Ubstadt-Weiher feiert das Firstständerhaus
Prächtig steht es da – das alte Firstständerhaus in der Ortsmitte des Weindorfes Zeutern. Mit seiner imposanten, ausgeklügelten Fachwerk-Architektur, die schon damals als ingenieurtechnische Meisterleistung galt, beeindruckt das Bauerwerk aus dem Jahr 1457 bis heute. Dass das historische Gebäude – derart es heute im Kraichgau nur noch eine Handvoll gibt – überhaupt noch steht, verdankt es den engagierten Menschen aus der Gemeinde, insbesondere jenen vom Heimatverein Ubstadt-Weiher. Viele tausend Arbeitsstunden haben sie ohne jede Gegenleistung erbracht, um das Firstständerhaus für kommende Generationen zu erhalten. Denn noch vor wenigen Jahren drohte dem einstmals herrlichen Anwesen ein unrühmliches Ende. Der Zahn der Zeit, Fäule im Gebälk und fehlende Pflege hatten dem alten Bau derart zugesetzt, dass eine Rettung fast unmöglich schien. Doch durch das Engagement des Vereines und die finanzielle Unterstützung der Gemeinde sowie Behörden und Stiftungen, gelang es, das denkmalgeschützte Gebäude fachgerecht und liebevoll in mühseliger Kleinarbeit instand zu setzen. Wer die alten Mauern betritt, atmet mit jedem Schritt durch die Räume den Geist der Geschichte ein. Er erzählt von einer Zeit, als auf der Welt nur 350 Millionen statt heute sieben Milliarden Menschen lebten. Es war auch jene Zeit, als Deutschland Teil des Heiligen Römischen Reiches war, als die Habsburger regierten und das Land in unzählige kleine Reichsstände zersplitterte. Das Firstständerhaus hat alles miterlebt – den Aufstieg und Fall von Nationen, Krieg und Frieden, Not und Glück. So manche Narbe und Kerbe der Zeit hat es dabei unweigerlich davongetragen. So zeugen verbrannte Balken in seinem Inneren von einem großen Feuer, das während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges dort wütete. In dieser Zeit blutete das Dörfchen Zeutern fast zur Gänze aus. Es verlor 70 % seiner Bevölkerung, und ein Großteil der Häuser wurde zerstört oder schwer beschädigt.
Im Haus selbst lässt sich viel über das Leben von einst erfahren. Gewohnt wurde im Wesentlichen im Erdgeschoss, die oberen Stockwerke dienten eher als Scheune. Die Küche erstreckte sich über zwei Etagen, und durch den offenen Kaminabzug färbten sich die Wände dort schnell mit Ruß – aus diesem Grund wird sie auch die schwarze Küche genannt. Noch heute ist das Fundament der Herdstelle durch einen gläsernen Boden hinweg zu besichtigen. Die imposante Bauweise des Hauses lässt vermuten, dass es von wohlhabenden Bürgern bewohnt wurde. Zwar ist über die bisherigen Besitzer nur wenig bekannt – viele Unterlagen fielen den Wirren des Dreißigjährigen Krieges zum Opfer – doch geht man davon aus, dass der Erbauer vermutlich den Rang eines Schultheiß oder ebenbürtig bekleidete.
Faszinierende Einblicke in die Geschichte des Firstständerhauses vermittelte am Montagabend der Historiker Dr. phil. Heiko P. Wacker. In seinem Vortrag ”Vom Schandfleck zum Juwel. Ein Firstständerhaus erzählt Geschichte(n)“ ließ der bekannte Buchautor die vergangenen Jahrhunderte Revue passieren, stilecht gewandet in der Kleidung vergangener Tage, als das Firstständerhaus noch jung war. Anlass war der 560. Geburtstag der alten Fachwerk-Perle, den der Heimatverein Ubstadt-Weiher zum Anlass genommen hatte, die vielen Helfer zu einer kleinen Feierstunde unter dem schattenspendenden Schleppdach im Hof des Firstständerhauses zu versammeln. Im Beisein von Bürgermeister Tony Löffler dankten die Vorsitzenden Ursula Hohl und Christian Mannek für das große Engagement der Menschen und ihre Verdienste um das Firstständerhaus. Ohne deren Einsatz hätte es diesen Geburtstag vermutlich nicht mehr erlebt.