Trotz seiner Handicaps ist Stefan Tränkle fester Teil der Unteröwisheimer Feuerwehr
Jeden Freitagabend, egal ob bei Sonne, Wind und Wetter, trifft sich die Freiwillige Feuerwehr Unteröwisheim am Feuerwehrhaus im Schatten der Kirche, um gemeinsam zu trainieren und zu üben. Kommandant Jens Geißler und seinem Stellvertreter Matthias Brecht ist es wichtig, dass die Truppe jederzeit fit und auf jeden möglichen Einsatz eingestellt ist – egal ob das ein Wohnhausbrand oder ein Verkehrsunfall ist.
Das erste Szenario dass an diesem Abend geprobt wird, ist ein Fahrzeugbrand in einem Innenhof nahe einer alten Scheune. Um das Ganze möglichst realistisch aussehen zu lassen, stellt Matthias Brecht eine große Nebelmaschine in den Mannschaftswagen der Feuerwehr und erzeugt somit jede Menge Rauch, dann alarmiert er über sein Funkgerät die Kameraden. Schon nach wenigen Momenten nähert sich mit Blaulicht und Sirene das große Löschfahrzeug und im kleinen Hof des Feuerwehrhauses bricht rege Betriebsamkeit aus.
Jeder Handgriff sitzt, die erfahrenen Floriansjünger wissen genau was sie in einer solchen Situation zu tun haben. Einer sticht dabei dennoch erkennbar aus der Masse heraus. Wenn Stefan Tränkle die massiven Feuerwehrschläuche am Verteiler anbringt, kommt man nicht umhin zu bemerken, dass in den wuchtigen Lederhandschuhen anstatt fünf Fingern pro Hand nur jeweils ein einziger steckt. Von der präzisen Erfüllung seiner Aufgabe, hält ihn das aber nicht ab – mit seinen beiden Fingern hakt Stefan nicht gerade zimperlich in den Stellschrauben der Armatur ein, dreht kräftig an ihnen und lässt das Wasser in Richtung Brandherd schießen. Nach wenigen Minuten ist der fiktive Fahrzeugbrand unter Kontrolle und auch ein Übergreifen auf die benachbarte Scheune wurde verhindert.
Das was geht – geht, was nicht geht – geht nicht.
Stefan Tränkle ist 30 Jahre alt und wohnt schon sein ganzes Leben lang im Ort. Bei seiner Geburt kam er mit nur jeweils einem Finger pro Hand und einem Zeh pro Fuß auf die Welt – auch kognitiv ist Stefan leicht eingeschränkt. Er weiß aber genau was er will und steht mit beiden Beinen fest im Leben. Bei der Feuerwehr ist er schon seit über 15 Jahren aktiv. Feuerwehrmann Kornelius Wiens hat ihn damals zur Jugendfeuerwehr in Unteröwisheim geholt. Leicht war das nicht, denn die damalige Gesetzeslage stellte hohe Anforderungen an Geist und Körper des Nachwuchses. Nach großem Einsatz der Kameraden und intensiven Gesprächen mit Behörden und dem Versicherungsträger, wurde Stefan aber schließlich ein Teil der Truppe. Nach seinen Jahren bei der Jugendfeuerwehr absolvierte er erfolgreich den Grundlehrgang und den Funklehrgang. Durch seine Einschränkungen kann er allerdings nicht bei jedem Einsatz dabei sein, doch das ist Stefan klar bewusst. Hier ist er ganz pragmatisch und sagt mit einem Zwinkern in den Augen: Das was geht – geht, was nicht geht – geht nicht.
Nichtsdestotrotz ist Stefan fester Teil der Truppe. Man hält zusammen, ist füreinander da. Schon als Außenstehender fällt einem beim Beobachten der allwöchentlichen Übung auf, wie gut die Kameraden in Unteröwisheim miteinander können. Kein Gebruddel, keine Starallüren, sondern ein perfekt eingespieltes Team. Nach der Übung geht es dann hinauf ins Besprechungszimmer der kleinen Feuerwache. Hier wird noch einmal das heute Erlebte besprochen und vertieft. Danach verläuft sich das Ganze nicht etwa sofort, sondern man sitzt noch beieinander, trinkt ein Bier und tauscht sich aus. Mittendrin ist natürlich Stefan für den die Truppe mehr als nur ein Hobby ist. Hier hat er echte Freunde gefunden und noch viel mehr – eine zweite Familie.