Wer hilft, der blecht

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Gerade die Helden unserer Gesellschaft, die am meisten schultern, müssen sich ständig fragen, wie lange sie sich das noch leisten können.

Knüppelharte Arbeit, lachhaft schlecht bezahlt. Was uns die Menschen wert sind, die unsere Gesellschaft letztendlich zusammenhalten, lässt sich in Euro und Cent beziffern – kleiner Spoiler: Die Zahlen sind zum Fremdschämen. Die sozialen Berufe, also beispielsweise Altenpflege, Kinderbetreuung, Krankenpflege oder Sozialarbeit, verdienen deutlich schlechter als der Durchschnitt der Bevölkerung, rund 18 % weniger, wie eine gemeinsame Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und des Deutschen Roten Kreuzes errechnet hat. Frauen, die in diesen Branchen besonders stark vertreten sind, verdienen unterm Strich sogar noch etwas weniger. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und ein Offenbarungseid unserer so offenen und modernen Gesellschaft. Schlechte Bezahlung trifft auf kräftezehrende Schichtdienste, emotionale Belastungen und nicht selten auf chronische Überanstrengung aufgrund des Personalmangels.

Zumindest sind diese Berufe überhaupt bezahlt, ein Umstand, der jedoch auf weite Teile des sozialen Rückgrats unserer Gesellschaft gar nicht erst zutrifft. Laut Bundesfamilienministerium engagieren sich rund 40 % der Menschen in Deutschland ehrenamtlich, also ohne irgendeine Art von materieller oder finanzieller Gegenleistung. Mehrere Stunden werden von all diesen Menschen jeweils pro Woche aufgewendet. So lässt sich leicht errechnen, dass Millionen und Abermillionen von Arbeitsstunden Jahr für Jahr unbezahlt geleistet werden und damit den sozialen Kitt bilden, der im Grunde alles zusammenhält.

Soweit, so gut. Eine reguläre Bezahlung all der ehrenamtlichen Zeit würde vermutlich jedes Wirtschaftssystem sprengen. Doch die Lücke zwischen überbezahlten Topverdienern und ehrenamtlichen „Nicht-Verdienern“ klafft in der Realität noch weiter auf. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Arbeit der Ortsvereine des DRK, des Deutschen Roten Kreuzes. Wie wir alle wissen, sind sie unverzichtbar und essenziell für so viele Bereiche. Die Rotkreuzler leisten flächendeckend in unzähligen Gemeinden ehrenamtliche Notfallhilfe, Sanitätsdienste und Katastrophenschutz. Sie ergänzen den Rettungsdienst, indem sie bei Engpässen schnell vor Ort sind und bei Großereignissen oder Naturkatastrophen unverzichtbare Unterstützung bieten. Zudem fördern sie die Jugendarbeit und bilden die nächste Generation von Helfern aus.

Für diese Art von Hilfeleistung werden sie von der Bevölkerung zwar hoch geschätzt, doch die Unterstützung lässt am Ende doch zu wünschen übrig. Denn die Ortsvereine des Roten Kreuzes müssen ihre Arbeit im Grunde komplett selbst finanzieren. Die Anschaffung von Equipment, Ausrüstungsgegenständen und Fahrzeugen – all das müssen die Helfer selbst auf die Beine stellen, erläutert Sven Ripka, Vorstand des DRK Ortsvereins in Bretten-Gölshausen: „Richtig, wir sind alle ehrenamtlich tätig, ohne Bezahlung. Die Gelder, die wir bekommen, fließen ausschließlich in den Ortsverein, um die Jugend, die Fahrzeuge und die Ausrüstung zu finanzieren. Das heißt, von der Jacke über Sicherheitsschuhe bis hin zu Aus- und Fortbildungen, das müssen wir alles selbst finanzieren.“

Einnahmen generiert der Ortsverein nur durch finanzielle Zuwendungen, also die Spenden von Fördermitgliedern des DRK. Etwas Geld kommt auch durch die Übernahme von Sanitätsdiensten, etwa bei Veranstaltungen, oder durch die Durchführung von Blutspendeaktionen herein. Auch Rettungseinsätze bringen Geld, oder vielmehr ein symbolisches Trostpflaster: „Ein weiteres Standbein ist die Notfallhilfe“, führt Sven Ripka aus. „Wir fahren etwa 80 Einsätze im Jahr und bekommen pro Einsatz etwa 30 Euro von der Stadt. Das ist eine freiwillige Leistung des Gemeinderats.“

Spendengelder, ein bisschen Taschengeld von der Stadt – und dennoch müssen die Ortsvereine des DRK große Ausgaben bei kleinen Einnahmen stemmen. Eine Übungspuppe für die Erste Hilfe kostet problemlos mehrere 1000 Euro. Aktuell steht beim DRK Gölshausen zudem die Umstellung auf ein neues digitales Funksystem an, Kostenpunkt etwa 15.000 Euro. Außerdem muss der Verein ein sogenanntes Betreuungsmodul anschaffen. „Das Modul ist eine Vorgabe vom Kreisverband. Jede Bereitschaft muss ein Betreuungsmodul haben, um bis zu 25 Personen für mindestens acht Stunden betreuen zu können“, erklärt Sven.

