Ein Brunnen – Zwei Todesfälle

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Der Siegfriedsbrunnen bei Odenheim wird mit zwei historischen Todesfällen in Verbindung gebracht. Während der eine auf eine alte Sage zurückgeht, hat sich der andere unweit des sprudelnden Wassers wirklich ereignet.

Der Siegfriedsbrunnen an den sanft ansteigenden, bewaldeten Höhenzügen des Schindelbergs oberhalb von Odenheim ist ein wunderschöner Ort. Oder vielmehr, er könnte es sein. Denn obwohl das imposante Relief, der in Sandstein gluckernde Wasserlauf, das gepflegte Grün und die schattigen Bänke alles, was es für einen echten Kraftort brauchen könnte haben, ist es doch wie so oft die allgegenwärtige Seuche der Neuzeit, die all das systematisch zu nicht gemacht. Kaum hat man auf einer der Bänke Platz genommen, genießt das Zwitschern der Vögel rechts und links im tiefen Wald, raßt auch schon dröhnend ein LKW vorbei. So idyllisch dieser Ort auch sein mag, die direkt daneben verlaufende Verbindungsstraße zwischen Östringen und Odenheim lässt jeden Charme in Lärm und Abgas ersticken.

Himmel, was hätte dieser Ort für ein Potenzial, allein schon aufgrund der Geschichten, die sich um ihn ranken. Der Name Siegfriedsbrunnen wurde selbstredend nicht grundlos gewählt, schließlich steht schon seit unerdenklich langen Zeiten die Möglichkeit im Raum, bei Odenheim könnte es sich um das alte, in einer späteren Fassung des berühmten Nibelungenliedes erwähnte Otenhaim handeln. “Wenn ihr den Brunnen suchet, wo Siegfried man erschlagen, sollt ihr die rechte Kunde, mich auch noch hören sagen. Dort, vor dem Odenwalde, ein Dorf liegt Otenhaim, dort fliesset noch der Brunnen, darüber kann kein Zweifel sein.“ steht es in verwittertem Stein am Brunnen zu lesen. Hat Hagen, einer der Protagonisten des im Jahr 1200 verfassten Nibelungenliedes, tatsächlich genau hier Siegfried über den Jordan geschickt? Abschließend wird diese Frage wohl nicht zu klären sein, die meisten Zeitzeugen sind zwischenzeitlich verstorben ;-)

Ob sich also einer der berühmtesten Morde der literarischen Geschichte tatsächlich hier ereignet hat, wird für immer ein Rätsel bleiben. Sicher ist aber, dass an besagter Stelle tatsächlich ein junger Mann den Tod gefunden hat. Wie ein Gedenkstein, versteckt oberhalb des Brunnens, zu berichten weiß, wurde vor rund 60 Jahren hier ein junger Mann namens Albert Schäfer von einem Baum erschlagen. Das Unglück ereignete sich im schicksalsträchtigen Oktober 1962, genau zu jener Zeit, als die Menschen sich weltweit am Rande des dritten Weltkrieges wähnten, sich die USA und die Sowjetunion bei Kuba eine Nervenschlacht lieferten. Bei Odenheim wurde in diesen Tagen an der bereits oben erwähnten Landstraße zwischen Östringen und Odenheim gebaut, einer der Arbeiter war Albert Schäfer. Ein umstürzender Baum traf den jungen Mann und riss ihn mit nur 33 Jahren aus dem Leben. Zwei Jahre später, 1964, ließ der damalige Landrat Joseph Groß an Ort und Stelle besagten Stein errichten.

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