Unterwegs auf einer der höchsten Straßen der Welt – Rückkehr in den Himalaya
Die drei Freunde Roland, Matthias und Thomas wollen es noch einmal wissen und mit dem Fahrrad den Manali-Leh-Highway, eine der höchsten Straßen der Welt, befahren. Ihr Weg führt sie dabei über mehrere tausend Höhenmeter, eine Distanz von über 400 Kilometern und über einige der höchstgelegenen Bergpässe des Planeten.
von Stephan Gilliar
Es heißt, über das Alter redet man nicht – ein Vorsatz, den ich für diesen Artikel gleich zu Beginn über Bord werfe, denn das Alter spielt hierbei keine unwesentliche Rolle. Es sind schließlich keine vor Kraft strotzenden 20-jährigen Jungspunde, keine 30-jährigen Hobby-Athleten, ja noch nicht einmal gestählte Golden-Ager, die sich auf die abenteuerliche Reise quer durch das Niemandsland auf dem eisigen Dach unserer Erde begeben … nein, es sind einfach drei ganz normale Freunde aus Bruchsal, von denen jeder einzelne der 70 inzwischen schon ein klein wenig näher ist als der 60. Ich bitte Sie aufrichtig: Gehen Sie vor Ihrem geistigen Auge all Ihre Verwandten und Bekannten in dieser Altersklasse durch und zählen Sie dabei all jene auf, denen Sie zutrauen würden, mit dem Mountainbike mehrere Gebirgspässe im Himalaya zu überqueren, in eisig-dünner Luft in einfachen Zelten zu übernachten, weit abseits von jeglicher Infrastruktur oder menschlicher Zivilisation. Zumindest im mir bekannten Personenkreis gibt es niemanden, dem ich dafür guten Gewissens einen Eignungsnachweis unterschreiben würde.
Nun ist dieser Trip für Roland, Matthias und Thomas nicht der erste dieser Art. Bereits in den vergangenen Jahren haben die Freunde das eine oder andere Abenteuer gemeinsam erlebt, und auch der Himalaya ist ihnen nicht fremd. Wir bei Hügelhelden.de haben die drei schon mehrfach aus der Ferne begleitet und hier im ausführlichen Reiseblog über jede Etappe ihrer außergewöhnlichen Unternehmungen berichtet. Insbesondere auch deshalb, weil die drei Freunde das nicht nur aus Lust auf eine gute Anekdote beim nächsten Sommerfest oder als auf Unterhaltung getrimmten Abenteuerurlaub begreifen, sondern jede einzelne Reise in den Dienst einer guten Sache stellen. Unterstützt durch Sponsoren und die im Laufe ihrer Reise gesammelten Spendengelder, kommen so erhebliche Zuwendungen zusammen, die ohne Abzüge und Kompromisse jeweils für gemeinnützige Projekte aufgewendet werden. In den vergangenen Jahren waren das Beträge zwischen 12.000 und 15.000 Euro – Summen, die die Strahlkraft dieser Reise und das Interesse der Menschen daran unmissverständlich unter Beweis stellen.
Auch in diesem Jahr wollen Roland, Matthias und Thomas wieder hoch hinaus – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Zusammen haben sie sich vorgenommen, den Manali-Leh-Highway, eine 477 Kilometer lange Hochgebirgsstraße in Indien, mit dem Mountainbike zu befahren. Von Manali nach Leh führt sie ihr Weg dabei über etwa 10.000 Höhenmeter und fünf Pässe, die zu den höchsten der Welt zählen. Eine Radreise über knapp 500 Kilometer mag im deutschen Flachland für einen erfahrenen Radfahrer keine besondere Herausforderung sein, doch gilt es, sich die Bedingungen im Himalaya vor Augen zu führen: Massive Temperaturschwankungen, eine durch die dünne Luft bis zu 50 Prozent reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, mehrtägige Passagen durch komplett unbewohnte Gebiete ohne Elektrizität, Kommunikationsmöglichkeiten, Wasserversorgung oder medizinische Infrastruktur. Und noch einmal: All das liegt nicht vor jugendlichen Twens im Saft, sondern vor drei Männern, die gerade im Begriff sind, das Rentenalter zu erreichen.
