Pizza rund um die Uhr – Der Robo-Italiener im Kraichgau hat immer geöffnet
von Stephan Gilliar
Wenn ich an Essen aus dem Automaten denke, fallen mir immer die Snacks der “Heißen Hexe” aus meinen Jugendtagen ein. Gab es damals an der Tankstelle oder am Kiosk im Freibad für wenig Geld, dafür aber auch mit wenig Geschmack. Man packte einen Burger oder ein Baguette in die Mikrowelle und bekam eine gummiartige Mahlzeit zurück. Zum Nachtisch dann noch eine heiße Schokolade aus dem Getränkeautomaten, direkt in diese geriffelten, braunen Plastikbecher, in die wahlweise auch eine Fleischbrühe fließen konnte. Ich sag mal so: Buäh.
Dass Automaten mittlerweile offenbar sehr viel mehr können, als noch in den 80er und 90er Jahren, ist mir nach einem langen Drehtag vor einiger Zeit in Bretten klar geworden. Mein klassisches Szenario: Den Tag durchgearbeitet, Abendessen vergessen, kurz vor Mitternacht, alles zu, Magen knurrt. Da man in dieser Verfassung nicht sonderlich wählerisch ist, entschloss ich mich, dem neuen Pizza-Automaten in der Nähe der Brettener Einkaufsmeile eine Chance zu geben. Über einen großen Touchscreen, der sich ganz ähnlich bedient wie die neuen Bestellterminals bei McDonald’s, wählt man unter verschiedenen Pizzen eine passende aus. Was soll ich sagen, für durchschnittlich sieben bis acht Euro bekommt man nach wenigen Minuten eine tatsächlich recht krosse und dampfende Pizza in der typischen Pappschachtel aus dem Ausgabefach direkt in die Hand gedrückt. Geschmacklich geht das ganze in Ordnung, die Konsistenz passt, mit den gummiartigen Erzeugnissen der Automaten aus meiner Jugend hat das hier jedenfalls nichts zu tun. Klar, beim Italiener um die Ecke schmeckt eine Pizza noch mal ganz anders, aber dieser Vergleich ist unfair, das berühmte Spiel mit Äpfel und Birnen.
“Natürlich können wir nicht mit einem Restaurant mithalten, mit den schnellen Lieferdiensten aber durchaus” erzählen mir Mario und Jürgen im spontan anberaumten Interview wenige Tage später. Die beiden verschwägerten Freunde haben die Idee eines Pizzaautomaten aus dem gemeinsamen Urlaub in Frankreich mitgebracht und nach diversen Gesprächen und Grübeleien bei dem einen oder anderen Feierabendbier schließlich in die Tat umgesetzt. Ein gewagter Schritt, schließlich schlägt ein solcher Hightech-Automat mit einem hohen fünfstelligen Betrag zu Buche, dafür muss eine alte Frau viel stricken oder müssen eben zwei Kumpels viele Pizzen verkaufen.
Nach einigem Suchen wurde schließlich ein Standort für den ersten Automaten in Oberderdingen gefunden. Die Resonanz war vom Start weg groß, von weit her kamen die Leute teilweise angefahren, um die erste Automaten-Pizza im Kraichgau auszuprobieren, erinnern sich Mario und Jürgen. Technisch gesehen übrigens eine Steinofen-Pizza, denn im Inneren des Automaten werden zeitgleich zwei Pizzen bei 350° auf Stein ausgebacken, erzählen die Freunde stolz, die neben ihrer Karriere als Robo-Pizza-Wegbereiter in größeren Unternehmen in Knittlingen und Oberderdingen arbeiten.
