Sexy Oweroise – Erinnerungen an das legendäre Moulin Rouge

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Das Moulin Rouge Oberöwisheim – Wo die Nacht zum Tage wurde

Willkommen in Oberöwisheim im Kraichgau. Zu dem kleinen Kraichtaler Ortsteil fallen auf Anhieb einige Adjektive ein: idyllisch, ruhig, malerisch, verschlafen…. Kaum jemand würde dieser Liste die Begriffe: sexy oder gar erotisch hinzufügen. Doch tatsächlich war Oberöwisheim einst der erotische Brennpunkt der Region. Was es hier zu erleben gab, sorgte damals für einen stark erhöhten Blutdruck vor allem bei den männlichen Kraichgauern und weit darüber hinaus. Besonders aus den Polizei- und Feuerwehrschulen in Bruchsal zog es junge Männer plötzlich aufs Land.

Das alte Moulin Rouge – der Eingang war im Seitenhof gelegen…

Besagter magischer Ort war das Nachtlokal „Moulin Rouge“. In seinen Glanzzeiten zog es besonders am Wochenende hunderte Gäste bis aus Stuttgart und Freiburg in das kleine badische Dörfchen. Die erotischen Showeinlagen der namhaften Tänzerinnen bei denen kaum etwas der Fantasie überlassen blieb, weckten immense Begierden. Begierden die eines Tages sogar soweit führten, dass ein paar Gäste für die kein Platz im restlos ausverkauften Lokal war, den frisch aufgestellten Maibaum als Rammbock nutzten um sich Einlass zu verschaffen.

Als Oberöwisheim noch sexy war - Vor 30 Jahren schloss das legendäre Moulin Rouge
Heinz „Lamo“ Lampert unter seinem Lieblings-Spruch für besorgte Nachbarn

Wie alles begann

Es waren wilde und aufregende Jahre in Oberöwisheim, mit denen dort sicherlich niemand gerechnet hätte. Am wenigsten wahrscheinlich der Gastwirt Heinz Lampert und seine Frau Ilse. Beide betrieben schon seit vielen Jahren das Gasthaus Adler im Dorfkern. Gute badische Küche nach Hausmannsart.

Die angeschlossene Scheune wollte Heinz Anfang der 70er-Jahre zu einer Tanz-Tenne ausbauen um an den Wochenenden seinen Gästen noch mehr als nur Schnitzel und ein Bier am Stammtisch anbieten zu können. Doch bevor er seine Pläne in die Tat umsetzen konnte, hielt eines Tages ein Auto aus Hildesheim vor dem Adler. Ihm entstieg eine Dame die Heinz ein unverblümtes Angebot machte: Er solle Ihr die renovierte Scheune für ein Nachtlokal verpachten, täte er das nicht würde sie das Gebäude neben an nehmen und mit ihm in Konkurrenz treten. Heinz blieb kaum eine Wahl, also akzeptierte er. Doch bereits nach wenigen Monaten war besagte Dame aus Hildesheim völlig verschuldet und konnte die Pacht nicht mehr bezahlen.

Lamo trifft eine gewagte Entscheidung

Heinz Lampert stand nun vor der Wahl das „Moulin Rouge“ zu schließen oder es weiterzubetreiben. Er entschied sich für Zweiteres und stand nun vor der Aufgabe als einfacher Dorf-Wirt einen florierenden Nacht-Club auf die Beine zu stellen. Doch nach viel ausprobieren und dem sprichwörtlichen Sprung ins kalte Wasser war es irgendwann geschafft – der Laden brummte.

Fast jede Nacht drehte sich die rote Mühle über dem Eingang des Nachtlokals und lockte ein breit gefächertes Publikum von überall her nach Oberöwisheim. Bis 4 Uhr in der Frühe wurde hier Tag für Tag ein erotisches Feuerwerk abgebrannt das sicher nicht mit Reizen geizte. Nackte Tänzerinnen mit exoktischen Namen wie Kiki L’Amour oder Natalie B. verwöhnten sich auf der Bühne vor den leuchtenden Augen der Gästen entweder selbst oder mithilfe einer Sex-Maschine – einer Apparatur die Dildos mechanisch auf und ab bewegte. Ein durchaus handfestes Programm um es auf einen Nenner zu bringen. Zwischen den Shows liefen Sex-Filme wie „Fucking Boy kennt keine Gnade“ oder „Die neuen Abenteuer des Sanitätsgefreiten Neumann“ auf der Leinwand und natürlich wurde auch Musik gespielt zu der gerne ausgiebig getanzt wurde. Das Interieur könnte einem Belmondo-Film entliehen worden sein – Viele Spiegel, roter Samt, lauschige Separees – ein echter Nacht-Club eben.

