Nicht alles Gute kommt von oben

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Tonnen von Schlamm und Erde spülte die Flut vergangene Woche über das kleine Helmsheim. Durch den selbstlosen Einsatz ehrenamtlicher Helfer wird der Morast nun Stück für Stück abgetragen.

von Stephan Gilliar

Mit einem schmatzenden Geräusch schiebt sich die Schaufel von Christian Bürkles Bagger in den schlammigen Morast, der noch vor ein paar Tagen Dieter Hubers Obstgarten war. Stück für Stück befördert er tonnenweise Schlamm in den daneben bereitstehenden Hänger. Heute Morgen ist er mit seinem schweren Gerät von Straubenhardt nach Helmsheim gekommen und arbeitet seither unermüdlich daran, das Grundstück zumindest einigermaßen von den gravierenden Folgen der Überschwemmung zu befreien. Christian hilft dabei vollkommen ehrenamtlich. Den Bagger, den Transport, das Benzin, die Arbeitszeit – für nichts davon will der Maschinenbaumeister auch nur einen einzigen Cent. „Warum?“ will ich wissen, und er schaut mich an, als ob das die seltsamste Frage wäre, die er je gehört hat. Er zuckt mit den Schultern, zieht die Augenbrauen hoch und entgegnet in diesem herrlichen Dialekt, der in der Grenzregion zwischen Schwarzwald und Kraichgau gesprochen wird: „Die Leute brauchen halt Hilfe, oder willsch se hänge lasse?!“ Bämm! Eine Antwort, die keineswegs selbstverständlich ist und doch hundertfach von so vielen selbstlosen Helferinnen und Helfern derzeit in den von der Flut gezeichneten Gebieten zwischen Bretten und Bruchsal zu hören ist.

Externer Link: Facebook-Gruppe „Wärme fürs Ahrtal“

Harald Wiedemanns Gruppe

Dass Christian und sein Bagger heute hier sind, ist dem guten Netzwerk von Harald Wiedemann zu verdanken. Der hauptberufliche Feuerwehrmann aus Karlsruhe ist durch seinen unermüdlichen Einsatz im Flutgebiet im Ahrtal der Mensch gewordene Dreh- und Angelpunkt, wenn es um die Koordination ehrenamtlicher Katastrophenhilfe geht. „Wärme fürs Ahrtal“ heißt die Gruppe, die er seinerzeit auf die Beine gestellt hat und die er nun für den schwer gebeutelten Kraichgau reaktiviert.

In schlammverkrusteten Gummistiefeln stapft er durch die Überreste von Dieter Hubers Garten, den die Überschwemmung besonders hart getroffen hat. Als einziges Haus in der stark mitgenommenen Kurpfalzstraße sind Teile der Konstruktion nach wie vor einsturzgefährdet und dürfen auch zehn Tage danach nicht betreten werden. „Bis hierhin reichte das Wasser“, erzählt Dieter und hebt den Arm einen guten Meter hoch an seiner rückwärtigen Hauswand, wo immer noch ein schwacher Streifen die Wege der Flut dokumentiert. Nachdem sich diese irgendwann wieder zurückgezogen hatte, blieb von seinem weitläufigen Grundstück hinter dem Haus nur eine braune, monotone Mondlandschaft übrig. Bis zu 30 Zentimeter hoch bedeckte der Schlamm alles. Zu viel, um ihn einfach in den Boden einzuarbeiten, und so organisierte Harald Wiedemann den arbeitsintensiven und äußerst aufwändigen Abtransport. Er ist nicht der Einzige, der heute Nachmittag in der Hitze durch den Morast watet, um zu helfen. Auch Nachbarn sind da, aber ebenso Helfer von weiter weg, wie zum Beispiel die Kraichtaler Polizistin Irina. Wie alle anderen setzt auch sie ihren diesjährigen Sommerurlaub dafür ein, um anderen zu helfen – selbstlos, ohne auch nur im Geringsten dafür etwas einzufordern.

