Tausche BM gegen OB – Michael Nöltner will Oberbürgermeister in Bretten werden
Sein ganzes Leben hat Michael Nöltner in seiner Heimat Bretten verbracht, ist hier seit fast 10 Jahren Bürgermeister und kandidiert nun für das höchste Amt der alten Stadt.
von Stephan Gilliar
Laut brummt der Kompressor der Kaffeemaschine in der großen, zu einem modernen Wohnhaus umgebauten Scheune im Brettener Stadtteil Neibsheim. Mild fällt das Licht der nachmittäglichen Sonne durch die großen Fenster, davor eine riesige Terrasse mit weitem Blick über die Hügel und Felder des Kraichgau. Während mein Kaffee in die Tasse fließt, geht im Eingangsbereich der von der studierten Architektin Heidi Nöltner selbst entworfenen Wohnscheune die Türe auf und nur ein paar Momente später joggt Michael Nöltner leichtfüßig die Treppe herauf. Den eingepackten Salat, den er sich für das Mittagessen besorgt hat, legt er unangerührt in den Kühlschrank, zum Essen war heute offenbar keine Zeit. Als Bürgermeister einer großen Kreisstadt mangelt es Michael nicht an Arbeit, selten werden es weniger als 12 Stunden pro Tag erzählt er, während er auf dem Freischwinger neben mir am Esstisch Platz nimmt. Zu überfordern scheint Ihn das aber offenkundig nicht, denn Michael Nöltner möchte noch etwas weiter, noch etwas höher hinaus. “Ich will Oberbürgermeister meiner Heimatstadt werden” kommt er unumwunden auf den Punkt, eine Entscheidung, die für manche vielleicht überraschend kommen mag, für Michael aber im Grunde schon seit den letzten Oberbürgermeisterwahlen 2017 in Bretten feststeht.
Kandidiert hätte er bei den nächsten Wahlen in jedem Fall, dass diese nun um einiges früher kommen als geplant, ändert an diesen Plänen nichts. Durch die Ankündigung des amtierenden Oberbürgermeisters Martin Wolff, seine Amtszeit vorzeitig zu beenden, muss allenfalls der Zeitplan justiert und angepasst werden. Wer sich Michael Nöltners Biografie ansieht, der kommt nicht umhin festzustellen, dass diese jüngste Entscheidung die logische Konsequenz seiner bisherigen Karriere darstellt. Michael hat sich Stück für Stück in der Lokalpolitik nach oben gearbeitet, war viele Jahre lang stellvertretender Ortsvorsteher in seiner Heimatgemeinde – dem Brettener Stadtteil Neibsheim. Es folgten der Aufstieg in den Brettener Gemeinderat, in den Kreistag, die Übernahme des Fraktionsvorsitzes der CDU und letztlich im April 2014 im zweiten Anlauf die Wahl zum Bürgermeister.
Doch wer ist eigentlich dieser Mann, der auf jedem Foto grinst wie ein spitzbübischer Junge mit den immer aufgeweckten und wachsamen, blauen Augen unter den buschigen Brauen, die eine Schätzung seines Alters so schwer machen? Eine allumfassende Antwort kann auch ich Ihnen nach dem zweistündigen Gespräch mit Michael Nöltner nicht liefern, aber vielleicht eine Idee oder einen Eindruck davon, wer er sein könnte. Fangen wir daher einmal mit dem Offensichtlichen an, den unumstößlichen Fakten.
Geboren wurde Michael Nöltner 1972 – wie es sich für einen Brettener gehört – in der alten Rechbergklinik. Seine Eltern waren in der Landwirtschaft tätig, der Vater zudem gelernter Müller, der in Neibsheim für die obere Mühle arbeitete. (In der nach ihr benannten Straße leben die Nöltners übrigens noch heute.) Die Familie hatte insgesamt sieben Kinder, Michael war der Nachzügler, der Benjamin des Nöltner-Clans. In Neibsheim besuchte er zuerst die Pfarrer-Wolfram-Hartmann-Grundschule, wechselte dann auf die Max-Planck-Realschule nach Bretten. Seine Kindheit beschreibt Michael als sehr behütet, ist dankbar für die liebevolle Umsorgung, die er dort erfahren durfte. “Wir haben alle ein sehr gutes Verhältnis zueinander“, sagt er und fügt hinzu: “auch heute noch”. Tatsächlich hat es weder Michael noch seine Geschwister in die große weite Welt verschlagen, fast alle sind Neibsheim oder zumindest der Region weitläufig treu geblieben, nicht wenige von ihnen leben in unmittelbarer Nachbarschaft. “Wir treffen uns auch regelmäßig, unternehmen gerne etwas zusammen”, erzählt Michael der mit seiner Frau und seiner Tochter direkt neben seinem Elternhaus gebaut bzw. umgebaut hat.. Neibse für immer.
