Die Stunde der kleinen großen Leute

| ,

Erstmals kombiniert Kraichtal den Neubürgerempfang mit dem jährlichen Ehrungsabend – eine Symbiose, die auf Anhieb gefällt.

Ehrungsabend auf dem Dorf. Gedränge auf dem kleinen Parkplatz, das Quietschen unzähliger Schuhe auf dem Gummiboden der Mehrzweckhalle in Unteröwisheim, die neuerdings den Namen Horst-Kochendörfer-Halle trägt. Eine eilends aufgebaute Bühne, ein paar Blumenkübel zur Dekoration, grelle Scheinwerfer, die ihr Licht normalerweise auf unzählige Schülerinnen und Schüler werfen, die sich hier während des Schulsports austoben. Nein, glamourös im klassischen Sinne ist ein solcher Abend nicht. Genau aus diesem Grund belächeln viele diese dörfliche Tradition, wenn der „kleine“ Mann oder die „kleine“ Frau einen Händedruck des Bürgermeisters und eine Urkunde entgegennehmen – in Anerkennung der von ihnen geleisteten Dienste. Bei Preisverleihungen haben wir doch viel eher große und pompöse Showevents vor Augen, mit reichlich Glitzer, Bigband-Sound, Spotleuchten, Attitüde und eleganter Abendmode. „And the Oscar goes to…“ – Sie wissen schon.

Dabei ist dieses Klischee im Grunde völliger Blödsinn. Denn wer wird denn auf den großen Gala-Abenden geehrt? Die, die ohnehin jeden Tag im Rampenlicht stehen, die längst von ihren Leistungen leben und das meist nicht schlecht. Jene, die andauernd hofiert und ausgezeichnet werden, für die eine Ehrung längst keine Besonderheit mehr, sondern ganz normaler Alltag ist.

Ein Ehrungsabend auf dem Dorf mag zwar nicht pompös und glamourös sein, aber er ist redlich und ehrlich – verteilt Lob, Anerkennung und Auszeichnungen endlich einmal an jene, die sich das wirklich verdient haben: die sogenannten „kleinen“ Leute, die im Grunde ganz große Leute sind, weil sie sich aufopferungsvoll und ehrenamtlich für andere einsetzen. Ohne dafür einen einzigen Cent zu verlangen, mit geliehener Zeit zu Lasten ihres eigenen Kontos. Rund 40 % aller Deutschen engagieren sich in irgendeiner Weise ehrenamtlich, investieren dafür jede Woche mehrere Stunden ihrer Zeit – am Abend, oft am Wochenende und auch immer dann, wenn sie gebraucht werden. Man möge sich das vor Augen halten, wenn man über die Verrohung und den zunehmenden Egoismus in unserer Gesellschaft spricht… 40 Prozent – lassen Sie sich diese Zahl auf der Zunge zergehen.

Es ist daher nur recht und billig, genau diesen Menschen Danke zu sagen und ihnen einen Abend zu widmen, einen Abend nur zu ihren Ehren. Zwar wird Helene Fischer nicht im diamantfunkelnden Abendkleid die Showtreppe herabsteigen, aber das braucht es auch gar nicht. Weniger ist mehr, weniger ist viel – das zeigte der Ehrungsabend der Stadt Kraichtal am vergangenen Samstag. Erstmals wurde dieser mit dem ebenfalls traditionellen Neubürgerabend kombiniert – quasi das Beste aus zwei Welten. So konnten sich die neu Zugezogenen gleich ein Bild über die große und bunte Vereinslandschaft der Stadt verschaffen, ebenso wie über die zahlreichen Möglichkeiten, sich in Kraichtal ehrenamtlich zu engagieren und darüber hinaus gleich erste Kontakte zu knüpfen. Viele Vereine hatten die Möglichkeit genutzt, sich in der Halle mit eigenen Informationsständen zu präsentieren: von den Oldtimer- und Schlepperfreunden, über die Unteröwisheimer Schützen bis hin zu den Chören, Musikvereinen, den Tennisspielern, dem DRK, der Öbergbücherei, dem Tageselternverein und vielen mehr.