Auch Ortsvorsteherin Tatjana Grath macht sich ein Bild von der Lage, ist seit Tagen in ihrer kleinen Gemeinde Helmsheim unterwegs. Sie selbst wohnt nur ein paar Häuser weiter und hat hautnah miterlebt, wie schnell sich ein kleines Rinnsal zu einer reißenden Flut entwickeln kann. Auf ihrem Smartphone zeigt sie Videoclips, aufgenommen von ihrem Sohn. Clips, die zeigen, wie innerhalb weniger Minuten zuerst nur etwas Wasser die Straße hinunterfließt, später so viel, dass Mülltonnen und ganze Autos einfach mitgerissen werden. Besonders schaurig: Zwischen dem ersten und dem letzten Clip liegen gerade einmal knapp 20 Minuten. Es war nicht der Saalbach, der Helmsheim zum Verhängnis wurde, zumindest nicht ausschließlich. „Helmse hat koi Problem mit dem Saalbach“, erklärt Tatjana und zeigt auf die Anhöhen Richtung Gondelsheim und Obergrombach. Von da sei das Wasser gekommen. „Gießgraben, Sandäcker, Schlossbergring, Sägemühle … überall floss das Wasser nach Helmsheim hinein.“ Die Folge: tonnenweise Schlamm und Matsch, geflutete Keller, Wohnräume und Gärten. Nicht nur Dieter Hubers Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert gleicht an diesem Tag einer erdfarbenen Baustelle. Überall in der Nachbarschaft laufen die Aufräumarbeiten, die ganze Straße – nein, das ganze Dorf – ist auf den Beinen. „Ich war an dem Abend gar nicht da, aber meine Tochter hat mich angerufen, saß im Auto und hat wegen des Wassers kaum noch die Tür aufbekommen“, erzählt Dieter und ist einfach nur froh, dass der Familie nichts passiert ist. Die Aufräumarbeiten hätte er ohne fremde Hilfe kaum allein schaffen können; die Unterstützung durch Harald, Christian und die vielen anderen Helfer ist daher hoch willkommen. Der Strom an Hilfsangeboten und Unterstützung in Harald Wiedemanns Gruppe reißt indes nicht ab. Gerade erst wurde von einem anonymen Spender eine komplette Wohnungseinrichtung angeboten – kostenlos.

Die Hilfsbereitschaft in ihrem Helmsheim macht auch Tatjana Grath sprachlos. Sie ist sichtlich stolz auf ihren Ort und die vielen großen Herzen, die für ihn stehen. Dennoch weiß sie genau, etwas wie an diesem vergangenen Dienstag kann jederzeit wieder geschehen. Deshalb müsse nun schonungslos alles auf den Tisch, alles diskutiert werden, es dürfe dabei keine Tabus geben. „Alles muss jetzt erarbeitet werden“, sagt sie. Was geschehen ist, müsse gut reflektiert werden. Jeder sei dabei gefordert – Hausbesitzer, Landwirte und natürlich auch die Behörden. Klar müsse aber auch sein: Man könne nicht alles den Kommunen aufbürden, denn alles spricht dafür, dass Ereignisse dieser Art in Zukunft vermutlich eher mehr als weniger werden.

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4 Gedanken zu „Nicht alles Gute kommt von oben“

  1. Ich bewundere solche Leute und Zölle ihnen größten Respekt.
    Aber: wo sind die Behörden? Wo ist die Hilfe von Bund, Land, Landkreis und Stadt?
    Immer wieder das gleiche erbärmliche Szenario, egal wo.
    Ohne solch freiwillige Hilfe wären die Leute aufgeschmissen!
    Und die anderen wundern sich demnächst wieder über Staatsverdrossenheit!

    • Das ist einfach nicht wahr. Die Behörden sind durchaus präsent, Polizei, technisches Hilfswerk, Feuerwehr, Rettungskräfte, alle halfen und helfen mit. Die Kommunen sorgen für Container, die Reinigung der Straßen, die Sammlung des Sperrmülls, stellen die Stromversorgung sicher, Wasser, etc. dieses reflexhafte Schimpfen auf „die da oben“ ist hier einfach nicht angebracht

  2. Also ich habe hier mit Behörden nur schlechte Erfahrungen gemacht.
    Und wenn sie nicht mehr weiter wussten, wurde gelogen.
    War zugegeben in anderen Sachen, aber hier hab ich gelernt, was hinter dem Spruch „gehe nie zu seinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst“ heißt.

  3. Wenn solch eine Katastrophe passiert da muß man einfach helfen.
    Der Schlamm und Dreck war immens
    Mit dem Schneeschieber und Besen
    Ging es gut voran.
    Bei so einem Unwetter kann man keine Vorhersage machen irgend welche Schuldige zu suchen ist fehl am Platz

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