Doch die Freude in Oberderdingen währte nicht ewig. “Wir fühlten uns herzlich willkommen, bekamen gutes Feedback”, erzählen die Freunde und seufzen. Dann beschwerten sich offenbar einzelne Anwohner über vermeintlichen Lärm, den die Kundschaft zu vorgerückter Stunde rund um den Automaten hervorriefe, berichten sie uns. Ein Artikel in der Tageszeitung sponn daraus ein großes Thema, sodass Mario und Jürgen am Ende nur der Rückzug und der Abtransport ihres Automaten blieb. “Irgendwann war die Luft zu dick und das Letzte, was wir wollten, war Ärger“, berichten sie sichtlich frustriert. Tatsächlich liest sich die heute noch abrufbare Berichterstattung recht unheilschwanger. Von “lärmgeplagten Einwohnern” und nächtlichen “Polizeieinsätzen” ist hier die Rede. Unsere diesbezügliche Nachfrage bei der Polizei Karlsruhe ergibt jedoch ein weniger dramatisches Bild. So gab es 2022 tatsächlich zwei nächtliche Anfahrten der Polizei, einmal Anfang Juni und einmal Mitte August. Im ersten Fall trafen die Beamten auf Jugendliche, die beim Pizzaessen Musik hörten und diese nach Aufforderung sofort abstellten, beim zweiten Einsatz im August wurde nach Polizeiprotokoll keinerlei Ruhestörung festgestellt. Ein Skandal klingt anders. Ob deshalb der Automat gegenüber einer Tankstelle an einer viel befahrenen Straße zurecht weichen musste, muss wohl jeder für sich selbst beantworten.
Jürgen und Mario ließen sich von dieser Erfahrung jedoch nicht unterkriegen und sind mit zwischenzeitlich zwei Automaten im Kraichgau präsent. Einer steht nun an der Brettener Melanchthonstraße, ein weiterer neuerdings in Eppingen an der Mühlbacher Straße. Es gibt sogar Pläne für einen dritten Pizzaautomaten, doch wo dieser einmal stehen wird, wissen die beiden Freunde derzeit noch nicht. Es gilt einen gut frequentierten Ort zu finden, an dem der notwendige Durchsatz erzielt wird und zudem Starkstrom für die Versorgung der zwei Backöfen im Inneren vorhanden ist. Vielleicht findet sich ja ein kleines Plätzchen in der Nähe unserer Bruchsaler Redaktion, das würde meinem unsteten Lebenswandel und meinen nächtlichen Fressattacken jedenfalls gut entgegenkommen, wenngleich vermutlich nicht zur Freude meines Hausarztes ;-)
Ich glaub auch nicht dass der Grund die Berichterstattung oder dicke Luft waren, eher war der Hype vorüber und mit 2 Pizzen am Tag wird der fünfstellige Betrag niemals rein zu holen sein… Der Eis Automat in Rastatt ist wegen Vandalismus abgebaut worden, das klingt schon deutlich plausibler :-).
Aber das ganz schlimme an solchen Beiträgen ist ja das ich jetzt Lust auf Pizza habe, hier ist aber gerade Frühstückszeit…
Nun ja, es findet sich immer mal wieder eine Sau, die durchs Dorf getrieben wird !!! Lärm und Radau zur späten Stunde brauchts nicht. Aber die Dinge aufplustern und Unmut schüren ebenfalls nicht. Journalismus heißt OHNE Emotionen zu berichten. und auch nicht in GUT und Böse einteilen. Das hat man besonders bei der Seuche festgestellt. Wer nicht auf Linie war wurde übelst beschimpft: Queerdenker, Antisemiten, Rechtsradikale etc. Das gleiche erlebe ich jetzt im Ukraine-Konflikt.
In Oberderdingen erzählt man sich dass sich die zwei Jungs da unbewusst in ein Wespennest gesetzt haben. Der Anwohner der die Presse angerufen hat sei wohl seit Jahren im Nachbarschaftsstreit mit dem Vermieter des Platzes …der wiederum auch nur Mieter, hatte dann den Anwalt der Eigentümerin am Hals und die Jungs waren die Leidtragenden
War dann wohl wiedermal eine dieser krummen BNN Storys… liest sich hier wesentlich sympathischer
Wenn ich mir die Herausforderungen der Gastro so anschaue werden wir über solche innovativen Konzepte eines Tages noch Dankbar sein.
Natürlich braucht es einen Dialog wo und wie diese Konzepte für wenig bis keine Reibung sorgen.
Auf der einen Seite aber wollen wir wieder belebte Innenstädte/Dörfer wie es früher mal der Fall war, auf der anderen Seite ist aber zu später Stunde mittlerweile jegliches Geräusch unerwünscht.
Beides zusammen geht leider nicht. Wohlstand ahoi