Blauäugig startet aber keiner von ihnen in dieses Abenteuer. Alle sind seit Jahren enthusiastische Hobbysportler, trainieren gemeinsam an fast allen Tagen der Woche und haben sich akribisch auf die vor ihnen liegende Herausforderung vorbereitet. „Von nichts kommt nichts“, das wissen alle drei genau, insbesondere die beiden spezialisierten Mediziner – der Kardiologe Matthias und der Sportarzt Thomas. „Im Alter schreitet der Abbau der Muskulatur immer weiter voran. Um leistungsfähig zu bleiben, kommt man nicht umhin, etwas dagegen zu unternehmen und sich auf welche Weise auch immer fit zu halten“, erklärt Matthias. Das müsse natürlich nicht die jederzeit abrufbare Leistungsbereitschaft für einen Roadtrip durch den Himalaya umfassen, aber körperliche Betätigung sei absolut unerlässlich, um dem biologisch bedingten Abbau des Alterungsprozesses etwas entgegenzusetzen. Auch wenn sie für die Fitness, die ihnen diese Reise ermöglicht, viel getan und geleistet haben, haben sich die drei Freunde dabei doch einiges an Demut bewahrt. „Ich bin riesig glücklich, dass ich das noch machen kann, dass ich das noch machen darf“, sagt Roland, ein ehemaliger Bankvorstand, der in diesen Tagen seinen 65. Geburtstag feiert.
Weitaus schwieriger, als sich untereinander für dieses Projekt zu begeistern, war die Akzeptanz der drei Ehepartnerinnen von Roland, Thomas und Matthias. Verständlich, ist doch das potenzielle Tribut, das eine Passage über mehrere 100 Kilometer in dieser Höhe fordert, mitunter erheblich. Der menschliche Körper ist im Grunde nicht für einen dauerhaften Aufenthalt in eisiger Kälte und extremer Höhe konzipiert. Nicht ohne Grund ist die Gegend, die die drei Freunde passieren, über weite Strecken unbewohnt. Als Zugeständnis und wichtige Erleichterung wird daher die Gruppe durch ein Begleitfahrzeug unterstützt, das vorausfährt und einen Teil des Gepäcks transportiert. Im Falle eines wie auch immer gearteten Notfalls kann so auch schneller für einen Rücktransport gesorgt werden. Einen Konvoi wird die Gruppe dennoch nicht bilden. Die Begleiter werden nicht gemeinsam mit den drei Bruchsalern unterwegs sein, sondern vielmehr die Vorhut bilden.
Selbstverständlich steht auch diese Reise wieder im Zeichen der guten Sache. Spenden werden bereits zuvor über ein eigens dafür eingerichtetes Spendenkonto gesammelt. Erklärtes Ziel ist die Marke von 10.000 Euro – einen Euro pro überwundenem Höhenmeter. Das Geld soll am Ende zwei Projekten zugutekommen: Der Förderverein des Rotary Club Bruchsal Schönborn e.V. unterstützt mit seinem Mentorenprogramm Schülerinnen und Schüler durch eine Talentanalyse und ein persönliches Coaching, um ihre Berufswahlkompetenz zu stärken und sie auf dem Weg zum Studium oder zur Berufsbewerbung zu begleiten. Zudem unterstützt Ubuntu Namibia e.V. den Bau des San Livelihood Centers in Tsumkwe, Namibia, das Jugendlichen in der Kalahari-Wüste Aus- und Fortbildungsmaßnahmen bietet, insbesondere um besser mit den dort vorherrschenden Konflikten zwischen Mensch und Tier umgehen zu können.
Wir werden auch diese Reise von Roland, Matthias und Thomas gerne begleiten und regelmäßig über ihre Erlebnisse, Fortschritte und Abenteuer in Blogform berichten. Da die Reise durch kaum erschlossenes Gebiet führt, wird nicht jeden Tag Kommunikation bzw. die Übermittlung von Informationen möglich sein. Daher können wir Updates immer erst dann veröffentlichen, sobald eine Verbindung zu den Freunden zustande kommt.
Bereits morgen, übrigens ausgerechnet am Freitag, den 13., starten die drei von Frankfurt nach Delhi. Von dort erwarten wir die ersten Eindrücke, sodass wir uns darauf freuen, zeitnah mit diesem spannenden Reiseblog beginnen zu können. Bleiben Sie dran, bleiben Sie gespannt.
Spendenkonto
Förderverein Rotary Club Bruchsal Schönborn e.V.
Verwendungszweck: Höhenmeter
IBAN DE06 6635 0036 0000 7172 25
Sparkasse Kraichgau
Der Förderverein sammelt alle Gelder und sichert die Verwendung für die genannten Zwecke zu.
Es gibt gerne eine Spendenbescheinigung.