Nach einer typischen Dorfjugend irgendwo zwischen Ministrantentum, Ausfahrten mit dem alten Moped mit Jeansbezug auf der Sitzbank, langen Abenden in der Ziegelhütte und den ersten Liebeleien, wechselt Michael an das berufliche Gymnasium in Bruchsal und legt dort sein Abitur ab. Danach studiert er Bauingenieurwesen in Karlsruhe, merkt aber recht schnell, dass eine rein technische Ausbildung seine Sache nicht ist. Lieber würde er mit Menschen arbeiten, wechselt daher im Hauptstudium zu Maschinenbau, Politikwissenschaft und Berufspädagogik an die Universität Stuttgart. Zeitlich gibt es schließlich keinen Druck, Zivildienst musste Michael keinen absolvieren, diese Aufgabe hatten ihm seine zahlreichen Brüder zuvor bereits abgenommen. Dafür arbeitet Michael aber während dem Studium in der Rechbergklinik in Bretten, hilft auf der Station überall dort aus, wo Not am Mann war. Für ihn wertvolle Jahre, in denen er viel über sich und andere gelernt hat.
Nach dem Studium absolviert er sein Referendariat an den beruflichen Schulen in Bretten, wo er schließlich übernommen wird und fortan 15 Jahre als Berufsschullehrer arbeitet, bis er schließlich als Bürgermeister der Stadt Bretten hauptberuflich in die Politik wechselt. Dieser Wechsel markiert dabei nur den bis dato vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere, die Politik begleitet ihn vielmehr schon seit dem 21. Lebensjahr, als er in Neibsheim das Amt des stellvertretenden Ortsvorstehers übernahm.
Nun will er Oberbürgermeister in Bretten werden und wenngleich er natürlich den Wahlausgang noch nicht kennt, zeigt er sich hier optimistisch. Optimismus scheint überhaupt ein zentraler Wesenszug von Michael Nöltner zu sein. Sein ganzes Wesen, seine ganze Art strahlt eine gefestigte Ruhe aus, die man nicht simulieren, nicht künstlich erzeugen kann. Darauf angesprochen verweist er auf zwei zentrale Pfeiler, die sein ethisches und emotionales Rückgrat bilden: Die Familie und der Glaube. Über Ersteres haben wir schon gesprochen: Ein Lehrstück darüber, wie wichtig eine stabile Kindheit und ein verlässliches Elternhaus für die spätere Biografie sein können. Dazu kommt Michaels Überzeugung, dass die Menschen ein großes Bedürfnis nach Spiritualität haben, er selbst sein Zuhause dahingehend in der katholischen Kirche gefunden hat. Zwar hadert auch er mit manchen Entwicklungen der Kirche, insbesondere natürlich mit deren zahlreichen, zu Tage getretenen Skandalen. Dennoch sei er ein überzeugter Kirchgänger, erkenne im Glauben Sinn und Sinnhaftigkeit, sagt er und seine blauen Augen leuchten, während er das sagt.. schon fast insistierend.
