Ein Dorf startet durch
Schreibt man normalerweise von der Entwicklung von Handel und Gastronomie in den kleineren Kraichgau-Dörfern, so ist der Tenor oft niederschmetternd. Da geht es meist um Schließungen, Abwanderungen oder Geschäftsaufgaben…. Ein trauriger bundesweiter Trend, vor dem sich auch unsere kleine Ecke der Welt leider nicht verstecken kann.
Umso schöner ist es heute einmal eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte von Comebacks, Aufschwung und Wiederbelebung. Diese Geschichte spielt im kleinen Kraichtaler Stadtteil Oberöwisheim, idyllisch gelegen zwischen dem Höhenkamm beim Zeuterner Himmelreich und den Niederungen des Kraichbach-Tals.
Nur knapp 2000 Menschen leben hier im Dorf, in dem wie in den meisten Winkeln des Hügellands, die Bürgersteige schon recht zeitig hochgeklappt werden. Zum Einkaufen gibt es je einen erstklassigen Bäcker und eine Metzgerei, für die übrigen Erledigungen fährt man entweder nach Odenheim oder nach Münzesheim. Der kleine Tante Emma Laden von Birgit Böser hat mangels passender Nachfolge schon vor einigen Monaten geschlossen.
Gaststätten gab es früher im Dorf so einige, übrig geblieben ist nur die “Kleine Kneipe” in der Ortsmitte, in der die Oberöwisheimer am Abend gerne ihre Zeit verbringen. Im Grunde also auf den ersten Blick ein ganz normales Dorf, wie es unzählige in Deutschland gibt. Schaut man genauer hin stellt man aber fest, das dort wo andernorts die ländlichen Regionen ausbluten, hier in Oberöwisheim ein langsames, aber stetes Wachstum zu verzeichnen ist. In den letzten 50 Jahren hat die Zahl der Einwohner von etwa 1400 auf rund 2000 knapp ein Drittel zugelegt. Das liegt auch an der Wohnraumnot in der Peripherie Karlsruhes, die auch hier in der Region zu steigenden Preisen und einer höheren Nachfrage führt. Das Oberöwisheim aber mehr als eine reine Bettenburg für Karlsruher Pendler ist, sieht man derzeit am Boom von Gastronomie und Handel im Dorfkern.
Vom Umland fast unbemerkt wurden einige der seit vielen Jahren leerstehenden Kneipen und Restaurants in den letzten Wochen wiederbelebt. Da wäre z.b. die kleine ehemalige Dorf-Disco “Palm Beach”, in der schon vor Jahrzehnten getanzt und geflirtet wurde. Kevin, der Sohn des einstigen Betreibers Peter Lampert, hat dieses Juwel vergangener Tage nun wiederbelebt und kann sich vor Gästen kaum retten. An den Freitagen wenn hier zu Live-Musik getanzt wird, platzt die kleine Bude, in der fast alles im Originalzustand von einst erhalten blieb, aus allen Nähten.
Auch gegenüber auf der anderen Straßenseite sind im seit Jahren verwaisten Gasthaus “Zum Löwen” klammheimlich wieder die Lichter angegangen. An der Theke steht mit dem stets gut gelaunten und immer gutmütigen Lothar kein Unbekannter. Der erfahrene Wirt hatte bis vor kurzem die am Ortsrand gelegene Gaststätte des Fußballvereins geführt und nun den Sprung in die Dorfmitte vollzogen. Bei ihm gibt’s nicht nur frisch gezapftes Bier, sondern auch in der Pfanne gebratene Schnitzel und krosse Brathähnchen für den kleinen und großen Hunger.
Auch ins ehemaligen Gasthaus zur Sonne kehrt dieser Tage das Leben zurück. Der junge Lehrer Simon saniert das Juwel derzeit aufwendig. Einmal fertiggestellt will er regelmäßig Kulturevents im alten Gasthaus veranstalten und hier handverlesene Künstler auftreten lassen. Für die Eröffnung seiner Kulturkneipe steht noch kein konkreter Termin fest, die Chancen stehen aber gut für ein Comeback der Sonne im kommenden Jahr.
Last but not least wird auch das Loch, das durch den Wegfall des kleinen Gemischtwarenladen entstanden ist, bald geschlossen. Die Metzgerei Deckinger wird ihren Laden vergrößern und viele Waren des täglichen Bedarfs anbieten. Aus der jetzigen Metzgerei wird also eine kleine Dorfkrämerei mit allem drum und dran.
Entgegen dem bundesweiten Trend hat sich Oberöwisheim damit weiter in Richtung eines zukunftstauglichen Wohnortes entwickelt, der auch für junge Menschen und Familien handfeste Perspektiven bietet: Läden des täglichen Bedarfs, Gastronomie und Kulturbetriebe – dazu eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und nicht zuletzt die traumhafte Lage. Der Trend zu einer Rückbesinnung auf mehr Freizeitangebote innerhalb der Dörfer, ist übrigens auch in anderen Kraichtaler Teilorten zu erkennen. So hat z.b. in Menzingen mit der Rockbar Endstation eine kleine Kneipe mit angeschlossener Tanzfläche eröffnet sowie in Gochsheim mit dem Berthold 57 eine tolle Event-Location. Wenn jetzt in Oberöwisheim noch das “Moulin Rouge” wieder eröffnen würde, dann wäre auch das seither brachliegende Erotikgewerbe in Kraichtal endlich wieder um eine Attraktion reicher ;-)