Tag 1
Ankunft in Delhi
Unterwegs in der Millionenmetropole Delhi
Sie sind gelandet. Unsere drei Freunde Thomas, Matthias und Roland haben die indische Hauptstadt Delhi erreicht. 14.402 Einwohner leben hier je Quadratkilometer, zum Vergleich, in Karlsruhe sind es nur 1.787 pro Quadratkilometer. 24 Millionen Menschen verteilen sich über die Straßen dieser riesigen Metropole, eine unglaubliche Reizüberflutung für unsere landliebende Kraichgauer Boyband. Nach der Landung am Flughafen zunächst einmal die obligatorischen Behördengänge inklusive der Visaformalitäten um 3:00 Uhr am Morgen, danach Sturz ins Hotelbett.
Der Tag geprägt von abertausenden von neuen Eindrücken in dieser riesigen Stadt. Dazu eine drückende Hitze mit Temperaturen weit über 30° und sehr hoher Luftfeuchtigkeit, schließlich gelingt gerade die Monsunzeit aus. Die Straßen Delhis, eine einzige Kakophonie aus Motorenlärm und Stimmengewirr. Überall Menschen, soweit das Auge reicht, dazwischen Hunde, Kühe und sogar Affen. Tuktuks, Autos, Motorräder und Lastenräder schlängeln sich durch die Menge. Man muss aufpassen, nicht unter die Räder zu kommen.
Ganz allein sind die drei nicht, Unterstützung erhalten Sie vor Ort durch eine nach Indien ausgesiedelte Frau aus Stuttgart, die hier mit einem indischen Mann zusammenlebt und Yogakurse gibt. Gemeinsam erkundet man so diese riesige und fremde Stadt. Unter anderem steht der Besuch einer Tempelanlage der Sikh auf dem Programm, der Eintritt ist dabei nur mit Kopftuch möglich. Täglich werden in der Anlage mehr als 50.000 Essen von Freiwilligen für die Ärmsten der Armen gekocht und verteilt.
Apropos Essen, daran muss man sich in Indien zunächst einmal gewöhnen, denn hier wird anders gekocht als im Hügelland. Sehr viele Gewürze, sehr viel Schärfe, daran muss sich ein deutscher Magen erst einmal anpassen. Wer es übertreibt, dem droht der berüchtigte “Delhi Belly” – was das bedeutet, können Sie sich vermutlich bildhaft vorstellen.
Tag 2
Fahrt durch Chandigarh
Von Delhi aus geht die Reise erst einmal ein ganzes Stück mit dem Auto durch den indischen Norden. Dieser Abschnitt führt Thomas, Matthias und Roland auch durch Chandigarh. Die Stadt ist ein eigenes Unionsterritorium und gleichzeitig die Hauptstadt der beiden indischen Bundesstaaten Punjab und Haryana. Sie liegt genau an der Grenze zwischen diesen beiden Staaten. Matthias schreibt dazu „Chandigarh soll eine neue und moderne Stadt sein. Mercedes, Audi und Porsche sind mit Autohäusern vertreten, wie wir in der Umgebung unseres Hotels gesehen haben. Aber auch wieder viel Armut in den Vorstädten. Im Monsunregen besonders beelendend!“
Am morgigen Tag steht erneut eine lange Autofahrt auf dem Programm, acht Stunden werden es sicherlich werden, unbeirrt weiter in den Norden. Dabei führen die Straßen immer weiter ins Gebirge, von aktuell 500 Höhenmetern bis auf 2100 Meter in Manali. Von dort aus beginnt die eigentliche Reise, der Trip durchs Hochgebirge auf dem Fahrrad
Tag 3
Ankunft in Manali
Eine weitere Autofahrt, 8 Stunden am Stück, dennoch kaum zu vergleichen mit einem Trip auf der Autobahn durch Deutschland. Viele Eindrücke, viel zu erleben, eine ganz andere Welt da draußen vor dem Fenster. Unsere drei Freunde sind nun in Manali angekommen, dem Ausgangspunkt ihrer ersten großen Etappe auf zwei Rädern. Die Straßenverhältnisse sind bereits jetzt äußerst fordernd, der Belag ist manchmal derart löchrig, dass kaum ein vorankommen möglich ist. Zudem hat der Monsun mit seinen Wassermassen für viel Verwüstung gesorgt, teilweise waren ganze Straßenabschnitte überschwemmt und mit Matsch und Erde überzogen. Immer wieder führt die Straße durch lange Tunnelabschnitte. Hoffentlich wird mehr Wert auf Sicherheit als auf den Fahrbahnbelag gelegt, schreibt Mathias. Und noch etwas, dass in Deutschland im Grunde nie passiert überall auf der Straße, sogar auf den Autobahnen, halten sich Kühe, Hunde und Affen auf, wie durch ein Wunder dennoch auf einem Streckenabschnitt von mehr als 300 km an keinem einzigen Unfall vorbeigekommen. Wie auch immer die Inder das anstellen.