Ob er mit seiner sanften und eher ruhigen Natur überhaupt das nötige Rüstzeug mitbringt um an der sturmumtosten Spitze der großen Kreisstadt Bretten zu stehen, möchte ich von ihm wissen? “Streit gehört dazu“, entgegnet er und “man muss auch manchmal die Klingen kreuzen”. Trotzdem wolle er auf einen kooperativen Stil im Rathaus setzen, die Gräben im Gemeinderat überwinden und die Fraktionen mehr einbinden, viel mehr das Gespräch mit ihnen suchen, als dies zuletzt der Fall war. Was die aktuellen Brettener Themen angeht, so möchte er weiter in die Modernisierung und die Sanierung der Schulen investieren, positioniert sich zudem klar zum Projekt „Sporgasse“ und der Sicherung der medizinischen Versorgung in Bretten. Ein großes Thema ist für ihn aber auch die aus seiner Sicht bisher mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit der Stadt. Man sei viel besser als der Ruf es glauben lässt, ist er sich sicher, aber die Kommunikation nach außen müsse viel besser werden.
Was seine bevorzugte Arbeitsweise angeht, so gibt sich Michael Nöltner praxisorientiert: Am liebsten sei ihm immer der kurze Weg, überbordende Formalitäten, die vieles verzögern, machten ihn hingegen häufig sauer. “Ich bin ein lösungsorientierter Mensch“, sagt er von sich selbst. Das möchte er im Falle seiner Wahl in den Vordergrund stellen – die Suche nach dem gangbaren Weg. Zu langsam mahlten ihm oft die Mahlsteine unter dem aktuellen Oberbürgermeister, so Nöltner, ganz im traditionellen Vokabular eines Müllerssohns. Er ist nicht der erste, der sich um Pragmatismus und Flexibilität in einem System bemüht, das diese Gangart durch reichlich Bürokratie tendenziell eher erschwert. Ob er dem eigenen Vorsatz hier folgen kann, muss sich herausstellen.
Ein großes Thema für eine eventuelle erste Amtszeit eines Oberbürgermeisters Nöltner wäre hier zum Beispiel der von Bund und Land forcierte Ausbau der Windkraft, die auch an Bretten nicht vorbeigehen wird. Der große Verhinderer möchte Michael Nöltner aber nicht sein, stattdessen die Menschen von den Vorzügen überzeugen. Beispielsweise vom Bau der Anlagen auf öffentlichen Grund, der wiederum die Kassen entlasten könnte und idealerweise für die Kunden der eigenen Stadtwerke auch eine signifikante Preisreduktion mit sich bringen könnte. Dass das nicht ohne Reibungen vonstatten gehen wird, darüber ist sich Michael Nöltner im Klaren. “Du kannst nicht immer Everybody’s Darling sein”, bemüht er das straußsche Zitat und möchte als OB auch mehr klare Kante zeigen, als man es vielleicht bislang von ihm als BM gewohnt ist.
Ob er nicht befürchte, als jahrelanger Mitarbeiter der Administration Wolff als Teil einer Politik zu gelten, die manche Brettenerinnen und Brettener gerne abwählen würden, will ich zum Schluss noch von ihm wissen? Natürlich habe er entsprechende Gedanken, entgegnet Michael Nöltner, stellt aber auch entschieden klar: “Man kann mich nicht in eine Schublade einordnen” und fügt klipp und klar hinzu: “Ich bin nicht Martin Wolff, ich weiß auf welcher Seite ich stehe”.
110 Tage hat Michael Nöltner noch Zeit, um die Menschen in Bretten von dieser Sichtweise, seinen Standpunkten und seinen Ideen für die alte Stadt zu überzeugen. Der Gemeinderat hat den Tag der Wahl für den 7. Juli 2024 festgelegt.
Info – OB-Wahlen Bretten 2024
- Termin: 7. Juli 2024
- Kandidaten (Stand 19.3.2024): Nico Morast, Jana Freis, Michael Nöltner
Super Artikel, vielen Dank an den Verfasser. Ich wünsche Herrn Michael Nöltner viel Erfolg. Ich traue ihm zu der Macher zu sein, der Bretten in eine gute erfolgreiche Zukunft führen kann, mit seinen Ideen, seinem Geschick, seinem Vermittlungstalent, seinen Erfahrungen, seinem Einsatz, den er auch schon bisher gezeigt hat.
CDU…never ever!
Hey Anonymous, das ist eine Persönlichkeitswahl.
Toll wäre auch wenn Anonymous aus der Anonymität rauskommen würde.
Ne, tut er nicht!
Und es sagt doch einiges über eine Person aus, in welcher Partei er (noch) ist oder für welche Partei er kandidiert.