Die Grasgärtner

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Während die Legalisierung von Cannabis in Deutschland allmählich Gestalt annimmt, stehen auch in der Region die ersten Cannabis-Clubs schon längst in den Startlöchern.

Ein Café an einem regnerischen Novembertag in der Bruchsaler Fußgängerzone. Zu dritt sitzen wir in der Wärme der hinter uns aufgestellten Heizstrahler und nippen an unserem Kaffee. Michel hält es dabei kaum auf seinem Stuhl, hin und her rutscht er, man spürt förmlich die Elektrizität die durch seine Nervenbahnen rauscht. Uwe dagegen ist die Ruhe selbst, lehnt sich zurück und zieht ab und zu an seiner Zigarette. So unterschiedlich die beiden Männer auch sein mögen, ihr Ziel ist dasselbe: Gemeinsam wollen sie in Bruchsal einen Cannabis Club gründen, über den Cammabis legal bezogen und konsumiert werden kann. Ein solcher Cannabis Social Club, als nicht kommerzieller Verein, ist explizit Teil der von der Bundesregierung geplanten Strategie zur Legalisierung von Cannabis. In kontrolliertem Umfeld, in kontrollierter Menge und vor allem in kontrollierter Qualität wäre so der Konsum der bis dato weitestgehend illegalen Substanz künftig gesetzeskonform möglich. Konsumenten müssten so nicht mehr auf dem Schwarzmarkt kaufen, wo zum einen teilweise auch deutlich härtere Drogen angeboten werden und zum anderen nicht selten zweifelhafte Qualität mit ebenso zweifelhaften Zusatzstoffen verkauft wird.

Der bereits von der Ampel-Koalition gebilligte Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht eine Öffnung der bis dahin eher konservativen Drogenpolitik der Bundesregierung vor. Ziel ist vor diesem Hintergrund auch die Entkriminalisierung der Konsumenten und eine Legalisierung von Cannabis in gewissem Umfang. So soll künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm für Erwachsene ab 18 Jahren erlaubt sein. Zudem dürften privat bis zu drei entsprechende Pflanzen angebaut werden überdies ist auch die legale Abgabe von Cannabis über entsprechend zugelassene Clubs geplant.

Genau einen solchen Club stellen Michel aus Bruchsal und Uwe aus Ubstadt-Weiher gerade auf die Beine. Derzeit ein bürokratischer Hindernislauf, da zum einen die Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes durch den Bundesrat voraussichtlich erst im Frühjahr 2024 erfolgt, ferner weil viele Rahmenbedingungen noch nicht vollumfänglich oder klar genug ausformuliert wurden und deshalb Behörden noch mit der Eintragung entsprechender Vereine hadern. Die für den Bruchsaler Bereich zuständigen Behörden in Mannheim hätten bislang zumindest noch kein grünes Licht gegeben, erzählen Michel und Uwe. Andere in Gründung befindliche Vereine – von denen gibt es im Bundesgebiet derzeit nicht zu wenige – beschritten demnach teilweise schon den Rechtsweg um über Anwälte die Vereinsgründung zu ermöglichen, davon wollen die beiden aber zunächst absehen um sich im Sinne einer langfristigen guten Zusammenarbeit mit den Behörden kooperativ und gütlich zu einigen.

Klar ist aber, einfach in einem Garten eine Plantage anzulegen, wird voraussichtlich nicht so ohne weiteres möglich sein. Mit Sicherheit werden die Vereine zahlreiche Auflagen zu erfüllen haben, wie diese im Detail aussehen, ist zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht abschließend geklärt. Reguliert wird in jedem Fall die maximale Zahl der Mitglieder eines Clubs, die maximale Abgabemenge aber sicher auch Qualität und Reinheit des angebauten Cannabis. Die im April durch das Bundesgesundheitsministerium aufgestellten Eckpunkte, lassen in jedem Fall noch Raum für Interpretationen.
Klar ist aber auch, wer über einen solchen Verein Cannabis beziehen möchte, muss dafür auch entsprechend tief in die Tasche greifen. Michael und Uwe gehen im Falle ihres, in Gründung befindlichen Vereins davon aus, dass eine Aufnahmegebühr in Höhe von 100 € erhoben wird und anschließend monatliche Beiträge von 20 oder 50 € fällig werden, je nach in Anspruch genommener Leistung. Dazu kommt freilich das Entgelt für das Cannabis selbst. Dass diese Beträge noch nicht in Stein gemeißelt sind, auch davon sind beide überzeugt, schließlich ist das ganze System noch nicht einmal wirklich aus dem Ei geschlüpft und wird sich sicher in den ersten Monaten und Jahren anpassen und verändern.

