann drei Monate Zeit, beginnend mit Rosenmontag. Die Bevölkerung hat auch die Möglichkeit, sich zu dem Planentwurf zu äußern. Und wir erwarten uns insbesondere von der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nochmal zweckdienliche Hinweise, welche Gebiete wir weiterverfolgen können und welche nicht. Wir haben jetzt einen Umgriff in dem Planentwurf drin von ca. 3,3% der Regionsfläche. Das ist natürlich nochmal 1,5% mehr als wir brauchen.
Und wir werden, das ist jetzt kein Geheimnis, in dem großen Umfeld von Bruchsal und Gondelsheim, wo wir jetzt so massiv viele Flächen im Entwurf drin haben, nicht alle weiternehmen – das ist sicher. Ich kann Ihnen nur nicht sagen, welche. Dazu müsste ich jetzt erstmal die ganzen Stellungnahmen, die uns noch erreichen werden, abwarten, insbesondere von Behörden, vom Militär beispielsweise oder von der Flugsicherung. Da wird einiges kommen. Und deswegen kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, welche wir rausstreichen, im Sinne eines Überlastungsschutzes. Aber ich brauche jetzt erstmal eine Basis, das sind diese 3,3% – als Einstieg in die Diskussion.
Redaktion: Noch ist also Diskussion und Austausch möglich, aber sie haben ja bereits diesen knallharten Joker ab 2032 in der Hinterhand.
Dr. Proske: Das ist der Joker des Bundesgesetzgebers, ja. Jetzt geht es noch kooperativ, wenn es nicht vorangeht, irgendwann nicht mehr. Also ich sage es mal so, diese Planungspflicht, die wir da jetzt auferlegt bekommen haben, wenn wir die nicht erfüllen, dann kommt es dazu. Ich finde das nicht gut. Ich bin schon der Auffassung, dass wir in der Region selbst entscheiden sollten, wo Windräder hin sollen und wo nicht. Und dieses, wo sie hin sollen und wo nicht, diese Entscheidung, die kann ich nur treffen, wenn ich einen Plan aufstelle. Wenn ich das nicht mache, dann geht es überall.
Redaktion: Haben Sie die Hoffnung dass sich irgendwann, wenn in einigen Jahren die Anlagen errichtet und in Betrieb genommen wurden, der Staub etwas legen wird und vielleicht manche zur Einsicht kommen: So schlimm ist es doch gar nicht?
Dr. Proske: Ich habe die Hoffnung! Es ist interessant, wir hatten nach Fukushima einen enorm hohen Zuspruch zur erneuerbaren Energien, insbesondere auch zur Windenergie, das ist so ein Jahr später wieder abgeebbt. Wir haben jetzt nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine genau dasselbe Phänomen erlebt, das ebbt jetzt auch wieder ab. Ich empfehle jedem, der sagt, die Windenergie kommt direkt aus der Hölle: Machen Sie Urlaub an der Nordseeküste, da fallen die Leute nicht tot um. Ganz im Gegenteil, man gewöhnt sich an die Anlagen und fragen Sie doch einfach mal Kinder, was sie davon halten, dass wir Strom aus Wind und Sonne ernten und nicht Kohle und Öl und Gas verbrennen.
Redaktion: Macht das persönlich was mit Ihnen, die vielen Fronten, an denen Sie kämpfen müssen, oder sind Sie von Natur aus ein harter Hund oder einer geworden dadurch?
Dr. Proske: Vielleicht eher geworden. Ich habe mir mittlerweile ein sehr dickes Fell zugelegt. Das gehört zu meinem Job. Ich habe diese Aufgabe, ob ich mir die jetzt ausgesucht habe oder nicht spielt, keine Rolle. Ich habe sie.
Es ist schwierig geworden, weil wir in einer saturierten Gesellschaft leben, wo jeder der Meinung ist, es soll so bleiben wie es ist und den Anspruch hegt auf Unveränderlichkeit der Umgebung. Es soll alles so schön bleiben wie es ist, bloß keine Veränderung. Wenn wir das umsetzen, dann ist das Stillstand und dann bewegen oder dann können wir uns nicht mehr fortentwickeln.
So funktioniert die Welt nicht.
Es wirkt beinahe so, als sei der Interviewte nicht nur Leiter einer politisch neutralen Landesbehörde sondern gleichzeitig auch Pressesprecher des Bundesverbandes WindEnergie e.V. Mit Argumenten, die nicht hanebüchener und respektloser gegenüber Interessen von Mitmenschen, die nicht durch Windräder gequält werden wollen, sein könnten. Als Interviewer hätte ich mit folgender Frage abgeschlossen: „Herr Dr. Proske, wie viele Windradstandorte planen denn Sie bzw. wünschen denn Sie sich als Unterstützer unmittelbar rund um Ihren Wohnort?“