“Man muss für jedes Lebewesen kämpfen”

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“Diese bedingungslose Liebe ist der Fluch der Hunde” – Mit Herz und Engagement setzt sich ein junger Philippsburger Tierschutzverein für bulgarische Straßenhunde ein

Ein Wohngebiet mitten in Philippsburg. Schon als ich den schmiedeeisernen Zaun vor der Hausnummer 8 erreiche, schlägt mir fröhliches Gebell entgegen. Ein schwarz-weißer Mischling kommt zum Tor, um mich zu begrüßen, leckt mir vertrauensvoll und voller Hingabe die Hand. Weitere Vierbeiner gesellen sich dazu, verkünden lautstark meine Ankunft. Sogar der Nachbarshund, der gerade auf der Terrasse ein Schläfchen gehalten hat, erhebt sich und schaut am Zaun vorbei, was es wohl Neues gibt. Hunde sind etwas Großartiges, Menschen, die einen Hass auf diese wunderbaren Tiere entwickeln, waren, sind und werden mir auf ewig ein Rätsel bleiben. Einen loyaleren und liebevolleren Kameraden findet man sonst kaum irgendwo auf dieser Erde.

Das Klingeln hätte ich mir bei dieser Begrüßung sparen können, Hausherrin Ulla hat meine Ankunft auch so mitbekommen und begrüßt mich herzlich und breitem Philippsburger Akzent. Im Wohnzimmer warten bereits Natalie, Asja, Leonie und Lisa auf mich – sie alle sind Teil des harten Kerns des noch jungen Tierschutzvereins Pfotenliebe. Zusammengeschlossen haben sie sich im Januar 2022 mit der Mission, Vierbeinern in Not zu helfen. Spezialisiert ist ihr Team dabei auf die Unterstützung von Straßenhunden im bulgarischen Hinterland, die dort mitunter ein klägliches Dasein fristen. Alleine und verwahrlost streifen die Tiere durch die Straßen, einsam, ausgezehrt und immer hungrig. Tierschutz sei dort kein großes Thema, die Hunde würden von viel zu vielen Menschen wie Ungeziefer behandelt, erzählen die Philippsburger TierschützerInnen, die sich das Elend auf ihren vielen und regelmäßigen Reisen nach Bulgarien jedes Mal aus der Nähe ansehen müssen. Und obwohl die Hunde oft und regelmäßig misshandelt würden, suchten sie doch immer wieder die Nähe des Menschen, freuten sich über jede Streicheleinheit, jedes bisschen Zuneigung, führt Lisa näher aus und schüttelt traurig den Kopf “Diese bedingungslose Liebe ist auch der Fluch der Hunde”.

“Man muss für jedes Lebewesen kämpfen”, das ist das Credo des Vereins und so engagieren sie sich dort, wo ihre Hilfe dennoch am Ende nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Gemeinsam haben sie mit einer ortsansässigen Tierschützerin eine Zuflucht für die Straßenhunde eingerichtet, wo sie sicher sind, gefüttert werden, medizinische Versorgung erhalten und dann und wann idealerweise auch in liebevolle Hände vermittelt werden können. Letzteres geht nur in einem Bruchteil aller Fälle, zu groß ist die Zahl der Tiere, die der Hilfe bedürfen. Mit vereinten Kräften betreuen die TierschützerInnen in ihrem Shelter im Industriegebiet von Kardschali so viele Tiere, wie es ihre Mittel und Kapazitäten zulassen. Von hier aus sind es zwar nur ein paar Kilometer bis nach Griechenland, doch obwohl Bulgarien zwischenzeitlich auch zur Europäischen Union zählt, ist die Armut im Land noch immer unermesslich groß. Nach Angaben der Weltbank lebt die Hälfte der Bevölkerung Bulgariens unterhalb der Armutsgrenze – die Hälfte! Die 50-Jährige Zhaneta ist die Kontaktpersonen des Philippsburger Vereines vor Ort, wird von diesem für ihre aufopferungsvolle Arbeit mit den Hunden finanziell unterstützt. Tagtäglich kümmert sie sich um die Tiere, säubert die Zwinger, kümmert sich um die Pflege und das Füttern. Alleine schafft sie das schwerlich, schließlich sind es 200 bis 300 Tiere, die versorgt werden müssen… Auch das ist nur ein Bruchteil der Straßenhunde – allein in der Region. Um Zhaneta zu unterstützen, sind die Mitglieder von Pfotenliebe so oft in Bulgarien, wie es ihre Zeit nur zulässt. Regelmäßig und in engmaschigen Abständen fahren Sie mit dem Transporter, die rund 2000 Kilometer – opfern jeden verfügbaren Urlaubstag, um zu helfen und mit anzupacken.