Die Jungs wohnen derzeit in einer Lodge im alten Teil von Manali, die sogar mit einer Dusche ausgestattet ist. (Welche bedauerlicherweise jedoch pünktlich zu Abendwäsche kein Wasser liefert). Abends noch ein bisschen in die Stadt, die Straßen voller junge Leute, überall süßlicher Rauch von Wasserpfeifen aus den vielen Bars die die Szenerie prägen. Jetzt ist erst einmal akklimatisieren angesagt
Tag 5
Die Ruhe vor dem Sturm
Man könnte die Szenarien mit einem Dorf in den Alpen verwechseln, wüsste man nicht, dass man davon ein paar 1000 km entfernt ist. Landschaftlich unterscheidet sich die Gegend in jedem Fall nicht sonderlich, abgesehen natürlich vom Anblick Manalis unten im Tal. Heute nutzen Matthias, Thomas und Roland den Tag um sich auf die Bedingungen in großer Höhe allmählich einzustellen. Das ist auch bitter nötig, denn alle drei sind am Morgen mit Kopfschmerzen erwacht. Matthias, ganz Mediziner, zitiert dazu das Lehrbuch stark abgekürzt mit „hoch gehen, tief schlafen“, also los.
Doch Kopfschmerzen hin oder her, The Show must go on. Also Katzenwäsche und ab die Post. Ein bisschen Stärkung muss natürlich auch sein, doch das kulinarische Angebot vor Ort ist sehr überschaubar. Ein bisschen indisches Essen, ergänzt durch einen mitgebrachten Power-Riegel.
Aus Sicherheitsgründen verzichten die Jungs auf Fisch, Fleisch und Salate, was das Regenerieren aber nicht erleichtert. Morgen bekommen die drei dann ihre Räder und machen eine Tour um Manali, damit alles eingestellt werden kann. Das ist sehr wichtig, da schließlich alles passen muss um keine Überraschungen auf der sicherlich fordernden ersten großen Passage zu erleben. Und übermorgen geht’s dann los zum ersten Schlafplatz auf über 3000 Metern Höhe.
Tag 6
Mann und Drahtesel vereint
Die drei Herren und ihre drei Drahtesel sind wieder vereint. Naja, nicht ihre Räder zu Hause, die brav in Deutschland auf sie warten, sondern die ausgeliehenen Exemplare für die vor ihnen liegende Reise. Wie Mathias positiv angemerkt, ausgestattet mit einer besseren Übersetzung, allerdings leider auch deutlich schwerer. Zur besseren Bindung ein erster kleiner Ausflug, der sofort mit einer Reifenpanne und mitten im Regen endet, aber das sind eben die Unwägbarkeiten, die zu einem solchen Trip untrennbar dazugehören.
Unwägbarkeiten gibt es hier am anderen Ende der Welt reichlich, sogar solche, die wirklich zu erstaunen wissen. Beispielsweise fehlt plötzlich mitten auf der Autobahn, dem Highway Nummer 3 besser bekannt als Manali-Leh-Highway plötzlich eine komplette Spur, weggebrochen durch Erdrutsch und/oder Unterspülung, allerdings weder abgesichert noch in irgendeiner Weise ausgeschildert.
Der heutige kleine Trip führte Thomas, Matthias und Roland bis zur Abzweigung der alten Passstraße über den Rohtang Pass, Eine Straße die sie ab morgen jeden Tag befahren werden. Der neue Teil dieser Verbindung führt durch den Atal Tunnel, der die Strecke nach Leh deutlich verkürzen würde. Allerdings wollen die Jungs ja nicht die kürzeste, sondern die schönste Strecke fahren… Insofern, warum leicht, wenn es auch schwer geht.
Die Gegend wirkt nach wie vor sehr alpin, zu erkennen an einer Szene, wie sie auch in Tirol hätte stattfinden können: Eine traditionelle Apfelernte mit Holzkörben und allem was dazugehört.
Morgen geht’s nun richtig zur Sache, der Umzug von der Lodge auf 2100 m Höhe in die erste Nacht unterm Sternenhimmel beziehungsweise im Zelt auf 3400 m Höhe. Hoffentlich meint es Petrus gut mit uns, schreibt Matthias, wobei natürlich noch zu klären wäre, ob Petrus für dieser vornehmlich hinduistisch geprägten Ecke der Welt zuständig ist.
