Invasion auf gelben Füßen

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Immer mehr verbreitet sich die asiatische Hornisse in unserer Region und löscht dabei heimische Bienenvölker nahezu komplett aus

von Stephan Gilliar

Wenn Harald Wiedemann, Wespen- und Hornissenfachberater des Landkreises Karlsruhe, sich mit seinen Gerätschaften einem Wespen- oder Hornissennest nähert, ist seine Mission normalerweise friedlicher Natur. Meist geht es einfach darum, ein Nest, das sich zu nah am Lebensraum der Menschen befindet, umzusiedeln, damit beide – sowohl Mensch als auch Tier – wieder zur Ruhe kommen können, um ihren täglichen Geschäften nachzugehen.

Harald Wiedemann mit dem entfernten Hornissennest

An diesem stürmischen und regnerischen Oktobertag am Ende einer Sackgasse in Waghäusel-Kirrlach verfolgt Harald allerdings ein anderes Ziel, auch wenn es ihm als Tierfreund sicher schwerfällt. In der Spitze einer hohen Tanne hat sich ein riesiges Volk der asiatischen Hornisse eingenistet – das an den Ästen befestigte Nest ist so groß wie ein Medizinball. Mit Hilfe der Drehleiter der Waghäuseler Feuerwehr begeben sich Harald Wiedemann und Dr. Manfred Verhaag, Hauptkonservator am Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe, mit Schutzkleidung nach oben, um das Nest zu entfernen. Ihr Ziel ist es nicht die Tiere umzusiedeln, sondern sie dauerhaft zu beseitigen. Dafür bläst Harald mit hohem Druck CO2 in die beeindruckende Konstruktion um die Hornissen zu betäuben. Später wird das Nest in den Laboratorien von Dr. Verhaag eingefroren, um die Tiere so auf möglichst schonende Weise zu töten.

An der Beseitigung der asiatischen Hornisse führt kein Weg vorbei, zu groß ist die Gefahr, die von der invasiven Art auf unser heimisches Ökosystem ausgeht. Die sich rasant ausbreitenden Tiere greifen unsere Wildbienen und unsere Honigbienen an und vernichten auf diese Weise im großen Stil ganze Völker. Welche Auswirkungen das auf die Artenvielfalt, sowie die Bestäubung und Befruchtung unserer Flora hat, dürfte jedem klar sein. Gleich mehrere Königinnen werden in jedem der riesigen Nester ausgebildet, ein Nest sorgt so statistisch gesehen für die Entstehung von mindestens sieben weiteren Nestern. Wer die Funktionsweise exponentiellen Wachstums kennt, weiß wohin das in Kürze führen kann.

Nur eine Königin am Anfang der Kette

Wie die eigentlich aus Südostasien stammende Hornisse ihren Weg nach Europa finden konnte, gilt heute als gesicherte Erkenntnis. 2004 kam eine einzige Königin an Bord eines Frachters an einem südfranzösischen Hafen an, vermehrte sich exponentiell, der Rest ist Geschichte. Das erste Aufkommen in Deutschland wurden übrigens 2014 genau hier – in Waghäusel entdeckt. Die Tiere, die sich von ihren deutschen Verwandten durch ein dunkleres Äußeres sowie die markanten gelben Füße unterscheiden – ironischerweise passen sie damit eigentlich ganz gut zu uns Gelbfüßlern – bauen pro Jahr zwei Nester, in denen tausende weitere Tiere heranwachsen. Die asiatische Hornisse gilt als gebietsfremd und wurde von der Europäischen Union auf die Rote Liste gesetzt – ihre Vorkommen müssen gemeldet und beseitigt werden.

Genau aus diesem Grund ist Harald Wiedemann heute auch hier in Kirrlach vor Ort um das Nest zu entfernen und zumindest eine weitere Ausbreitung von dieser Stelle aus zu verhindern – es ist übrigens heute nicht sein einziger Einsatz im Kampf gegen die asiatische Hornisse. Sobald er sich mit seiner Schutzausrüstung dem Netz nähert, greifen die Tiere ihn und Manfred Verhaag sofort an. Sie besprühen die beiden mit einem Sekret, das auch durch das Schutznetz die Schutzbrille und die Haut bedeckt. Am Ende sind beide aber erfolgreich die Drehleiter senkt sich zum Boden und das interessierte Publikum betrachtet aus einiger Entfernung das riesige Nest und dessen betäubte Bewohner. Gekommen ist auch Andrea Häußler, Imkerin aus der Region, die aus leidvoller Erfahrung weiß, wie sehr die asiatische Hornisse unseren heimischen Bienen zusetzt. Wenn ganze Völker verschwinden, ist das augenfällig, die Wildbienen als Einzelgänger sterben aber einen einsamen und unbemerkten Tod, weiß die erfahrene Bienenexpertin. Sie hat gesehen, wie die asiatische Hornisse ihre Bienen im Flug einfängt und sie tötet, sie hat gesehen, was geschieht, wenn ein Tier ins Winterlager der Bienen eindringt und dort nicht weniger als ein Massaker anrichtet.”Die invasive asiatische Hornisse verbreitet sich immer mehr muss unbedingt bekämpft und vernichtet werden. Es ist wichtig, die Bevölkerung zu sensibilisieren.” schreibt sie uns eindringlich und steht damit Seite an Seite mit vielen anderen Imkern, aber auch Experten, die um die Bedrohung des heimischen Ökosystems nur zu gut Bescheid wissen.