Arbeit gibt es vor Ort nicht zu knapp. Nach dem Aufstehen am frühen Morgen heißt es Ranklotzen bis zum Sonnenuntergang. Während die Männer sich um den Bau neuer Unterkünfte im Shelter kümmern, Wartung und Reparaturen in Angriff nehmen, kümmern sich die Frauen aktiv auf den Straßen der Umgebung um die hilfsbedürftigen Tiere. Lange suchen müssten sie dabei nicht, fast auf jeder Straße und auf jedem Parkplatz kämen ihnen die Hunde entgegen, erzählen sie mir. Hungrige Tiere werden gefüttert, kranke Tiere dem örtlichen Tierarzt vorgestellt und um dem Elend perspektivisch etwas Einhalt zu gebieten kastriert und sterilisiert wo es nur geht. Das alles zahlt der Verein aus eigener Tasche, finanziert sich dabei im Wesentlichen über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Ein kleiner Teil der Hunde wird auch von Pfotenliebe nach Deutschland vermittelt. Längst nicht jeder Straßenhund eignet sich hierfür und so bleibt Nathalie,Asja, Lisa, Leonie, Ulla und ihren MitstreiterInnen nichts anderes übrig als eine Auswahl zu treffen. Um die Kosten für die tierärztliche Behandlung und den Transport einigermaßen abzudecken, wird für die Adoptanten in Deutschland eine Schutzgebühr erhoben, auch um ernsthafte und weniger seriöse Nachfragen selektieren zu können. Mangelnde Tierliebe ist nach der Erfahrung der Frauen nicht nur ein bulgarisches Problem, sondern nicht selten auch ein deutsches. Gerade gestern habe ein Mann an der Tür geklingelt, um seinen Hund loszuwerden, mit der lapidaren Begründung, er wolle ihn nicht mehr, erzählt mir Ulla fassungslos. “Viele denken, wir sind ein Tierheim“, sagt sie, „das sind wir natürlich nicht”.

Was Pfotenliebe genau ist, da wollen sie sich auch nicht bis ins letzte Detail festlegen. Wenn Not am Mann ist – oder vielmehr am Tier, helfen sie natürlich auch anderen Spezies – Hauptaugenmerk liegt aber auf den Straßenhunden Süd-Bulgariens. Auch wenn ihnen im Internet und den sozialen Netzwerken nicht selten Hass und Abneigung entgegen schlägt, immer gepaart mit dem Vorwurf “Warum kümmert euch nicht um Tiere in deutschen Heimen?”, bleiben sie ihrer Mission verbunden, denn das Elend in bulgarischen Zwingern und Straßen lässt sich nicht im Ansatz mit den Zuständen in deutschen Tierheimen vergleichen. Der Transport und die Überführung der Hunde nach Deutschland wird natürlich amtlich überwacht – alles in enger Absprache mit dem Veterinäramt des Landkreises Karlsruhe, erzählen sie mir. Zwei der Frauen haben sich mit entsprechenden Fortbildungen speziell hierfür qualifiziert, zudem ist Lisa hauptberuflich tiermedizinische Fachangestellte. Brückenkopf in Deutschland ist Ullas Grundstück in Philippsburg, wo die Tiere sich nach der langen Reise ausruhen können, um schließlich ihren neuen Familien übergeben zu werden. Das passiert nicht einfach so… Sowohl die Tiere als auch ihre neuen Halter werden vom Verein auf eine entsprechende Eignung hin überprüft, so dass beide bestmöglich zueinander finden und passen.

Es ist ein engagierter Kampf, den Pfotenliebe gegen die Missstände auf bulgarischen Straßen führt. Ein Kampf, den der Verein auf keinen Fall gewinnen kann. Auf jeden vermittelten Hund werden tagtäglich neue Welpen direkt ins Elend hinein geboren. Auch wenn diese zugrunde liegende Tatsache frustrierend ist, machen die engagierten Helferinnen und Helfer aber unberührt weiter. Im April geht es das nächste Mal nach Bulgarien, auf der Agenda steht nicht weniger als die Kastration mehrerer hundert Tiere, um die endlose Spirale des Leids zumindest etwas aus dem Takt zu bringen. Mit dabei sind diesmal auch vier angehende Tierärztinnen, die die Mammut-Aktion gemeinsam mit einem Veterinär vor Ort zu stemmen versuchen. Mehrere tausend Euro wird der Verein dafür aufbringen, Geld, das oft auch privat aus den Taschen der aktiven Vereinsmitglieder zugeschossen werden muss. “Das machen wir gerne. Wer gesehen hat, was wir gesehen haben, für den verschieben sich die Prioritäten“, stellt Lisa unumstößlich fest.

Am Ende bleibt noch ihr Appell, ein Appell den wir gerne weitergeben: Wer den Verein unterstützen möchte – aktiv oder als Fördermitglied – wer spenden möchte oder jemanden kennt, der sich als Sponsor der gemeinnützigen Arbeit einbringen könnte, ist herzlich eingeladen sich mit Pfotenliebe in Philippsburg in Verbindung zu setzen. Auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein mag, ist jede Hilfe willkommen oder wie es Ulla am Ende unseres Gespräches an der Haustür formuliert: “Man muss sich einbringen, egal wo, egal wie, egal ob im Tierschutz oder in der Krebshilfe, oder sonst wo – hauptsache man bringt sich ein.”

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2 Gedanken zu „“Man muss für jedes Lebewesen kämpfen”“

  1. Toll. Freue mich sehr über diese Meldung, die die Welt wieder ein kleines bisschen besser macht. Mehr Menschen wie Sie und es wäre so viel schöner. Alles erdenklich Liebe und Gute. Wir engagieren uns auch auf vielen Gebieten, werden uns aber mal bei Ihnen melden.

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