Ganz Baden-Württemberg diskutiert den Lehrermangel – Im Kraichgau scheint dies noch kein Problem zu sein
Tausende unbesetzte Lehrerstellen im Land, ein Trend, der sich laut Kultusministerium in den kommenden Jahren noch verschärfen könnte. Der vieldiskutierte Lehrermangel in Baden-Württemberg ist Realität und hat das Zeug, die Bildungskrise im deutschen Schulwesen weiter anzuheizen. Die dünne Personaldecke wirkt sich aber nicht überall im Land auf die gleiche Art und Weise aus, während in manchen Schulbezirken Unterrichtsausfälle wegen Personalmangels zunehmen, stehen andere Regionen vergleichsweise gut da – unter anderem auch der Kraichgau und dessen Umland.
“Mehr wäre zwar immer gut, aber wir sind derzeit noch voll handlungsfähig“, bestätigt beispielsweise Matthias Fuchs, Schulleiter an der Gemeinschaftsschule Kraichtal. Man müsse zwar viel jonglieren, um den Stundenplan an den Kraichtaler Schulen bedienen zu können, einen Mangel gebe es aber derzeit aber nicht, so Matthias Fuchs weiter.
Ähnlich wie in Kraichtal, sieht es wohl auch in anderen Städten und Gemeinden im Hügelland aus. Wir haben an mehreren Schulen nachgefragt – sowohl an Grundschulen als auch an weiterführenden Schulen. Das Ergebnis ist nahezu überall identisch: Man kommt derzeit noch gut zurecht. Thorsten Moch von der Lußhardt-Gemeinschaftsschule Forst Hambrücken sieht den Zustand seines Kollegiums im grünen Bereich. Natürlich gäbe es Fluktuationen durch Krankheit oder Schwangerschaft, Unterrichtsausfälle aufgrund von fehlendem Personal, sind aber kein Thema – weder in Forst noch in Hambrücken. Man habe vielmehr sogar drei neue Stellen für das kommende Schuljahr genehmigt bekommen, eine Krise zeichne sich also auch in der näheren Zukunft nicht ab.
Nahezu deckungsgleich fallen auch die Rückmeldungen von Ben Olbert, stellvertretender Schulleiter am Leibniz-Gymnasium in Östringen und von Simone Hanisch, Schulleiterin an der Grundschule im Rot in Eppingen aus. “Wir schaffen es mit eigenen Mitteln gerade so”, antwortet Ben Olbert auf unsere Nachfrage, Unterrichtsausfälle gäbe es kaum. Alle Lichter auf Grün sieht auch Simone Hanisch für den Stundenplan ihrer vier Klassenstufen in Eppingen “Wir sind derzeit safe”.
Dass gerade der Kraichgau die Insel der Glückseligen zu sein scheint, überrascht keine der angesprochenen Schulleitungen wirklich. “Unsere Region ist sehr beliebt bei Lehrerinnen und Lehrern” weiß Matthias Fuchs. Die gute Lage zwischen der Technologieregion Karlsruhe und der Metropolregion Rhein-Neckar, die gute Infrastruktur und die damit einhergehenden, positiven Aussichten für die berufliche und die familiäre Entwicklung, machen das Hügelland als Wirkungsort sehr beliebt. Ganz anders sieht dies beispielsweise in weniger dicht besiedelten Gebieten, wie in manchen Regionen des Schwarzwaldes oder der schwäbischen Alb aus. Hier können an manchen Schulen gleich mehrere Lehrstellen nicht adäquat besetzt werden, weshalb Unterrichtsausfälle zu einem echten Problem avancieren. In ihrer Not müssen einzelne Schulen manche Fächer mit nicht vollständig ausgebildetem Lehrpersonal oder Quereinsteigern besetzen.
Die Frage, die man sich in solchen Fällen zurecht stellen darf: Wie konnte es so weit kommen, wo doch der Bedarf durch klar benennbare Geburtenzahlen lange im Voraus planbar wäre? Schließlich sind die dadurch zu erwartenden Schülerzahlen sowie die Abgänge durch Pensionierungen und Co. einigermaßen gut kalkulierbar? Die Antwort darauf ist komplex. Zum einen haben die Länder teilweise zu spät auf den Bedarf reagiert, die Anzahl der entsprechenden Studienplätze zu klein gehalten. Zum anderen verliert aber auch der Beruf des Lehrers zunehmend an Attraktivität, weshalb zwischenzeitlich sogar Studienplätze unbesetzt bleiben. Paradox: Noch vor 20 Jahren wurde an den Universitäten aktiv vor der Aufnahme eines Lehramtsstudiums abgeraten – die Begründung: Kaum berufliche Perspektiven. Ein schlechter Rat, wie sich heute herausstellt. “Immer antizyklisch studieren – entgegen der derzeitigen Empfehlungen”, empfiehlt auch Rektor Matthias Fuchs, der sich an ähnliche Appelle zu seiner Studienzeit erinnern kann.
Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Berufsmarkt wird durch nicht erwartbare Entwicklungen, wie beispielsweise den jüngsten Fluchtbewegungen, verschärft. Unzählige Kinder – beispielsweise aus der Ukraine – wurden in den vergangenen Monaten an deutschen Schulen aufgenommen, was mancherorts die Kapazitäten deutlich gesprengt hat.
Die Lage im deutschen Bildungswesen bleibt also angespannt, wenngleich der aktuelle Lehrermangel sich nicht überall in Baden-Württemberg auf dieselbe Art und Weise auswirkt. Während der Kraichgau noch nahezu ungeschoren durch die Krise kommt, sieht es in anderen Regionen weniger gut aus. Sicher ist aber, dem Trend des Mangels muss entgegengewirkt werden. Viele Lehrerinnen und Lehrer werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand verabschiedet, der Nachwuchs an den Universitäten wird kaum ausreichen um diese Löcher zu stopfen.
Ein Theater!
16 Kultusministerien!
Sowas leistet sich kein anderes Land!
„Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Berufsmarkt wird durch nicht erwartbare Entwicklungen, wie beispielsweise den jüngsten Fluchtbewegungen, verschärft.“
Das schafft im Hinblick auf die Berufschancen von Lehramtsstudenten doch keine Verbesserung. Für Flüchtlinge wurden überhaupt keine neuen Planstellen geschaffen. Dabei handelt es ich immer nur um zeitlich befristete Verträge für wenige Monate. Auch jetzt sind die Berufsaussichten für Lehramtsstudenten weiterhin schlecht, denn es gibt meistens nur befristete Verträge, ohne Sicherheiten, schlecht bezahlt und oft sogar ohne Urlaub. Man kann also nur von der Einbahnstraße Lehramtsstudium abraten.