Tief im Labyrinth

Der quadratische Forst – Im Schachbrett der Hambrückener Wälder kann man Erholung finden oder sich gnadenlos verlaufen

Als echtes Hügelkind komme ich mit den Begebenheiten im Flachland irgendwie nicht richtig klar. In der Ebene sieht für mich alles gleich aus, die Orientierung wird hier für mich zur echten Herausforderung. Während mir die buckligen und hügeligen Wege rund um Kraichtal, Bretten und Östringen zwischenzeitlich aus jeder Perspektive vertraut erscheinen, muss ich doch unterwegs in den Ausläufern der Rheinebene regelmäßig zur Karten-App auf dem Smartphone greifen.

Vor ein paar Tagen war ich das erste Mal wirklich ausgiebig in den ausgedehnten Waldgebieten rund um Hambrücken unterwegs und – was soll ich sagen – wäre um ein Haar nicht mehr nach Hause gekommen. Gerade im Norden der komplett von Wald umschlossenen Gemeinde findet sich ein weitläufiges, für unsere Gegend gerade zu riesengroßes Stück Forst. Wäre es nicht grausam mittig durchschnitten von der Autobahn 5, könnte man hier ganze Tagesausflüge verbringen, ohne von dem omnipräsenten Zivilisationslärm behelligt zu werden.

Die flache Topographie der Gegend macht den Wald und das ausgedehnte Wegenetz darin zu einem perfekten Ort für etwas ruhigen Freizeitsport. Während ich nach unzähligen schweißtreibenden Fahrten durch die Hügel meines kleinen Fleckchens Heimat das Fahrrad irgendwann entnervt gegen einen Elektroroller eingetauscht habe, wäre es – wohnhaft in Hambrücken – auf jeden Fall mein bevorzugtes Transportmittel. Die Gegend ist so flach, dass das Fahren mühelos von der Hand bzw. vom Fuß geht. Wer zudem noch ein E-Bike hat, wird geradezu widerstandslos über das Land gleiten. Perfekt ist der große Wald nördlich von Hambrücken auch für das Joggen. Neben den asphaltierten Hauptwegen, gibt es unzählige kleine Pfade, die aus weicher Erde und Moos bestehen…perfekt für die Gelenke und einen gleichmäßigen Lauf.

So schön dieses Netz aus Wegen und Pfaden für Freizeitsportler und Spaziergänger auch sein mag, Neulinge und nicht Ortskundige werden damit beim ersten Mal ihre liebe Not haben. Schaut man sich das riesige Waldstück auf einer Karte an, wird man feststellen dass es wie ein Schachbrett in horizontal und vertikal verlaufende Linien unterteilt ist, die sich geometrisch exakt zu einer Art Schachbrett zusammensetzen. Der ganze Wald besteht damit aus kerzengerade verlaufenden Wegen, die sich alle paar hundert Meter kreuzen. Wer sich nicht auskennt, verläuft sich erst einmal gnadenlos. Ich schwöre Ihnen, nehmen Sie einen Ortsfremden mit in den Wald, verbinden sie ihm bei den ersten drei Kreuzung die Augen und lassen Sie ihn zehnmal um die eigene Achse rotieren… Der arme Tropf ist fortan verdammt stundenlang durch den Forst zu irren. Ich habe seit langem nicht mehr so häufig mein Smartphone aus der Tasche gezogen, wie an diesem Nachmittag. Etwas Orientierung bietet das Rauschen der A5, doch wenn der Wind durch die hohen Baumwipfel pfeift, fällt auch diese akustische Ortsmarke flach.

Abgesehen davon, dass der gesamte Wald ein gigantisches Labyrinth ist, bietet er aber viele kleine Verstecke und idyllische Orte, die es zu entdecken lohnt. Zwischen Dutlacher Graben, Heugraben und Kriegsbach gibt es versteckte Seen, Auen, Bänke, Hütten und Lichtungen. Für einen ausgedehnten Spaziergang voller kleiner und großer Erlebnisse ist der Forst zwischen Hambrücken, Kronau und Waghäusel in jedem Fall zu empfehlen. Hier können Sie stundenlang über unzählige Kilometer wandern, ohne durch die fehlenden Steigungen der flachen Topographie zu ermüden. Wenn sie wieder zu Hause sind, wird sie in jedem Fall kein Muskelkater plagen.

Na ja, wenn Sie jemals wieder nach Hause finden