Zu Besuch auf der Konverterbaustelle von TransnetBW in Philippsburg
Er ist einer der zentralen Bausteine im Bemühen um die deutsche Energiewende. Der gigantische Gleichstromkonverter in Philippsburg, auf dem Gelände des langsam verblassenden Atomkraftwerkes, soll schon in wenigen Monaten das Endstück einer hunderte Kilometer langen Stromtrasse bis hinauf in den windreichen Norden werden.
von Stephan Gilliar
“Hätte ich doch mal besser in Physik aufgepasst”, dieser Gedanke geht mir bei der exklusiven Medienführung am Freitag über das weitläufige Gelände des TransnetBW-Konverters gleich mehrfach durch den Kopf. Es fällt mir nicht leicht, den Ausführungen von Ingenieur Sebastian Gehring zu folgen, der sich redlich bemüht, die technischen Rahmendaten der neuen Anlage den anwesenden Pressevertretern zu erklären. Ich versuche dennoch, die wichtigsten Stichpunkte und die Funktionsweise des Konverters in einfachen Worten wiederzugeben:
Das riesige Gleichstrom-Umspannwerk – das oft der Einfachheit halber als “Konverter” bezeichnet wird, ist das Endstück der 340 Kilometer langen Stromtrasse Ultranet, die von Osterath in Nordrhein-Westfalen bis zu uns nach Philippsburg verlaufen soll. In Kombination mit der weiter nördlich verlaufenden Trasse A-Nord ist es das Ziel, Elektrizität aus dem windreichen Norden zu uns in den vergleichsweise windarmen Süden zu transportieren. Die sich derzeit im Bau befindliche Trasse wird in der Lage sein gigantische Strommengen zu transportieren, Ultranet wird in der Lage sein, rund 2.000 Megawatt Energie weiterzuleiten.
A-Nord wird dann von Emden an der norddeutschen Küste bis ins niedersächsische Osterath führen, von dort aus reicht Ultranet bis nach Philippsburg. Parallel dazu wird übrigens noch die zweite große deutsche Stromautobahn “Südlink” von Brunsbüttel nach Großgartach entwickelt. Während A-Nord erst kommendes Jahr in den Bau geht, soll die erste Energie aus Osterrath bereits 2027 nach Philippsburg fließen.
Übertragen wird die Energie nicht als Wechselstrom, so wie wir sie beispielsweise aus unserem Hausnetz kennen, sondern als Gleichstrom. Dieser ist deutlich leichter über lange Strecken zu transportieren, die Fehlerwahrscheinlichkeit bei der Übertragung ist deutlich geringer als bei Wechselstrom. Aus diesem Grund gibt es am Anfang und am Ende der Leitung jeweils einen großen Konverter, der die Energie im Gleichstrom und am anderen Ende wieder zurück in Wechselstrom verwandelt.
In Dienst geht der neue Konverter in Nordbaden allerdings bereits Ende kommenden Jahres und wird dann durch die Beisteuerung sogenannter “Blindleistung” das deutsche Stromnetz stabilisieren. Um zu verstehen, was das ist, muss man sich die Unterschiede zwischen Gleichstrom und Wechselstrom bewusst machen. Gleichstrom fließt, wie der Name schon sagt, schön gleichförmig. Wechselstrom allerdings arbeitet mit einer Frequenz von 50 Hertz, muss also 50 mal pro Sekunde ein Magnetfeld aufbauen und auch wieder abbauen. Visualisiert wäre das eine schöne kurvenförmige Sinusbewegung. Damit diese Sinuskurve überhaupt aufgebaut werden kann, braucht es Leistung, die bei ihrem Abbau ins Netz zurückgegeben wird – diese Energie bezeichnet man als Blindleistung. Damit die Netzfrequenz im deutschen Stromnetz schön stabil bleibt und auch bei Schwankungen nicht von der gewünschten Frequenz abweicht, braucht es diese Blindleistung, um stabilisierend auf das gesamte Netz einzuwirken. Bisher hat diese Funktion das Atomkraftwerk Philippsburg wahrgenommen, seit dessen Abschaltung ist der Job quasi vakant und wird nun ab Ende 2025 auch durch den Konverter übernommen. Man möge mir verzeihen, wenn diese Ausführungen es an der nötigen Fachlichkeit mangeln lassen.
Auch wenn der Konverter auf dem Gelände des Atomkraftwerkes errichtet wird, haben die beiden Einrichtungen recht wenig miteinander zu tun, sind sogar mit einem durchgehenden Zaun voneinander getrennt. Es ist wie ein Kommen und Gehen, eine Zeitenwende in Philippsburg. Während auf dem Gelände des AKW der Rückbau begonnen hat, viele Büros und Einrichtungen schon verwaist sind, wird jenseits des Zauns am Aufbau eines zentralen Bestandteils des Rückgrats der deutschen Energiewende gearbeitet.
Dieser Aufbau, so kompliziert er auch ist, muss nun an Tempo aufnehmen, schließlich müssen über hunderte Kilometer hinweg Masten, Leitungen und Anlagen errichtet sowie die nötigen Genehmigungen der zigtausenden Grundstückseigner eingeholt werden. Die Zeit drängt, spätestens die Gaskrise im Kielwasser des Krieges gegen die Ukraine hat gezeigt, wie viel Nachholbedarf das deutsche Energiewesen aufweist. Überraschend kommt diese Erkenntnis übrigens keineswegs, seit rund 20 Jahren und durch mehrere großangelegte Gutachten von renommierten Einrichtungen und Experten untermauert, ist klar, wie sehr der Ausbau der Infrastruktur in Deutschland dem Bedarf hinterher hinkt. Schon Anfang der 2000er fehlten weit über Zehntausend Kilometer Leitungswege im Land, gebaut wurden in den Jahren der Merkel-Administration nur ein hauchzarter Bruchteil davon. Auch der fehlende Ausbau der erneuerbaren Energien und die Fixierung auf Importe russischen Gases, haben zu der Misere beigetragen, die es heute im Rekordtempo zu beheben gilt.
Ende August 2023 hat Transnet BW nun endlich von der Bundesnetzagentur den Planfeststellungsbeschluss für einen Abschnitt ihrer Ultranet-Leitung erhalten. 42 Kilometer Freileitung können nun endlich realisiert werden, bis zur Fertigstellung des Gesamtprojektes von der See bis in den Süden, wird es aber zweifelsohne noch mehrere Jahre dauern.