Und noch ein Hinweis, für alle, die diesen Blog regelmäßig verfolgen: Die Gegend, durch die unsere Freunde in den kommenden neun Tagen fahren werden, ist äußerst dünn besiedelt und nur sehr schwach infrastrukturell ausgebaut. Es kann durchaus sein, dass eine Kontaktaufnahme zur Redaktion teilweise schwierig bis unmöglich wird. Wir liefern immer dann Informationen nach, sobald uns diese hier erreichen. Gut Glück auf eurer Reise, passt auf euch auf!
Tag 7
Tief unter der Erde
Es hat nich sollen sein. Das der Rohtang Pass aufgrund des schwierigen Wetters aktuell nicht befahrbar ist, bleibt Thomas, Matthias und Roland nichts anderes übrig als ihren Weg durch den Tunnel zu beginnen. Das ist jedoch keine kleine Schwierigkeit, denn Fahrräder dürfen durch diesen Kilometer langen Abschnitt unter Tage nicht eigenständig fahren. Doch die Jungs hatten Glück im Unglück, wurden sofort von einem freundlichen Pick-up Fahrer mitgenommen. Roland und Thomas gemütlich vorne in der Kabine, Matthias und Scout David etwas weniger gemütlich hinten auf der Ladefläche. 9 km unter Tage, danach – reichlich zurückgeworfen im eigentlich angedachten Zeitplan – 25 km ohne Pause um den heutigen Soll noch schaffen zu können. Man kann es sich leicht vorstellen, dieser Tag wurde lang und anstrengend. Doch gegen 18:00 Uhr erreichten die drei schließlich ihr Camp, nachdem sie ohne anzuhalten 1650 m an Höhe überwinden konnten.
Die folgende Nacht gestaltet sich leider nicht so, wie man es sich für unsere drei Freunde wünschen würde. Eiskalte Temperaturen und eine dünne Matte auf dem frostigen Boden lassen alle drei nur schwer in den Schlaf finden. „Jeder von uns hat schon besser geschlafen“ drückt Matthias es diplomatisch aus. Immerhin, danach gab es ein verhältnismäßig üppiges Frühstück, das zwar nicht ganz die nötigen Kalorien zur Verfügung stellen konnte, aber als Wegzehrung definitiv seinen Dienst leistet. Energie werden die drei im Laufe des vor ihnen liegenden Tages definitiv brauchen, denn nun geht es wieder auf die Piste und die Schotterstraße, die nur eine Richtung kennt: nach oben, nach oben, nach oben….
Tage 8 & 9
Die Luft wird dünner
Ein neues Lebenszeichen von den drei Freunden tief aus den Bergen. Der Empfang wird immer schlechter, Bilder haben es nicht durch das Netz geschafft, dafür aber ein ausführlicher Etappenbericht von Matthias:
„Trotz der Anstrengung vom Vortag sind die Beine erstaunlich wenig schwer und schmerzhaft. Die erste Nacht im Zelt war durchwachsen. Immer wieder wach, sehr harter Untergrund, nicht wirklich warm, aber wohl doch einigermaßen erholt. Der Zeltplatz liegt im Schatten, so dass es eine ganze Weile kalt bleibt. Wir bekommen ein wunderbares Frühstück, dann Katzenwäsche und das Problem, die Toilette erledigen zu müssen….nur ohne eine Toilette. Erstaunlicherweise geht alles!
Der Tag ist anstrengend. Eigentlich geht es nur aufwärts und die Luft wird dünner. Es wird ein Tag ohne Pannen und sogar mit einem Lunch. Das Mittagessen war auch dringend nötig, sonst hätte ich die verbleibenden 600 Höhenmeter und 15 km wohl nicht geschafft. Kurz nach 16:00 Uhr erreichen wir unser Camp, das auf 3700 m Höhe liegt. 53 km Entfernung und 1400 Höhenmeter liegen hinter uns. Das Camp liegt an einem Bachlauf und so können wir uns ausgiebig waschen, obwohl das Wasser eiskalt ist. Eine wunderbare Erfrischung. Die Sonne verzieht sich aber schnell hinter die Berge, wir liegen im Schatten und sind ausgefroren. Abendessen und 20:00 Uhr ab ins Zelt.
Die Nacht auf 3700 m Höhe ist wieder nicht so gut, keiner von uns dreien, schläft ruhig durch. Am Morgen bemerken wir Reifbildung, es war äußerst kalt in der Nacht. Auch haben wir alle drei jetzt etwas Wasser im Gesicht eingelagert. Wir werden uns stärken und den Tag auf uns zukommen lassen. Geplant sind 1000 Höhenmeter Aufstieg, der Pass liegt auf etwa 4800 m Höhe, dann Abfahrt auf 4200 m , unsere nächste Übernachtungshöhe.
