Drohendes Bahn-Chaos im Kraichgau – Gondelsheim geht in die Offensive

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Mehrwöchige Sperrung der Schnellbahnstrecke Mannheim-Stuttgart sorgt für Druck auf die Altstrecke durch den Kraichgau

Das kommende Jahr könnte insbesondere für Fahrgäste der Bahn auf der Schnellbahnstrecke zwischen Mannheim und Stuttgart zeitweise ungemütlich werden. Durch nicht aufschiebbare Sanierungsarbeiten am Freudensteiner Tunnel, wird der Bahnverkehr vorübergehend aller Wahrscheinlichkeit nach über die alte Strecke durch den Kraichgau umgeleitet werden. Das betrifft insbesondere Diedelsheim, Gondelsheim, Helmsheim und Heidelsheim – durch diese Dörfer wird sich dann der Umleitungsverkehr ergießen, mit all den unschönen Folgen, die aus der letzten großen Sperrung vor wenigen Jahren noch allzu bekannt sein dürften: Gesperrte Bahnübergänge, eingeschränkter Nahverkehr und eine größere Lärmbelastung. Die Bahn hat uns die Abwicklung über die alte Strecke bereits bestätigt, schon vor einigen Tagen haben wir detailliert über den aktuellen Stand berichtet.

In den Rathäusern der betroffenen Kommunen dürfte dieser unerwartete Nachschlag auf die monatelange Ausnahmesituation im Kielwasser der letzten großflächigen Streckensanierung naturgemäß nicht gut ankommen. Als erste Gemeinde hat sich nun Gondelsheim zu Wort gemeldet, Bürgermeister Markus Rupp ist mit einem offenen Brief an die Bahn nun in die Offensive gegangen. Der Brief liegt uns im Original-Wortlaut vor, wir geben ihn hier im folgenden unverändert wieder:

Bürgermeister Markus Rupp

Sehr geehrte Damen und Herren,

wann wird aus „viel“ ein „zu viel“? Wie viel darf von den Menschen in Gondelsheim erwartet werden, bevor diese ein klares „Bis hierher und nicht weiter“ vorbringen? 

Keine leicht zu beantwortende Frage, dennoch wage ich es, mich als Gondelsheimer Bürgermeister in diesem speziellen Fall auf eine Antwort festzulegen: So kann es nicht weitergehen. Was die Gemeinde Gondelsheim in den letzten Jahren hinnehmen musste, passt schon längst nicht mehr auf die gerne strapazierte, sprichwörtliche Kuhhaut. 

Noch längst sind die Narben der gerade einmal einen Monat zurückliegenden Flutkatastrophe, die für Leid und Zerstörung in unserem Ort gesorgt und zahlreiche Menschen an den Rand ihrer Existenz und mitunter sogar aus ihrem Heim vertrieben hat, nicht vernarbt. Die Folgen dieser historisch anmutenden Überschwemmung werden uns noch viele Monate lang begleiten.

Und schon deshalb, aber nicht nur deshalb ist es den Menschen in der Gemeinde Gondelsheim daher aus meiner Sicht nicht zumutbar, sie schon in kürzester Zeit erneut in ihrem mühsam zurückeroberten Alltag derart einzuschränken und zu behindern, wie es die anstehende Sanierung der Bahnstrecke zwischen Stuttgart und Mannheim erahnen lässt. Mehrere Medienberichte lassen hier das Schlimmste für Gondelsheim befürchten: ein erneuter wochenlanger Ausnahmezustand, in dem der Bahnverkehr dieser dicht befahrenen Strecke ersatzweise komplett und einmal mehr durch das Kraichgauer Hinterland umgeleitet werden soll. 

Was das für Gondelsheim bedeutet, hat hier niemand vergessen. Bei der letzten mehrmonatigen Sanierung der Strecke im Jahr 2020 versank unsere kleine Gemeinde in einem Verkehrschaos, das sich einfach nicht wiederholen darf: permanent geschlossene Bahnübergänge auf der wichtigsten innerörtlichen Verbindungsroute, ein massiv eingeschränkter Nahverkehr, lange Staus und blank gescheuerte Nerven.

Damals haben wir diese durch und durch unangenehmen Begleiterscheinungen der Generalsanierung der Schnellbahntrasse im Sinne der guten Sache und des höheren Zwecks für das Gemeinwohl mitgetragen, obgleich die Belastung dieser Maßnahme sich auf sehr wenige Schultern – in besonderem Maße auf die Gondelsheimer – verteilt hat. Eine Wiederholung dieses Szenarios im kommenden Jahr können und wollen wir jedoch so nicht akzeptieren.

Vor fünf Jahren haben wir die klare Forderung an die Deutsche Bahn AG formuliert, dass bevor es zu einer Wiederholung der Trennung der Gemeinde in West und Ost durch ewig oder über Wochen geschlossene Schranken kommt, der Bahnübergang Gondelsheim beseitigt sein muss. Leider lässt die DB hier aber jeglichen konstruktiven und zeitlichen Eifer vermissen. Und als Bestrafung für die Geduld der Gondelsheimer wurde durch die DB, die für dieses Jahr zugesagte Lärmsanierung mittels Lärmschutzwänden einfach mal ins Jahr 2026 verschoben und auch da nicht verbindlich zugesagt. 

Es kann und darf nicht immer zum Problem der Menschen in Gondelsheim gemacht werden, wenn größere infrastrukturelle Maßnahmen im Umkreis realisiert werden. Sei es die Sanierung der B 35 samt wochenlangem Umleitungsverkehr durch unsere Gemeinde oder eben Arbeiten auf der Bahnstrecke, die in Gondelsheim zu einem wochenlangen chronischen Verkehrskollaps und Ausnahmezustand führen.

Ich ersuche Sie daher im Vorfeld, in jener Phase, in der Anpassungen der Pläne noch möglich sind, intensiv nach Alternativen zu einem solchen Umleitungsverkehr zu suchen und die Auswirkungen für Gondelsheim auf ein erträgliches Maß zu reduzieren – unter Einsatz aller dafür erforderlichen Mittel. 

Auch ein verlässlicher Zubringerverkehr an unsere große Kraichgau-Gemeinschaftsschule mit ihren über 400 Schülerinnen und Schülern ist zu garantieren. 

Für konstruktive Gespräche, die den Willen der Bahn für ein kooperatives Vorgehen erkennen lassen, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Rupp, Bürgermeister

Wie die Bahn auf das Schreiben reagieren wird, ist natürlich derzeit noch unbekannt, ebenso stehen noch keine konkreten Details zu den Umleitungplänen und den genauen Auswirkungen entlang der alten Bahnstrecke zur Verfügung. Wir berichten an dieser Stelle nach, sobald es neue Entwicklungen gibt.

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3 Gedanken zu „Drohendes Bahn-Chaos im Kraichgau – Gondelsheim geht in die Offensive“

  1. Wir wissen ganz genau wieso wir Markus Rupp als Bürgermeister gewählt haben! Ich hoffe die entsprechenden Verantwortungsträger der DB werden Alternativen aufzeigen. Weiter so Markus Rupp

  2. Chapeau Herr Rupp!
    Und nicht nur Gondelsheim hat genug mitgemacht.
    Ich fürchte nur, dass alles an dieser gierigen „Managementinfrakultur“ abprallt.
    Und bei diesem Bundesverkehrsminister ist doch Hopfen und Malz verloren…wie an fast allen vorher auch.

  3. Weshalb „drohendes“ Bahnchaos ? Das Chaos ist doch auf den Strecken längst Alltag, wo „droht“ denn da noch mehr ?

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