Der Ansatz ist in der Tat vielversprechend, denn nichts bringt dörfliche Integration schneller und besser voran als das Engagement in einem Verein. Hier erlebt man die Essenz und die Wurzel dessen, was das jeweilige Dorfleben ausmacht: von Neuenbürg bis nach Landshausen, von Unteröwisheim bis Oberacker – alle neun Stadtteile Kraichtals sind mit eigenen Vereinen und Angeboten vertreten. Neun Dörfer, eine Stadt, unzählige Vereine, die alles zusammenhalten. „Durch die Mitgliedschaft in einem Verein können Menschen unterschiedlichster Herkunft und Lebenssituationen zusammenfinden. Dies fördert den sozialen Zusammenhalt, schafft ein Gefühl der Zugehörigkeit. Der Austausch von Ideen und Erfahrungen bereichert nicht nur die Individuen, sondern auch unsere Gemeinschaft als Ganzes“, unterstreicht auch Bürgermeister Tobias Borho diesen Gedanken, der so maßgeblich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer Stadt ist.

Was darauf folgte, war ein lockerer Mix aus Darbietungen unterschiedlichster Akteure der Kraichtaler Vereinslandschaft sowie kleinere und größere Ehrungsblöcke, in denen verdiente Ehrenamtler mit Urkunden und kleinen Anerkennungen ausgezeichnet wurden. Sie alle an dieser Stelle aufzuführen, wäre zu viel des Guten – Einzelne hervorzuheben, würde der Sache aber ebenso wenig gerecht werden. Alle haben ihre Sache großartig gemacht und sich auf ihre höchst eigene Art und Weise um das Große und Ganze verdient. Ob sie nun Tausende Kilometer beim Stadtradeln erstrampelt, unzählige Liter Blut gespendet oder sportliche Erfolge errungen haben, jede und jeder Einzelne kann stolz auf die eigene Leistung sein.

Ein paar Kostproben Kraichtaler Könnens gab es über den ganzen Abend verteilt. Mitreißende musikalische Einlagen vom Musikverein Harmonie Münzesheim und vom Gesangverein Unteröwisheim, wirklich beeindruckende akrobatische Leistungen der Turnerinnen und Turner aus Unteröwisheim sowie perfekt einstudierte Choreographien des Ballettensembles von Joyce Filsinger ließen an diesem besonderen Abend zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen. Insgesamt eine runde und schöne Veranstaltung, die durch die Bündelung zuvor getrennter Anlässe noch einmal eine deutliche Aufwertung erfahren hat. Ehre, wem Ehre gebührt.

Vorheriger Beitrag

Am Ende bleibt ein heller Stern

Schule als Demenzprophylaxe

Nächster Beitrag

7 Gedanken zu „Die Stunde der kleinen großen Leute“

  1. Bei diesem „Neubürgerabend“ sind die Neubürger etwas zu kurz gekommen. Auch das Vernetzen mit den Vereinen und den Neubürgern kam zeitlich vor lauter Ehrungen zu kurz. Die Kombination der Ehrungen und der Neubürgerabend war einfach zuviel. Weniger wäre hier mehr gewesen. Mein Wunsch: Bitte wieder zwei separate Veranstaltungen machen.

  2. Ich bin in meinem fast 75.Lebensjahr noch niemals geehrt worden.Auser mit meinem Hund im Hunderennen.Mich hat es sehr geehrt ,dass ich für meine 50 Jahre als Chormitglied geehrt wurde.

  3. Der eigentliche Grund ist meiner Meinung nach, hier auch noch zu sparen.
    Die NeubürgerInnen merken schon selbst sehr schnell, dass hier für sie nichts getan wird.

    • Willkommen im Land der Bruddler. Manchmals tut es einfach nur noch weh hier Kommentare zu lesen. Viel Meinung und wenig Ahnung!

      • Da scheint aber jemand Ahnung zu haben!
        Ich kann oben Gesagtes nur bestätigen.
        Also Zugezogener und jemand, der schon mehrfach seinen Wohnort gewechselt hat ( wechseln musste).

Kommentare sind geschlossen.