Wie eine Grenze zerschneiden die Bahnschienen Bruchsal – Wer sie passieren will, hat die Wahl zwischen Pest und Cholera
von Philipp Martin
Bruchsal hat viel zu bieten, das steht außer Frage. Der alte Teil der Stadt, das Schloss und die Einkaufsmeile liegen im Osten, das Sportzentrum, das Hallenbad, viele Vereinsgelände sowie zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten dagegen im Westen. Wer vom Osten in den Westen oder umgekehrt möchte, muss zwar keinen Schlagbaum passieren, dafür aber den Schienenstrang, der an manchen Stellen bis zu zehn parallel verlaufende Gleise umfasst. Die Bahn ist wichtig für Bruchsal, ein Standortfaktor ohne Gleichen für eine Stadt, die verkehrsgünstig zwischen zwei großen Ballungszentren liegt. Der dichte Schienenstrang, der Bruchsal von Norden nach Süden durchzieht, teilt die Stadt allerdings in zwei Hälften auf. Das ist soweit nichts besonderes, schließlich kann man Schienen problemlos überbrücken und so die Einheit der Stadt sicherstellen – mit Überführungen oder Fahrradbrücken. Viele Städte haben das schön gelöst, so dass die Schienen ein organischer Teil der Stadt sind und nicht zu deren Trennung beitragen. In Bruchsal allerdings haben Fußgänger und Radfahrer im Grunde nur die Auswahl zwischen Pest und Cholera, wenn sie die Gleise passieren wollen.
Schauen wir uns die Möglichkeiten an. Im Süden kann man durch seitliche Aufgänge über die Büchenauer Brücke die Schienen zusammen mit dem dichten Verkehr der Bundesstraße 35 überqueren. Zwar ist seit der Sanierung der gemeinsame Fußgänger- und Radweg in besserem Zustand als zuvor, dennoch ist die Passage direkt neben dem niemals endenden Schwerlastverkehr immer mit einem mulmigen Gefühl verbunden. Wirklich zentral liegt diese Option ohnehin nicht, bis zur Innenstadt sind es von hier aus mindestens 20 Minuten zu Fuß.
Deutlich zentraler liegt dagegen der Bruchsaler Hauptbahnhof. Jenseits davon wurde in den letzten Jahren Bruchsals neustes und modernstes Stadtviertel gestaltet – die sogenannte Bahnstadt. Bei den Erwägungen wie beide Seiten miteinander am besten zu verbinden wären, gab es unter anderem auch eine auffällige, architektonisch herausfordernde aber pfiffige Überquerung im Planspiel der Stadt. Eine farbenfrohe, serpentinenartige Konstruktion, die nicht nur ein schöner Eyecatcher gewesen wäre sondern auch die Passage der Gleise im Sonnenlicht ermöglicht hätte. Stattdessen hat man sich aber für eine Erweiterung der bereits bestehenden Gleisunterführung auf dem Gelände des Bahnhofes entschieden. Ein Durchbruch am Ende des vorhandenen Tunnels, eine Erweiterung desselben und ein Portal zur Bahnstadt wurden errichtet. So schön dieses Portal auch sein mag – wer von A nach B möchte, muss dennoch die äußerst schmuddelige Unterführung des Bahnhofes nutzen, die sich nur über eine nicht weniger schmuddelige Treppe und einen engen Zugang zwischen Bahnhofsgebäude und Toilette erreichen lässt. Gerade in den Abendstunden eine Option die gut abzuwägen ist, schließlich ist der Bruchsaler Bahnhof in den letzten Jahren immer wieder Teil von Negativschlagzeilen gewesen.
Die nächste Gelegenheit zur Unterquerung der Gleise gibt es nur ein paar Meter weiter am Siemens-Kreisel. Hier hat man die Option direkt unterhalb der alten Eisenträger, dafür aber etwas erhöht über der Fahrbahn, die alte Brücke von Ende des 19 Jahrhunderts zu unterqueren. Ein paar schwache Lampen erhellen die Szenerie, die geprägt ist von Autoabgasen und einem höllischen Lärm, da der hier traditionell sehr dichte Verkehr ein starkes Echo in der trichterartigen Konstruktion verursacht. Diese Option steht überdies derzeit noch nicht einmal zur Verfügung und wird es auch noch eine ganze Weile nicht tun. Weil die Gleisanlage und die Brücke in diesem Bereich derzeit von der Bahn erneuert werden, ist die Fußgängerunterführung bis auf weiteres gesperrt.