19:00 Uhr: Wir sind glücklich in Sarchu angekommen. Der Aufstieg zum Pass 4850 m war hart. Dafür hat uns dann eine lange Abfahrt belohnt, beeindruckende Landschaft, allerdings sehr einsam und abgelegen. Heute kommen wir in einem Camp mit festen Hütten unter und brauchen deshalb nicht im Zelt zu übernachten. Den Standard kennen wir aus Nepal.
Wir drei sind ziemlich fertig und freuen uns jetzt auf ein Abendessen. Bestimmt werden wir wieder um 20:00 Uhr im Bett liegen, d.h. im Schlafsack. Schlafen ist in der Höhe schwierig, aber wir können uns ausruhen. Morgen haben wir einen Ruhetag. Zunächst dachten wir, darauf verzichten zu können und früher in Leh zu sein. Heute verstehen wir, dass der Ruhetag dringend nötig ist. Wir verbrauchen so viel Kalorien, die wir an einem Tag nicht aufholen können. Den Ruhetag nutzen wir für die Akklimatisation. Erholung der Muskeln und das Auffüllen der Kalorienvorräte.“
Tag 10
Die Ruhe vor dem Sturm
Wir erinnern uns, zur Regeneration und um wieder das Defizit an Kalorien aufzufüllen, haben sich Thomas, Roland und Matthias heute einen kompletten Tag Ruhe verordnet. Gar kein leichtes Unterfangen in einer Gegend, die – ganz anders als in unseren heimischen Gefilden – kaum Ablenkung durch moderne Medien oder den omnipräsenten Trubel der Gesellschaft ermöglicht. Doch die drei haben das Beste aus dem selbst verordneten Stillstand gemacht, sind erst um 8:30 Uhr am Morgen aufgestanden, übrigens einmal mehr nach einer kaum erholsamen Nacht auf 4300 m Höhe über dem Meeresspiegel. Danach frühstücken, Katzenwäsche und ein langer Spaziergang nach Ladakh. Ach ja, überaus erfreulich, die rudimentäre Wasserversorgung funktioniert heute wieder. Das bedeutet etwas Wasser aus dem Wasserhahn und eine funktionierende Toilettenspülung, vermutlich die letzte in den kommenden Tagen. Ach wobei, nicht vermutlich, sondern definitiv. Den Nachmittag über dann ausruhen, lesen und immer wieder eine Kleinigkeit essen, um den Akku eingedenk der anstehenden Strapazen bestmöglich aufzuladen.
Die bisherige Bilanz ist überaus erfreulich. Bis jetzt haben die drei Freunde fast 5000 Höhenmeter und eine Distanz von fast 200 km hinter sich gebracht. Auch ihre Freunde und alle Supporter lassen sich indes nicht lumpen und haben bisweilen 1225 Euro für die gute Sache gespendet. Das ist gut, doch es könnte noch etwas besser sein, schließlich ist das erklärte Ziel “1 Euro pro Höhenmeter”, es fehlt also noch ein gutes Stück um diese Lücke zu schließen.
Die nächsten Tage werden in jedem Fall knüppelhart, vor den drei Abenteurern liegen drei der höchsten Pässe dieser Welt. Einer auf 4900 m, einer auf 5050 m und ein Dritter auf unglaublichen 5200 m Höhe. Die Straßen, die dazwischen liegen, werden vermutlich schwierig zu passieren sein, der Zustand sei offenbar schlechter als erwartet, so zumindest die spärliche Gerüchteküche, in dieser einsamen Gegend. Bis zu 80 km pro Tag müssen absolviert werden, kein leichtes Unterfangen bei der extrem dünnen Luft in dieser Höhe. Wie dünn, davon kann man sich im beigefügten Video ein Bild machen, Roland und Thomas hauchen geradezu ihre Antworten auf Matthias Fragen in die Kamera, mehr Druck in der Stimme gibt die dünne Atmosphäre kaum her.
Mindestens zwei Tage werden die Jungs nun kein Lebenszeichen in die Heimat schicken können, die vor ihnen liegende Passage bietet kaum Netzabdeckung, ist sich Matthias sicher und fügt nachdenklich hinzu: “So eine Zeit hier ist gut für die innere Ortung. Das meiste, das für uns selbstverständlich ist, ist hier Luxus. Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung, Rettung bei einem Unfall, Feuerwehr (Grüße an Bernd Molitor) stossen im Gespräch mit unserem Guide auf Unverständnis. Helikopterrettung? No way. Wir lieben es in Deutschland leben zu dürfen, bei allem, was man sicher noch besser machen kann.”
