Wenn die Motorsägen brüllen…

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Das alljährliche Kettensägenmassaker in unseren Wäldern

Eine Meinung von Philipp Martin

Kreischend und gierig heult die Motorsäge auf – wütend graben sich ihre Reißzähne in den Stamm der alten Ulme. Binnen Minuten fällt was ein Jahrhundert lang gewachsen ist. Dieses Schauspiel wiederholt sich Jahr für Jahr in unseren Wäldern und macht mich mal für mal unendlich traurig. Der Wald und ich, das ist eine Liebesgeschichte die schon früh begann. Mein Großvater war Förster und hat mich immer auf seine Runden mitgenommen, mir den Namen jedes Baumes und vieles mehr beigebracht. Der Wald wurde für mich zu einem Ort an dem ich zur Ruhe kommen konnte, etwas das mir im echten Leben eher selten gelingt. Der würzige Duft von Erde und Leben, das Rauschen des Windes in den Blätterdächern, das Singen der Vögel und die Welt dreht sich plötzlich etwas langsamer.

Hier im Kraichgau gibt es leider kaum noch urige Wälder, die so wachsen dürfen wie sie wollen. Hier wird effiziente Forstwirtschaft betrieben, wie auch im Rest der Republik. Jedes Jahr wird eine beträchtliche Menge Holz entnommen und für diverse Zwecke genutzt. Für den Bau, die Papierherstellung, als Brennstoff und so weiter – natürlich alles nach den Gesetzmäßigkeiten der Nachhaltigkeit. Das heißt: Es wird nicht mehr entnommen, als nachwachsen kann. Das ist recht und schön, aber wer sich in unseren Wäldern aufhält kann kaum übersehen, wie jung und kraftlos diese wirken. Akkurat angelegt, streng reglementiert, durchzogen von Wirtschaftswegen um jederzeit Zugriff auf den Rohstoff Holz zu erlangen. Mich stört dabei die Maxime den Wald nur als Rohstofflager zu betrachten, denn er ist weit mehr als das. Er ist ein Hort der Kraft und ein Rückzugsort von den Wirren dieser sich immer schneller drehenden Welt. Wer einmal in einem richtig alten Wald unterwegs war, der weiß welche Kraft und Ruhe dieser ausstrahlt. Doch statt alter Urwälder gibt es bei uns nur noch streng kontrollierte Parzellen in denen jeder Baum schon nach dem Aufkeimen eine Art Ablaufsiegel trägt. Auch Greenpeace sieht diesen Trend mit Sorge und schreibt in einem Essay zur Waldnutzung in Deutschland: „Nur noch auf zwei bis drei Prozent der Waldfläche findet man Buchenwälder, die älter als 140 Jahre sind. Natürlicherweise wäre Deutschland zu 66 Prozent mit Buchenwäldern bedeckt -dem Doppelten der heutigen Gesamtwaldfläche.“

Wer im Kraichgau alte Baumbestände sucht, der muss schon genau wissen wo er jene finden kann. Im Helmsheimer Wald steht zum Beispiel das Naturdenkmal „Laubige Eiche“, eine uralte Eiche mit 300 Jahren auf dem knorrigen Buckel. Probieren Sie es einmal aus und setzen Sie sich unter ihre mächtigen Äste. Wenn Sie die Ruhe eine Weile zulassen können, werden Sie die Kraft spüren die von diesem Ort ausgeht. Solche Orte sind selten geworden… Im modernen Deutschland darf es keine Orte mehr geben, die nicht dem allmächtigen Götzen der Effizienz dienen. Egal ob es Büros, Schulen oder Wälder sind – überall ist maximaler Ertrag das Gebot der Stunde. Dabei vergessen wir aber immer mehr, dass wir Menschen direkt unserer Mutter Erde entstammen und diese Verbindung nirgendwo mehr spüren als an alten und ausdauernd gewachsenen Orten. Mich zumindest schmerzt es jedesmal zutief, wenn wieder ein alter Riese der gerade noch die mächtige Krone in den Himmel streckte, plötzlich krachend zu Boden fällt – jedes Jahr wenn die Motorsägen brüllen…

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