Wenn Feldwege zu Rennpisten werden
Für so manchen Autofahrer im Kraichgau scheint die Sache klar – Der beste Weg ist immer der kürzeste, ob man diesen auch befahren darf, ist dabei eher Nebensache. Unser landwirtschaftlich geprägtes Hügelland durchzieht ein dichtes Netz aus Feld- und Wirtschaftswegen, die – entsprechende Ortskenntnisse vorausgesetzt – ein ordentliches Sparpotenzial an Minuten und Kilometern verheißen. So mancher Fahrer nutzt diesen Vorteil gerne für sich und pendelt mitunter gleich morgens und abends über Strecken, die eigentlich gar nicht für den regulären Verkehr freigegeben sind. Besonders dann, wenn bedingt durch Baustellen die reguläre Umleitung viel Zeit frisst, erscheinen Schleichwege und Abkürzungen für viele unwiderstehlich attraktiv und das Verkehrsaufkommen hier steigt an. Leidtragende sind dann oft die schwächeren Verkehrsteilnehmer, die zuweilen im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder kommen. Diese bittere Erfahrung musste erst gestern eine junge Frau auf der alten Poststraße zwischen Gondelsheim und Diedelsheim machen, als ein Autofahrer sie anfuhr, dabei schwer verletzte und anschließend noch Fahrerflucht beging. Durch die derzeitige Sperrung des Bahnübergangs in Gondelsheim nutzen trotz eindeutiger Verbote viele Autofahrer die Route, um entsprechend abzukürzen und die deutliche längere, reguläre Umleitung zu vermeiden.
Dieser kleine Bypass ist aber bei weitem nicht der einzige in der Region. Wer in Ubstadt beispielsweise in der Rush-Hour den Stau rund um den Bahnübergang vermeiden möchte, der biegt von Kraichtal her schon fast regulär in die gesperrte kleine Stichstraße Richtung Salzbrunnenstraße ein. Von Heidelsheim aus lässt sich Unteröwisheim unter Umgehung von mehreren Ortschaften über Feldwege ansteuern und Eppingen ist von Rohrbach über den Betonweg auch deutlich schneller zu erreichen als über die Bundesstraße samt Kreuzungen und Blitzanlage. Nur drei Beispiele aus einer Liste, die bestimmt jeder Leser zu erweitern wüsste.
Spaziergänger und Radfahrer die während des Feierabendverkehrs außerhalb der Ortschaften ihre Runden drehen, müssen so oft vorbeibretternden Fahrzeugen ausweichen, dass dies schon eher die Regel als die Ausnahme ist. Gefühlt hat dieses Problem in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen, vermutlich durch zu wenige Verkehrskontrollen auf diesen Strecken, aber auch durch die Rücksichtslosigkeit mancher Fahrzeugführer. Nicht selten überholen diese Radfahrer und Fußgänger ohne dabei die Geschwindigkeit überhaupt zu reduzieren. Laut den erst im April aktualisierten Verkehrsregeln, müssten sie beim Überholen aber einen Abstand außerorts von zwei Metern halten, auf einem regulären Feldweg kaum zu schaffen.
Diese Raser gefährden dabei nicht nur Radfahrer und Fußgänger, sondern bewirken auch das reguläre Nutzer und Anlieger der Wege in Verruf und Sippenhaft geraten. Welche Bewohner und Arbeiter auf landwirtschaftlichen Hofstellen und Aussiedlerhöfen kennen nicht die vernichtenden Blicke, die sie beim völlig legalen Passieren ihrer regulären Zufahrtsstraßen zugeworfen bekommen. Hier will ich aus meiner persönlichen Involviertheit auch keinen Hehl machen – als Bewohner eines Aussiedlerhofes finde ich es frustrierend mit besagten Rüpeln in einen Topf geworfen zu werden.
Völlig klar, damit muss man als Aussiedler rechnen und zurechtkommen, das bringt die exponierte Wohnlage einfach mit sich. Niemand würde auch ernsthaft eine Familie, ein Senioren-Pärchen oder Hundehalter verurteilen, die jene Wege umsichtig nutzen um Abends ihren Spaziergang etwas weiter draußen im Grünen antreten zu können. Wenn aber Mütter mit ihrem Kinderwagen in die Wiese ausweichen müssen, weil Drängler sich nicht an Regeln halten wollen oder gar ein Mensch angefahren und wie ein Stück Vieh verletzt im Straßengraben zurückgelassen wird, dann ist der Rubikon weit überschritten.
Ein Kommentar von Hügelhelden-Herausgeber Stephan Gilliar – Wohnhaft auf einem Aussiedlerhof seit 20 Jahren – Autofahrer, Spaziergänger, Radfahrer