Tag 11
Der Showdown beginnt
Nach einem anstrengenden und harten Tag erreichen unsere Radfahrer ihr Camp auf unglaublichen 4800 Metern Höhe, zum Vergleich, der höchste Punkt im Kraichgau liegt bei etwa 230 Metern. Allmählich fordern die Anstrengungen echten Tribut, gehen an die Substanz. Nach 48 km Strecke und über 1000 Meter Anstieg, davon 700 m am Stück über drei Stunden, war den Freunden die Erschöpfung anzusehen. Besonders zermürbend waren die letzten 100 Höhenmeter, in denen sie immer wieder hofften, den Pass erreicht zu haben, nur um dann doch noch weiterstrampeln zu müssen.
Der Rastplatz war leider alles andere als ideal. Um ebene Flächen zu finden, mussten die Schlafzelte weit entfernt aufgestellt werden. Nach einem Kaffee, Sandwich und Snack ging es den Jungs etwas besser, und sie nutzten den kleinen eiskalten Bach zum Waschen. Anschließend stand nur noch Erholung auf dem Plan, denn der nächste Tag versprach erneut anstrengend zu werden, mit Höhenlagen über 4500 m.
Zu sehen gibt es aber auch in dieser kargen Landschaft vieles. Während der Fahrt passierten Roland, Thomas und Matthias mehrfach die alte Handelsstraße von Leh nach Sarchu, die einst ein wichtiger Handelsweg für den Tausch von Yak-Produkten gegen Salz und Waren aus Zentralindien war. Am heutigen Tag herrschte allerdings auch auf ihrer Straße reger Verkehr – man könnte auch sagen Torschlusspanik, da diese bald wegen des bevorstehenden Winters gesperrt werden wird. Dementsprechend laut war es auch im Zelt, immer wieder Motorenlärm, selbstredend auch in der Dunkelheit. Die Nacht im Camp versprach eisig zu werden, nachdem bereits am Morgen Pfützen auf 4300 m gefroren waren. Zunehmende Wassereinlagerungen im Gesicht und den Augenlidern sind zwar in dieser Höhe nicht ungewöhnlich, wirken sich aber nicht gerade förderlich auf das allgemeine Wohlbefinden aus.
Tag 12
Roland kann nicht mehr
Der Tag beginnt für die Abenteurer von Staub bedeckt, den die auf der unbefestigten Straße zum ersten Pass vorbeifahrenden LKWs zuhauf aufwirbeln. Um dem auszuweichen, beschließen die Freunde, die ersten 100 Höhenmeter auf einer Umgehungsstraße zu schieben – eine anstrengende, aber lohnende Entscheidung, um dem schlimmsten Dreck zu entgehen. Ein steiler Aufstieg, der wirklich nahezu die letzten Kraftreserven verbrauchte. Nach dem Pass auf 5080 Metern geht es zunächst eine Weile wild bergab, doch die kaputte Straße verlangt höchste Konzentration, und die Fahrt bleibt anstrengend. Zu anstrengend, für einen der drei Freunde. Kurz darauf muss Roland aufgeben. Zu anstrengend ist dieser letzte und schwerste Teil der Passage durchs Hochgebirge. Glücklicherweise iast das Begleitfahrzeug in der Nähe. Auch Thomas hat Pech: Der Klick an seinem rechten Schuh löst und verhakt sich im Pedal – die anschließende Reparatur ist zeitaufwendig, aber unumgänglich.
Während Roland im Begleitfahrzeug fährt, setzen die anderen die Fahrt fort. Die Strecke führte sie durch eine raue und atemberaubende Landschaft, bevor sie eine Hochebene erreichen, die sich als anstrengender erweist, als erwartet. Nach einem kleinen Mittagessen und weiteren 35 Kilometern erreichten sie aber schließlich den Tso-Kar See, einen hochgelegenen Salzsee. Die Suche nach ebenen Stellplätzen für die Zelte gestaltet sich erneut schwierig, frisches Wasser gibt es nur dank einer nahen Pumpstation. So klingt dieser Tag einmal mehr in eisiger Kälte, aber immerhin in wilder Natur und in Begleitung von Eseln, Pferden und anderen tierischen Bergbewohnern aus.Die Batterien unserer Abenteuer sind zwischenzeitlich komplett entladen, nach Roland geht es nun auch Thomas an die Substanz. Er kämpft am Abend mit Appetitlosigkeit und Magenschmerzen, keine guten Vorboten für den kommenden Tag, der nicht weniger als den höchsten Pass dieser Reise mit sich bringen wird
Tag 13
Mit letzter Kraft ans Ziel
Der Himmel ist gnädig und begrüßt unsere Abenteuer an diesem Morgen in ihrem mit Raureif überzogenen Zelt mit etwas Sonne, die allen dreien sichtlich gut tut. Roland hat sich dank einem Medikamenten Cocktail etwas erholt, beschließt dennoch diese Passage wieder im Begleitfahrzeug zu erleben, zu gering sind seine noch nicht wiederhergestellten Kraftreserven für einen solchen Trip. Auch das ist Größe in großer Höhe, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren.