Wem das teuer vorkommt, der muss sich aber nur die Initialkosten für die Gründung eines solchen Vereines vor Augen führen. Equipment, Ausstattung, Saatgut, Raumbedarf und Energiekosten werden sicherlich mit einem sechsstelligen Betrag zu Buche schlagen, ist sich Uwe sicher. Da ein Verein keine Gewinne im eigentlichen Sinn erzielen darf, müssen diese Gelder also erst einmal durch Sponsoren zur Verfügung gestellt werden um sie schließlich durch Mitgliedsbeiträge und Verkaufserlöse zu refinanzieren. Für ein solch komplexes Unterfangen die passende Hilfestellung zu finden, ist dabei alles andere als leicht. Zu neu ist der Paradigmenwandel in der nationalen Drogenpolitik, zu stark noch die Vorbehalte. Als Uwe beispielsweise einen Immobilienmakler für entsprechende Räumlichkeiten angefragt hat, diesem nach der Frage des Verwendungszweckes “Cannabisanbau” nannte, kam von der anderen Seite erst einmal irritiertes Gelächter und die Gegenfrage: “Das ist ein Witz, oder?”. Neben der schwierigen Suche nach den passenden Räumlichkeiten, steht auch die nach einem passenden und kundigen Steuerberater und einem entsprechend fachkundigen Anwalt für die Rechtsberatung.

Wenn all diese Hürden, die politischen, die rechtlichen und die organisatorischen aber erst einmal genommen sind, sehen Michel und Uwe beide einen echten Wendepunkt kommen, einen Switch-Point, wie Uwe sagt. Dann, davon sind beide fest überzeugt, wird alles besser werden. Dann kann die ihrer Meinung nach viel zu lange aufrecht erhaltene Stigmatisierung von Cannabis allmählich entfallen, und eine zu Unrecht zu lange kriminalisierte Szene sich endlich entfalten. Beide sehen hier auch erhebliche Vorteile für viele Menschen. Uwe aus der Sicht eines langjährigen PTBS-Patienten, dem das medizinisch verordnete Marihuana aus der Krise geholfen hat, und Michel als Pfleger von Schwerstbehinderten, die erst durch Cannabis schmerzfrei wurden und zur Ruhe kommen könnten. Wie sie die gesundheitlichen Risiken einschätzen, möchte ich von Ihnen wissen und Uwe kontert mit einem Argument, das nicht von der Hand zu weisen ist. Während Cannabis immer in der Kritik steht, sei Alkohol überall frei verkäuflich und in jeder Schicht der Gesellschaft, bei jedem Anlass und zu jeder Festlichkeit so wie im Alltag fest verankert. Und das trotz seiner nachgewiesen erheblich schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit. Worte, die vom Bundesgesundheitsministerium auf dessen Website mit ein paar harten Fakten untermauert werden: ‘7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Ein problematischer Alkoholkonsum liegt bei etwa 9 Millionen Personen dieser Altersgruppe vor (ESA 2021). Zudem ist missbräuchlicher Alkoholkonsum einer der wesentlichen Risikofaktoren für zahlreiche chronische Erkrankungen (zum Beispiel Krebserkrankungen, Erkrankungen der Leber und Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und für Unfälle. In Deutschland starben im Jahr 2016 19.000 Frauen und 43.000 Männer an einer ausschließlich auf Alkohol zurückzuführenden Todesursache.” Was Cannabis angeht, hält das Magazin Quarks des WDR hingegen pragmatisch fest: “Bis heute gibt es keinen einzigen bestätigten Todesfall durch Cannabis-Konsum.”

Freilich sehen nicht alle Institutionen die anstehende Legalisierung von Cannabis derart optimistisch wie Michel und Uwe. Die Polizei beispielsweise ist zwiegespalten, ebenso das Rechtswesen und auch bei Medizinern gehen die Meinungen weit auseinander. Dass sie aber kommen wird, gilt mehr oder minder als sicher, bereits im August hat der Bundestag das entsprechende Gesetz beschlossen, aus terminlichen Gründen wird es der Bundesrat vermutlich aber erst im März 2024 ratifizieren, so dass die Neuregelung vermutlich ab April greifen wird.

Bis dahin haben Michel und Uwe noch jede Menge Arbeit, Behördengänge und Papierkram vor sich. Guter Dinge sind die beiden aber dennoch, schließlich haben sie darauf bereits seit Jahrzehnten gewartet, ein paar Monate machen da nicht viel her.

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4 Gedanken zu „Die Grasgärtner“

  1. Dann gutes Gelingen !! Der deutsche Michel lehnt sich auf ;) . Die tollen Pharmaprodukte gibts an jeder Ecke , dann auch gerne was natürliches 👍.

  2. Mega dass es engagierte und fachkundige Menschen gibt, die Bock darauf haben und sich unserem Behörden Chaos stellen.
    Ich drücke euch die Daumen. Und drücke uns allen die Daumen, dass das kommende Gesetz halbwegs umsetzbar wird.

  3. Und dann war da noch die Hügelhelden Redaktion, die setzt für den Artikel direkt zwei Gesichter rein die exakt dem erwarteten Aussehen solcher Kollegen entsprechen.
    Sympatisch :)

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