Sicher gibt es große Ortsverbände des DRK mit vielen Mitgliedern, die entsprechend viele Spenden generieren und unterm Strich gut aufgestellt sind. Doch je weniger Fördermitglieder es gibt, desto schwieriger wird die Finanzierung. Der DRK-Ortsverein Gölshausen schwimmt jedenfalls nicht in Geld. Ein Blick in das kleine, enge Zimmer im ersten Stock des alten Rathauses, in dem die Helfer ihre Treffen, Besprechungen und Übungen abhalten, zeigt das deutlich. Würde man die heute hier versammelten DRK-Mitglieder in ihren grell-orangen Jacken abziehen, bliebe im Grunde ein Stillleben aus den Siebzigerjahren übrig: Ein alter Röhrenfernseher im Holzfurnier in der Ecke, braune Vorhänge, abgenutzte Stühle und Tische, flackernde Neonröhren unter der Decke und gluckernde, gusseiserne Heizkörper, die für mäßig Wärme sorgen.

Um die anstehende Großausgabe, das Betreuungsmodul, finanzieren zu können, muss der Verein verschiedene Quellen anzapfen. Neben den Fördermitgliedern hat eine erfolgreiche Bewerbung bei den „Herzensprojekten“ der Volksbank Kraichgau zu einer Geldspritze von immerhin 5000 Euro geführt. Durchfinanziert ist das Modul damit aber noch nicht. Dennoch werden sie es schaffen: Das Team aus Gölshausen wird am Ende genug Geld für die Anschaffung aufbringen können. Dennoch stellt sich die Frage, ob ehrenamtliche Helfer, die all das neben ihren beruflichen und familiären Aufgaben in Angriff nehmen, tatsächlich noch leisten sollten. Reicht es nicht, Zeit, Einsatz, Energie und Engagement aufzubringen? Muss man denn wirklich noch dafür sorgen, sich all das überhaupt leisten zu können? Die Frage der Finanzierung der Arbeit des DRK stellt sich übrigens nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch auf Bundesebene. Erst kürzlich appellierte die Präsidentin des DRK, Gerda Hasselfeldt, an die Bundesregierung, die zuletzt gekürzten Mittel für Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe aufzustocken. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) brachte sie das Dilemma auf den Punkt: „Es ist höchste Zeit, dass der Bevölkerungsschutz in Deutschland den Stellenwert bekommt, den er verdient.“

Eine Aussage, die man auch in Gölshausen sofort unterschreiben würde. Doch der gesellschaftliche Stellenwert der ehrenamtlichen Hilfe und auch der Respekt gegenüber den Helferinnen und Helfern lässt nach Sven Ripkas Erfahrung oft zu wünschen übrig: „Es gibt viele Menschen, die Danke sagen, aber es gibt auch welche, denen es im Prinzip egal ist.“

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5 Gedanken zu „Wer hilft, der blecht“

  1. Und wenn es dann um die Wahl geht etwas zu verbessern, werden die Leute wieder Parteien wählen, die Flugbenzin unversteuert lassen, die Firmenwagen subventionieren, die Gelder nach oben verschieben und am Ende alles den Migranten in die Schuhe schieben.

    Danke, danke, danke an die vielen Menschen, die trotzdem nicht aufgeben und sich für die Gesellschaft einsetzen! Danke auch an Euch, dass ihr immer wieder die richtigen Artikel bringt.

  2. Was wäre die Politik ohne euch ! Schön das es euch gibt! Die Politiker sollten euch mehr unterstützen, und eure Leistung , auch mit mehr Geld belohnen.

  3. Am 22.07.22 hatte ich einen Puls unter 40. Ich benötigte einen RTW und NEF. Ich habe je 150 € an DRK Blankenloch und ASB KA – Durlach, sowie an SRH Karlsbad 120 € an Notfall Amb. , 50 € Intensivpflege und 30 € an die Station gespendet. Nur vom ASB kam eine Antwort zurück, für das Lob und Anerkennung ihrer Arbeit sowie der Spende. Vielen Dank an alle Helfer.!

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