Sägen, Schminken, Schorle süffeln. Weiher feiert Kerwe.
So melancholisch das Ende des Sommers auch stimmen mag, der Herbst bringt ebenfalls viel Fröhlichkeit und Unbeschwertheit mit sich. Auf dem Dorf wird schließlich immer gefeiert, da spielen Jahreszeit oder Wetter kaum eine Rolle. Genauso bunt wie das Herbstlaub ist auch das dörfliche Treiben, der Veranstaltungskalender ist vollgepackt bis hin zu den ersten Ausläufern der Adventszeit. In diesen Tagen wird überall in der Region die Kirchweih gefeiert – oder „Kerwe“, wie sie bei uns genannt wird. Sie ist ein uralter Brauch, der ursprünglich zur Einweihung von Kirchen entstand. Man könnte sagen, es war quasi ein „Tag der offenen Tür“ für Gotteshäuser. Mit den Jahren – oder vielmehr Jahrzehnten – hat sich das Ganze zu einem fröhlichen Dorffest entwickelt, bei dem man nicht nur der Kirche gedenkt, sondern auch das Dorfleben feiert: mit Musik, gutem Essen, viel Geselligkeit und natürlich dem einen oder anderen Bierchen. Eine schöne Gelegenheit, Tradition und Gemeinschaft zu verbinden und ja, auch mal bis spät in die Nacht zu feiern.
Der Ubstadt-Weiherer Stadtteil Weiher hat am vergangenen Wochenende die Kirchweih gefeiert – und das nach allen Regeln der Kunst. Nach der feierlichen Eröffnung durch den DRK-Vorsitzenden Stefan Bellm und Bürgermeister-Stellvertreter Patrick Wippel – selbstredend mit dem obligatorischen Fassanstich – begann das bunte Treiben auf dem Kirchplatz. Der Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes in Weiher und die katholische Jugendgruppe Weiher hatten als Organisatoren ganze Arbeit geleistet. Neben den offensichtlichen Highlights wie einem bunten Karussell für die Kinder sowie Verpflegungsständen mit Süßem, Deftigem und Flüssigem zählten dazu natürlich auch die nicht auf den ersten Blick sichtbaren Anstrengungen, wie zum Beispiel die Straßensperrungen oder der Sicherheitsdienst. Beides ganz wesentliche Faktoren, denn die Kirchweih bedeutet in Weiher traditionell ein bisschen Ausnahmezustand. Gefeiert wird bis in den späten Abend hinein, Hunderte, wenn nicht Tausende Besucherinnen und Besucher sollen sich dabei schließlich sicher und wohl fühlen.
Die Kerwe in Weiher ist dabei ein Fest für die ganze Familie. Jeder hat Spaß, jeder kommt auf seine Kosten. Die Kleinen düsen auf den bunten Flugzeugen des Karussells durch den Weiherer Himmel, verdrücken ihre fingerdick mit Nuss-Nougat-Creme beschmierten Pfannkuchen und lassen sich bunt und fantasievoll das Gesicht schminken. Die Stunde der Großen schlägt dagegen traditionell eher am Abend. Dann, wenn der DJ auf der Bühne mit Partymusik für gute Laune sorgt und beim traditionellen Sägewettbewerb kein Auge trocken bleibt, während der eine oder andere Schweißtropfen über die Stirn rollt. Aus Kollegen und Freunden werden dann schnell richtige Sportmannschaften, die mit der richtigen Sägetechnik und am besten innerhalb kürzester Zeit zu zweit eine dicke Scheibe vom großen Baumstamm abtrennen. Die glorreichen Sieger von 2024 sind übrigens „Die Hardtseeklopfer“, „Gochzama Buwa“ und „Die Shooter als Champions“.
In Weiher freut man sich das ganze Jahr über auf die Kerwe. Das ganze Dorf fiebert auf diese zwei Tage Ausnahmezustand hin. Probleme mit den Anwohnern gibt es keine, wie Stefan Bellm nach vielen Jahren praktischer Erfahrung zu berichten weiß. Keine Selbstverständlichkeit, bedenkt man, dass das Straßenfest in Ubstadt unter anderem an vielen Einwendungen aus der Nachbarschaft zu scheitern drohte. Dafür feiert man in Weiher aber viel zu gerne, oder wie es schon vor vielen Jahren einer der Kerwe-Besucher gegenüber Hügelhelden.de formuliert hat: „Wenn man hier einen Tisch und zwei Bänke rausstellt, sitzen 5 Minuten später zehn Weiherer drauf und feiern.“