Kaffee mit Essig

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Im Schatten des alten Eppinger Pfeifferturms röstet und braut Simone Essig einen der besten Kaffees im Kraichgau.

Die Magie beginnt schon in dem Moment, wenn sich die große Glastüre der Altstadtstraße Nummer 1 öffnet. Der Duft von frisch gemahlenem Kaffee liegt in der Luft, würzig, herrlich schwer und tief beruhigend umhüllt er die Gäste in Simone Essigs kleiner Kaffeefaktur. Würde ich von ihr ein Foto mit Langzeitbelichtung anfertigen, so wäre Simone nur eine verschwommene Schliere quer durch den Raum. Die ganze Zeit ist sie auf den Füßen, pendelt zwischen der kleinen Küchennische, der schweren, in wuchtigem Edelstahl glänzenden Kaffeemaschine, dem Röstofen, den vier kleinen Tischen im Inneren und der Handvoll Tische auf der Straße davor hin und her. Nachmittags brummt der kleine Laden, kein Wunder, wer bekommt nicht spätestens dann Lust auf eine frische Tasse Kaffee und ein selbstgebackenes Stück Kuchen. Beides bekommt man bei Simone, das wissen die Eppinger zwischenzeitlich nur zu gut und kommen oft und gerne in das kleine Café am Pfeiferturm. Die wenigen Tische, die hier Platz finden, sind im Grunde immer belegt, man muss schon etwas Glück haben, um spontan unterzukommen. Aber kein Problem, einfach ein paar Minuten warten, ein bisschen durch die Altstadt schlendern und es ergibt sich eigentlich immer etwas… Kaffeetrinken sollte schließlich nicht in Hektik ausarten.

Auch während ich mit Simone spreche, fühlt sich die Kaffeefaktur zunehmend. In der Ecke sitzen zwei junge Mütter mit ihren Babys, ein paar in breitem Eppinger Dialekt tratschende Omas, die sich herrlich amüsieren, sitzen direkt daneben. In der noch kühlen Frühlingssonne vor dem großen Schaufenster sind ebenfalls fast alle Tische besetzt, verträumte Blicke schweifen über die Altstadt und den Marktplatz, etwas klamme Hände wärmen sich an großen Tassen mit dampfende Kaffee. Es ist eine friedliche Szene in einem wirklich wunderschönen Winkel der alten Stadt. Der kleine Laden bot früher einmal Hüte feil, war eine Drogerie, später das Büro eines Versicherungsmaklers. Danach übernahm Achim als erfahrener Coffee-Connaisseur und Bohnen-Aficionado die Hausnummer 1 und zog hier mit seiner Rösterei ein. Quasi vom ersten Tag an schloss die Stadt den kleinen außergewöhnlichen Laden in ihr Herz, Anlaufschwierigkeiten hatte die Kaffeefaktur keine. Mittlerweile ist der Röster Achim ein “röstiger” Rentner und an seiner statt hat Simone den Laden übernommen. Viele Jahre lang hatte sie zuvor bei Achim als Aushilfe gearbeitet, das kleine Café schätzen und lieben gelernt. Da lag es nahe, dass die Nachfolge auf kurzem Wege angetreten wird.

Simone ist Eppingerin aus Fleisch und Blut. Geboren wurde sie hier 1972, lebt seither in der Südstadt. Hauptberuflich steht sie noch nicht hinterm Tresen, arbeitet eigentlich als Vermessungstechnikerin in der Wasserversorgung. Genug war ihr das aber irgendwie nie, immer hat sie schon in der Gastronomie nebenbei gejobbt. Dieses Pflaster kann sie wirklich gut leiden. Am Anfang war es das Eiscafe Venezia in alter Besetzung in der Mühlbacher Straße, die zehn Jahre danach stand sie Achim zur Seite.

An der kleinen Rösterei und dem Café mag sie einfach alles. Die Gerüche, den Ort selbst, die Gäste, das Rödeln in ihrer Art und Weise, in ihrem Tempo. Ihr Tag beginnt früh, nicht selten um 4:30 Uhr am Morgen. Schließlich müssen Kuchen und Torten gebacken werden, dazu all die kleinen und großen Aufgaben rund um den Berufsalltag einer Selbstständigen gestemmt werden. Das Backen erdet sie aber irgendwie, fühlt sich nicht wie Arbeit an. Wahrscheinlich, weil es ihr in die Wiege gelegt wurde. Schon ihre Vorfahren waren Bäckermeister, die Bäckerei Essig in Sinsheim Weiler kennen manche bestimmt noch heute. Neben dem Backen ist Simones Leidenschaft zwischenzeitlich auch das Rösten. 21 Sorten Kaffee stellt sie in der großen Rösterei mitten im Gastraum her, auch wenn die bauchige Apparatur dabei rumpelt und rasselt. Die Gäste mögen es trotzdem, die Gerüche die heiß und aromatisch den Lüftungsschlitzen entströmen, machen das kleine bisschen Lärm allemal wett.

Nun möchte man meinen, dass der Betrieb eines Cafés, einer Rösterei und das alles neben dem regulären Job, genug Auslastung für Simone wären… Nö! Derzeit erweitert sie noch ihre kleine Speisekarte, richtet in der Küchennische Frühstücksgedecke an, und mit der jüngst erteilten gastronomischen Zulassung bald auch frische Cocktails. Wahnsinnig gerne würde sie ihren kleinen Laden auch etwas länger am Abend auflassen, aber das lassen ihre vielen Verpflichtungen derzeit kaum zu, schließlich kann auch Simone Simone Zeit und Raum nicht krümmen. “Dabei ist es hier abends doch so schön“, schwärmt sie und man kann regelrecht zusehen, wie in ihrem Kopf eine neue Idee Gestalt annimmt. Was die Zukunft mit sich bringen wird? Wer weiß das schon, aber Eppinger sind eigentlich immer für eine Überraschung gut.

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