Doch keine Sorge, eine weitere “attraktive” Chance vom Bruchsaler Osten in den Westen oder zurückzukommen, findet sich nur ein paar Meter weiter – quasi in der Verlängerung der Sichtachse des Bruchsaler Schlossgartens. So schön diese Schlossachse auch sein mag, so hässlich ist der kleine Tunnel, der hier die Gleise unterläuft. Ein schmales und dunkles Loch, dessen Wände vollständig mit Graffiti bedeckt sind und in dem es stark nach Urin und anderen Ausdünstungen müffelt. Die verdreckten Lampen erhellen diese klägliche Passage darüber hinaus nur unzureichend.
Und das sollte es dann auch schon gewesen sein. Abgesehen von der weiter nördlich verlaufenden Forster Straße am Gewerbegebiet Stegwiesen, die aber für den innerstädtischen Radverkehr und Fußgängerverkehr kaum eine Rolle spielen dürfte, sind das auch schon alle Optionen. Keine davon ist wirklich attraktiv, besonders die lediglich drei innenstadtnahen Möglichkeiten fallen besonders negativ ins Auge. Wer zu später Stunde den Weg aus der Innenstadt in den Westteil der Stadt antreten muss, hat aktuell nur die Wahl zwischen zwei düsteren Tunneln – keine gute Situation.
Es wäre daher im höchsten Maße wünschenswert, wenn sich die Planungen der Bahn und der Stadt dahingehend entwickeln könnten, eine oder mehrere oberirdische Querungsmöglichkeiten in Erwägung zu ziehen. Eine gut beleuchtete, großzügig dimensionierte, dauerhaft gepflegte und einladende Möglichkeit um die Schienen zu überqueren. Das würde nicht nur das Sicherheitsempfinden von Fußgängern und Radfahrern erhöhen, sondern die beiden Hälften der Stadt auch noch etwas näher aneinander rücken lassen.
Wirklich einladende Bilder…
Könnte man ganz schnell ändern…wenn man wollte.
Aber vielleicht ist der gute Artikel eine Initialzündung.
Stimme Anonymous zu! Der Bereich ab Siemenskreisel war schon immer ein Stiefkind.Würden die Damen und Herren,welche für unsere Stadt zuständig sind,da wohnen, wäre es garantiert anders.
….“gut gepflegt“ bedeutet dann wohl tägliche Graffitireinigung, solange Vandalismus in Deutschland unter „muss man hinnehmen“ läuft ist jeder Euro in Verschönerungsmassnahmen nur verlorenes Geld.
Nicht zu vergessen, sind die SchülerInnen, die jeden Morgen durch die Unterführungen laufen müssen. Im Sommer geht’s ja vielleicht noch, aber spätestens im Winter würde ich meine Kinder nicht mehr alleine laufen lassen.
Es ist wie überall…die Verantwortlichen müssten in der Nähe wohnen und diese Traumwege jeden Tag benutzen müssen. Dann wär das ganz schnell erledigt.
Aber die haben ihre Schäfchen im Trockenen…
Die Sperrung der Siemens-Unterführung ist wirklich ein riesiges Problem. Die Unterführung am Schloss erinnert an die Bronx ca 1975, und die Fehlkonstruktion am Bahnhof (immerhin vor ca 2 Jahren für ca 200 % der veranachlagten Baukosten fertig geworden), scheint jeden Monat optisch um 1-2 Jahre zu altern.
Ein Fahrrad oder gar ein E-Bike die Unterführung am Schloß hochzuschieben ist eine sportliche Herausforderung.
Seit wann ist die Unterführung am Bahnhof denn „äußerst schmuddelig“?