Wir haben sowohl mit Harald Wiedemann als auch mit Dr. Manfred Verhaag ein kurzes Interview vor Ort führen können, sie können die beiden Videos im Folgenden direkt hier im Browser betrachten.

Dr. Manfred Verhaag

Hauptkonservator am Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe

Harald Wiedemann

Wespen- und Hornissenfachberater des Landkreises Karlsruhe

Ganz wichtig: Sollten Sie die asiatische Hornisse irgendwo entdecken, sei es im Wald, auf dem Feld oder gar auf ihrem eigenen Grundstück… Melden Sie diesen Fund unbedingt zeitnah den Behörden. Entsprechende Infos und eine Meldemöglichkeit gibt es auf den Seiten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg.

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4 Gedanken zu „Invasion auf gelben Füßen“

  1. Lieber Hügelheld, da hast du dir ein Glas Honig verdient !
    Seit Juli greifen bei mir die Asiatischen Hornissen meine Bienen ab. Seit 20 Jahren sind die Viecher in Europa. Keinen hat’s wirklich interessiert. Jetzt wo der Karren im Dreck ist fängt der Apparat an sich langsam zu bewegen. Selbst die Bienenzeitung will „in der nächsten Ausgabe berichten“. Toll ! Am Ende des Jahres ist das Problem schon so groß, dass die Prognose für 2024 düster ist. Keine der offiziellen Stellen hat ein Konzept. Die Info’s gehen von hunderten Königinnen aus. Wenn da „nur“ 10 überleben wird’s schon lustig. Mit welchen Mitteln die Franzosen das Problem im Griff haben, will ich nicht wissen. Da überlebt wahrscheinlich keine Faltenwespe…
    Die Kosten für die Abnahme der Nester sind enorm. Wenn dieses Jahr keine Gelder dafür eingestellt werden, dann schütteln die Ämter 2024 einfach mit dem Kopf. Aufwachen werden die erst wenn’s beim Aldi keinene Apfel mehr gibt, weil niemand mehr die Blüten bestäubt.
    Nochmal mein Lob an die Helden der Hügel, dass endlich jemand das Thema öffentlich macht.
    P.S.: Die Winzer wird das auch betreffen…

  2. Nicht immer sind ‚die Ämter ‚ die Bösen lieber Martin Rausch – manchmal will’s auch einfach keiner hören. Die Bienenfachberatung weist mind. seit 2019 auf die Gefahr durch Vespa velutina hin, und auch der Imkerverein, für den ich sprechen kann, hat das Problem nicht erst seit gestern auf dem Schirm. Nun ja, auch in diesem Fall helfen Schuldzuweisungen wenig. Jetzt wo das Thema endlich in der Breite angekommen ist, gilt es alle möglichen Strippen zu ziehen, und da bin ich unsagbar froh, dass es Leute gibt, die anpacken. Dickes Lob an Harald und alle im Wespen- und Hornissenschutz Aktiven!!

  3. Danke, Silke. Und noch eine Randbemerkung: Wem es denn als Imker mit der Bekämpfung Ernst ist und wer es sich gesundheitlich zutraut, der kann sich von der Velutina-Gruppe des Landesverbands Badischer Imker zum Hornissenbekämpfer ausbilden lassen. Von unserem Verein sind´s schon zwei, die da für die Allgemeinheit ihre Unversehrtheit riskieren, um an vorderster Linie und für ein Vergelt´s Gott die Hornissen aufzuspüren und zu bekämpfen.

  4. Die Ausbreitung wird nicht mehr zu stoppen sein,viele Nester bleiben unentdeckt, da sie meist ganz oben in den Baumkronen angesiedelt sind,leider fehlt der natürliche Feind,oder unsere heimische Hornissen findet plötzlich Gefallen nicht nur an Wespen, aber auch da wäre,alleine wegen der unterschiedlichen Größe der jeweiligen Populationen 3000 gegenüber 700 bei der einheimischen Hornissen kaum Hoffnung, aber wie die Bienen in Asien werden auch unsere Bienen einen Abwehrmechanismus entwickeln, leider wird dieser Prozeß dauern und folglich werden viele Völker ausgerottet werden, aber loswerden werden wir die asiatische Hornisse nicht mehr,sie wird sich wie ein Flächenbrand ausbreiten.

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