Vor den Jungs liegt der härteste Tag der Reise: Der höchste Pass auf 5330 Metern, also tatsächlich gute 5 Kilometer über unseren heimischen Köpfen. Doch irgendwann ist auch dieser letzte Aufstieg geschafft. Nach fünf Stunden Fahrzeit, 64 km und über 900 Metern Anstieg erreichen sie schließlich den Gipfel. Die letzten 700 Höhenmeter waren dabei besonders mühsam, begleitet von leichter Übelkeit und Kopfschmerzen, aber auch dem guten Gefühl, den Pass gemeistert zu haben. Zurecht sind die drei Freunde stolz auf sich.
Nach ihrem Abstieg nach Rumpse können die Freunde von ihren dünnen Zelten endlich in ein Gästehaus umziehen. Für schlanke 11 Euro pro Zimmer bietet es zwar eher einfache Logis, aber immerhin Betten, warmes Wasser und Toiletten – ein wahrer Luxus nach den zurückliegenden Tagen. Diese Nacht schlafen alle deutlich besser, und auch Roland kann am nächsten Tag wieder in die Pedale treten.
Die letzte Etappe nach Leh führt sie noch einmal durch eine abwechslungsreiche Landschaft, vorbei an militärischen Anlagen, die auf die Konflikte an der Grenze zu China hinweisen. Nach 80 Kilometern und erneut 600 Höhenmetern erreichen sie schließlich Leh, wo ihre Reise mit einem letzten Anstieg zur Altstadt endet.
Nun ist erst einmal Erholung angesagt – und die begann mit einer wohlverdienten Dusche. Es sind manchmal die kleinen Dinge, die am meisten bedeuten. Wenn dieser Trip irgendetwas gelehrt hat, dann genau dieses.
474 Kilometer
8.335 Höhenmeter
Manali – Leh
Dr. Thomas Häussler, Dr. Matthias Redecker, Roland Schäfer
September 204
„ Es sind manchmal die kleinen Dinge, die am meisten bedeuten. Wenn dieser Trip irgendetwas gelehrt hat, dann genau dieses. “
Dafür, für diese Erkenntnis, die ganze Plagerei ?
Dafür 12.000km durch die Gegend fliegen ?
Radfahren ist das Hobby dieser 3 Freunde und ich gehe davon aus, das sie den Himalaya ebenso lieben wie ich der in Nordwestindien schon auf den Stock Kangri gestanden hat. Es nicht unnütz etwas zu tun, was Freude bereitet. Es ist das Erlebnis was im Vordergrund steht und der Wille etwas außergewöhnliches zu schaffen und auch einmal ZU VERZICHTEN. Leider können das nicht mehr viele in unserer NOCH Wohlstandsgesellschaft.
Ich habe auch lange nicht mehr so einen guten Reisebericht gelesen. Danke!
Herzlichen Glückwunsch an Euch Drei, auch an den Guide und die Helfer. An und über die eigenen Grenzen hinaus zu gehen und dann noch das Ziel zu erreichen, einfach toll! Ich habe bestimmt 10 mal nachgesehen, wann dieser letzte Teil des spannenden Berichtes endlich kommt – und das 5000 m unter Euch, das ist auch anstrengend. Ihr werdet diese eisigen Nächte, die aufregenden Toilettengänge in einer grandiosen Natur und die Gefühle auf dem höchsten Punkt Eurer Reise sicher nicht vergessen. In der Tat, es hat nicht nur Euch Freude bereitet. Vielen Dank.
Hallo, genial was ihr geplant habt. Das ist einer meiner Träume.
Ich bin in eurer Altersklasse und mache ähnliche Touren mit Fahrrad oder auch zu Fuß. Hab u.a. 2 mal die Anden überquert und bin ab November wieder dort.
Leider ist es manchmal schwierig eine entsprechende Begleitung zu finden.
Also, falls ihr mal Verstärkung für ein Abenteuer braucht, stehe ich gerne Verfügung. Auf eure Berichte bin ich natürlich sehr gespannt. Viel Spaß und tolle Erlebnisse
Grüße Roland
(offen lesbare E-Mail-Adresse gekürzt, Kontakt bei Bedarf durch Redaktion)