Bad Schönborns neue Insel

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Im Beisein von Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde heute auf dem Philippsee bei Bad Schönborn Deutschlands größtes Solarkraftwerk auf dem Wasser eingeweiht.

Solarenergie ist eine großartige Sache. Sie ist leise, sie ist sauber und sie ist effizient. Jeder, der zu Hause eine große PV-Anlage oder auch nur ein kleines Balkonkraftwerk in Betrieb hat, wird das sofort unterschreiben – Strom von der Sonne, quasi zum Nulltarif. Während private PV-Anlagen in Deutschland, auch wegen der gesunkenen Preise der Komponenten, einen regelrechten Boom erleben, könnte der Ausbau von großflächigen Anlagen allerdings noch deutlich Fahrt aufnehmen. Ein Hemmschuh: die erforderlichen großen Flächen. Während über die Nutzung von Dachflächen noch weitgehend Konsens herrscht, gehen die Meinungen bei großflächigen PV-Anlagen auf der grünen Wiese schon etwas weiter auseinander. Kritisiert wird eben der große Verbrauch an Flächen, die dann für andere Nutzungsarten nicht mehr zur Verfügung stehen. Letzteres stimmt übrigens nur eingeschränkt: Auch auf Freiflächen-PV-Anlagen kann beispielsweise Obstanbau betrieben werden, oder es können Schafe weiden. Auch in Sachen Artenvielfalt stellen die lose mit Solarmodulen bestückten Flächenkraftwerke in der Regel kein Problem dar.

Mit der Fähre auf einen Sprung zur neuen PV Anlage. Bild: Gemeinde Bad Schönborn

Dennoch kann man sich die Frage stellen, ob es nicht noch besser geeignete Flächen in der freien Natur gibt, die sich für die Gewinnung von Sonnenenergie eignen könnten. Die Antwort liegt dort, wo man sie auf den ersten Blick nicht vermuten würde: nicht an Land, sondern auf dem Wasser. Deutschland hat mit seinen vielen Seen enorme Kapazitäten, um hier einfach und umweltverträglich in großem Stil die Kraft der Sonne zu nutzen. Bis jetzt geschieht das eher selten. Bis dato werden mit schwimmenden PV-Anlagen im Inland nur eine Handvoll Megawatt jedes Jahr in den deutschen Strommix eingespeist, doch das könnte sich ab sofort ändern – ausgehend von einem Leuchtturmprojekt, hier bei uns, mitten in der Region. Eine 8 Hektar große Anlage, bundesweit die größte ihrer Art, wurde heute Mittag auf dem Philippsee bei Bad Schönborn in Betrieb genommen. Sie bedeckt etwa 15 % der Fläche des Baggersees, der insgesamt über rund 60 ha verfügt. Im Gegenzug bleiben 85 % der Fläche frei für den Freizeitsport, die Menschen, die Tiere und die Natur. Theoretisch wäre auch mehr möglich gewesen, doch der Naturschutz setzt solchen Bauvorhaben enge Grenzen. Dennoch kann die Anlage bis zu 15 MW in der Spitze produzieren – selbstredend aber nur dann, wenn die Sonne scheint. Das tut sie in der Region übrigens überdurchschnittlich oft: Der Kraichgau gehört zu den sonnenverwöhntesten Flecken Erde im ganzen Land. Ein Teil der hier gewonnenen Energie wird für das örtliche Kieswerk verwendet, der Rest fließt zur Nutzung ins öffentliche Netz. Alleine diese Anlage könnte übrigens rund 5000 Haushalte und damit einen erklecklichen Teil Bad Schönborns mit sauberem Strom versorgen.

Das Projekt wird in der Branche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, der Stellenwert einer solchen wassergestützten Anlage kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Kein Wunder, dass zur offiziellen Inbetriebnahme der Anlage am heutigen Montag der ganz große politische Bahnhof zugegen war. Ehrengast war dabei niemand Geringeres als Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Ebenfalls aus Stuttgart angereist war Staatssekretärin Franziska Brantner. Geladen hatte der Photovoltaik-Spezialist Nexentury aus Starnberg, ein modernes Tech-Unternehmen, das sich auf hochwertige PV-Anlagen, deren Entwicklung und Konzeption spezialisiert hat. Gemeinsam mit den Ehrengästen setzte Steffen Kammerer, Geschäftsführer von Nexentury, auf einer kleinen Fähre zur Anlage über, um das schwimmende Konstrukt aus der Nähe in Augenschein nehmen zu können. Gegen 13:00 Uhr erfolgte dann die symbolische Inbetriebnahme.

Bad Schönborn Bürgermeister Klaus-Detlev Huge / Bild: Gemeinde Bad Schönborn

Mit dabei war auch Bad Schönborns Bürgermeister Klaus-Detlev Huge, der reichlich stolz auf seine kleine Gemeinde ist. Denn auch wenn es vielen vielleicht nicht bewusst ist: Technologie „made in Bad Schönborn“ ist längst weltweit im Einsatz, wenn es um das Thema New Tech geht. So werden beispielsweise alle öffentlichen Ladestationen in den USA mithilfe einer Software betrieben, die hier im Kraichgau, mitten in Bad Schönborn, entwickelt wurde, so Klaus-Detlev Huge in seiner Ansprache. Für den Bürgermeister hätten es gar noch ein paar Megawatt mehr sein können, die mit der Anlage auf dem See gewonnen werden: „Unsere Erfahrungen aus den ersten Monaten sind eindeutig positiv. Es zeigt sich in der Praxis, dass es keinerlei Grund dafür gibt, die Anlagengröße so stark zu beschränken, wie das die Bundesregierung leider veranlasst hat“, führt der BM aus und zeigt auch das Potenzial möglicher Nachfolgeprojekte auf: „Gewerbeflächen wie die vielen Baggerseen hier am Rhein können einen nennenswerten Beitrag zur Energiewende leisten. Wer Klimaschutz will, muss die 15 %-Flächengrenze und die Hürden in den Genehmigungsverfahren beseitigen.“ Beobachtet wird das Pilotprojekt auch von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, die bereits im Vorfeld mitteilte, in der Region Oberrhein durchaus noch mehr Potenzial für solche schwimmenden PV-Anlagen zu sehen.

Wie sich der 8 ha große Koloss aus rund 27.000 bifazialen Modulen in Sachen Energieausbeute tatsächlich schlägt, wird spätestens im nächsten Sommer offenbar. Dann dürfte das Solarkraftwerk sein volles Potenzial ausspielen, da die meisten Sonnenstunden eben immer noch im Sommer zu verzeichnen sind. Man kann sicher sein: Bad Schönborn wird mit diesem Projekt noch viele Monate lang Gesprächsthema sein und bei Erfolg auch Wegbereiter dieses neuen Ansatzes zur Energiegewinnung bleiben.

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