Zu seinen besten Zeiten zog das Moulin-Rouge so viele Gäste an, dass diese in Schichten eingelassen werden mussten. Während die einen bereits eine Show genossen, warteten die anderen bei einem herzhaften Abendessen im Adler bei Ilse Lampert auf Einlass – das Moulin Rouge wurde zum berühmt-berüchtigten Kult.

Großstadt-Erotik trifft Dorfleben

Die Tänzerinnen wechselten zwar regelmäßig, doch wohnten Sie zeitweilig über Tage in Oberöwisheim. Dafür hatte Heinz Lampert entsprechende Gästezimmer im Nebenhaus (der heutigen „Kleine Kneipe“) ausbauen lassen. Die Damen sorgten im Ort für manchen Kulturschock, wenn Sie sich auf den Wiesen und Feldern nackt in der Sonne räkelten um ihre Bräune zu erhalten. So mancher Traktor-Blechschaden durfte in dieser Zeit auf einen verträumt-lächelnd abgelenkten Landwirt zurückzuführen sein. Solche und viele weitere Geschichten machten in der Gegend natürlich schnell die Runde – das Moulin Rouge war in den Siebzigern in aller Munde.

Zu erzählen lohnt sich auf jeden Fall auch die Geschichte des Oberöwisheimer Affen. Tatsächlich kaufte eine der Tänzerinnen für eine exotische Show-Einlage im Brettener Tierpark eines Tages einen zahmen Affen. Kurze Zeit später war das Tier aus der Gaststube des Adlers nicht mehr wegzudenken. Irgendwann an einem Wochenende betrat ein schicker Gentleman das Lokal um vor der Show noch Ilses berühmte Hausmacher-Küche zu genießen. Als er sich setzte färbte sich sein Hinterteil binnen Sekunden gelb ein. Der Affe hatte auf seinem Stuhl seine Notdurft verrichtet und das Ergebnis mit einem dünnen Sitzkissen abgedeckt. Doch gehen wollte der feine Herr nicht – er zog eine viel zu kurze Jeans über, die Ilse Lampert ihm als Ersatz angeboten hatte und genoss in dieser schrägen Aufmachung die Show die er auf keinen Fall verpassen wollte.

Ja, das Moulin Rouge hatte es in sich. Kein Ort in Kraichgau der es am Wochenende mehr in sich hatte als das freizügige Nachtlokal. Doch allen Unkenrufen zum Trotz: es war nie eine schmuddelige Absteige oder gar ein Puff. Das Programm hatte stets Stil und käuflicher Sex war immer tabu – Gucken und Genießen war das Motto. Für 10 Mark Eintritt gab´s ein Herrengedeck (ein Bier und ein Kurzer) und geballte Erotik für einen Abend.

Alles hat ein Ende

Doch nichts währt für immer und auch für das Moulin Rouge blieb die Zeit nicht stehen. Mitte der 80er-Jahre war der Andrang auf das kleine Nachtlokal so groß, dass häufig Gäste auf der Straße auf Einlass warten mussten. Dass diese dabei nicht mucksmäuschenstill waren versteht sich von alleine. Eine Anwohner-Initiative wollte das nicht hinnehmen und erwirkte schließlich eine Reduzierung der Sperrstunde von vier auf nur noch ein Uhr. Für einen Nacht-Club ist das selbstredend ein Todesurteil. Es kam wie es kommen musste – nach rund 15 erfolgreichen Jahren schloss das Moulin Rouge 1985 seine Türen für immer. Noch heute spricht man im Dorf hinter vorgehaltener Hand über die wilden Zeiten, die nackten Schönheiten und die langen Nächte im Moulin Rouge. Auch wenn die Flügel der roten Mühle sich längst nicht mehr drehen – die Legende lebt weiter.

Info: Dieser Artikel erschien erstmals im Frühjahr 2015

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