In Marcels Automatenkiosk in Bruchsal kann man sich rund um die Uhr mit Getränken, Süßigkeiten, Tabak oder Kaffee versorgen… Oder man setzt alles auf eine Karte und wählt die geheimnisvolle Wundertüte.
von Stephan Gilliar
Ich muss gestehen, mein Bild von Snackautomaten ist dringend überholungsbedürftig. In meiner Anfangszeit beim Radio habe ich mich in unzähligen Spätschichten regelrecht aus den alten, klobigen Kästen ernährt: Bis zur Unkenntlichkeit in Cellophan eingeschlagene Baguettes mit der Konsistenz von Kaugummi und dazu einen suppig-dünnen Kaffee aus diesen braunen, geriffelten Plastikbechern, an denen man sich erst mal die Pfoten mit Schmackes verbrannt hat. Mit den Hightech-Kameraden, die Seite an Seite im Spalier in dem kleinen Ladenlokal im Bruchsaler Triwo Park stehen, haben diese alten mechanischen Monster nichts mehr gemein. Große Displays, Kartenlesegeräte, die sogar Apple Pay oder Google Pay über das Smartphone akzeptieren, helle LED-Beleuchtung… Offenbar hat sich in der Branche in den letzten 20 Jahren einiges getan.
Vor diesem halben Dutzend Automaten, gefüllt mit einer ganzen Palette an Produkten, die jeden Ernährungsberater in den Wahnsinn treiben würden, steht Marcel Graf, reckt die Daumen in die Höhe und freut sich. Heute ist sein großer Tag, sein Automatenkiosk in Bruchsal mit dem leicht sperrigen Namen „Snack Alarm 24/7 E-Kiosk“ feiert Eröffnung. Viele Freunde, Verwandte und Gäste sind gekommen, laufen staunend vor der gläsernen Front der Automaten hin und her, trinken einen Cocktail und gönnen sich etwas von der auf dem Rasen des Triwo Parks aufgebauten Grillstation. Auch wenn Marcel mit seiner Firma „Snack Alarm“ schon mehrere hundert Automaten in Betrieben, öffentlichen Einrichtungen oder Schulen aufgestellt hat, ist dieser Tag doch etwas Besonderes. Zum ersten Mal wagt er sich quasi direkt in die Öffentlichkeit, direkt an die Endkunden heran. Die Branche macht ihm sichtlich Spaß; dafür hat er vor rund zehn Jahren sein Studium der Wirtschaftswissenschaften geschmissen und sich mit einer eigenen Firma selbständig gemacht. „Ich wollte was Echtes machen“, erzählt er, und seine Augen glühen dabei regelrecht. 2014 gründete er also „Snack Alarm“. Der große Durchbruch kam etwa sechs Jahre später, als die Corona-Pandemie Automaten zwangsläufig zu einer echten Alternative erhob. „Man kann die Automaten nicht mehr mit denen von früher vergleichen“, weiß er und zeigt beispielsweise auf den Kaffeeautomaten in der Ecke, auf dessen Display man per Touch die Wahl zwischen unzähligen Kaffeevarianten hat. „Unser Kaffee kommt aus Südamerika, geröstet wird er in Italien“, erklärt Marcel. „Der schmeckt wirklich gut.“ Trotz Einladung möchte ich das heute nicht überprüfen; bei 33 Grad ist einem dann doch eher nach einer kühlen Limonade. Davon gibt es nur einen Automaten weiter gleich eine ganze Batterie, mitunter exotische Sorten aus Mexiko oder China, die man ganz sicher hier in der Region noch nirgendwo gesehen, geschweige denn bekommen hat. „Da müssen wir händisch noch die Zutatenliste und die Nährwertangaben draufkleben, zudem Pfand erheben, damit alles seine Richtigkeit hat“, führt Marcel aus.
Das Sortiment wird dabei immer wieder auf den Prüfstand gestellt, angepasst und erweitert. Die Produkte stammen aus allen Ecken und Enden der Welt, allein das macht einen Einkauf in Marcels Kiosk zu einem Erlebnis. Das Sortiment umfasst im Grunde all das, was man auch in einem klassischen Kiosk erhält: Kaffee, Zigaretten, etwas Süßes oder etwas Kaltes gegen den Durst. Alle Produkte, die nicht an Minderjährige verkauft werden dürfen, müssen zuerst mit einem sicheren Legitimierungsprozess freigeschaltet werden. Anders als bei Zigarettenautomaten, bei denen für die Überprüfung auch die Eingabe einer EC-Karte ausreicht, muss es hier zwingend der Personalausweis sein. Das braucht etwas Übung; am besten hält man sich genau an die Anweisungen, die Marcel am Automaten gut leserlich angebracht hat.
Das Highlight ist allerdings ein Automat, der ganz unscheinbar allein in der Ecke steht. In seinem Inneren sieht man nur weiße, nichtssagende und vor allem nicht beschriftete Tüten. 15 € werden fällig, wenn man eine dieser Tüten haben möchte. Sie enthalten allesamt Retouren aus dem Bestand von Großhändlern, deren Inhalte allerdings noch nicht einmal Marcel bekannt sind. „Wir wissen nur, dass der Jugendschutz bei diesen Produkten eingehalten wird“, versichert er, alles andere sei reine Glückssache. Er hatte schon mal eine Bluetooth-Box, einen Kopfhörer, einen Rasierer, ein Ladegerät oder eine Tastatur, aber auch mal eine Jogginghose. In ganz vielen Fällen liegt der Wert dieser Retouren deutlich über den 15 € Einsatz, den es braucht, um das „Automaten-Roulette-Rad“ einmal zu drehen. Garantieren könne man es zwar nicht, aber die Erfahrung zeige es doch ganz klar.
Wer sich das Ganze einmal aus der Nähe anschauen möchte, Marcels Kiosk hat ab sofort rund um die Uhr geöffnet, zu finden in der Werner-von-Siemens-Straße im Bruchsaler Triwo Park, dort, wo bis vor kurzem das Bistro Fresh Cube zu finden war.
Um so eine Ernährungsunkultur kann ich alle Betroffenen nur bemitleiden.
Und ich bin froh, dass es Länder um uns rum gibt, in denen diese Unsitten nicht so um sich greifen wie hier.
Ich bin beeindruckt ! Limo aus China und Überraschungspaket aus Retoure. Vorbildlich ! Zukunftsweisend ! Mit Sicherheit steht daneben noch ein Automat für den Verpackungsmüll den man da bekommt.
Für ein paar € den Müll dort reinwerfen, der dann vielleicht als Retoure zum Überaschungspaket wird ? Ein echter Wirtschaftskreislauf !
Lokal und Regional. Genazu das was wir brauchen. Chapeau !