Springen macht glücklich

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Tagsüber arbeitet Nesrin als Polizeibeamtin, Abends jedoch unterrichtet sie in ihrem eigenen Studio in Kleingartach die Kunst des Springens

“Komm, steig mal drauf, probier’s doch einfach mal aus” ruft mir Nesrin fröhlich zu und obwohl ich mit meinen 1,95 Metern und 110 Kilo Körpergewicht auf Sportgeräten traditionell eine eher erbärmliche Figur abgebe, stehe ich tatsächlich 30 Sekunden später auf der Sprungfläche des Trampolins. Nesrin ist mitreißend, weiß zu motivieren, das muss man ihr wirklich lassen. Gut gelaunt zeigt sie mir, wie “Jumping Fitness” funktioniert, bei jedem Sprung wirbelt ihre dichte, schwarzgelockte Mähne durch die Luft. Das Ganze sei gut für die Beweglichkeit, Muskelaufbau, Koordination und dabei sehr gelenkschonend, erzählt sie mir und tatsächlich kommen laut meiner Recherche beim Jumping etwa 400 Muskeln zum Einsatz, laut AOK sei das Training auf dem kleinen Trampolin sogar effektiver als Joggen.

Wenn Nesrin das erste Mal in Aktion erlebt, der kommt nicht umhin sie zu mögen. Die 43-Jährige ist verbindlich und bestimmt in der Ansprache, weiß zu motivieren und mitzureißen. Sas sind nicht nur sehr gute Voraussetzungen für ihren Job als Trainerin im eigenen Fitnessstudio, sondern auch für ihren eigentlichen Beruf. Nesrin ist ausgebildete Polizistin, hat viele Jahre lang Streifendienst hinter sich und gelernt sich im Kontakt mit unterschiedlichen Menschen in den unterschiedlichsten Situationen zu bewähren.

Geboren wurde sie 1980 in Neu-Ulm direkt hinter der baden-württembergischen Grenze zu Bayern. Ihr Papa gehörte der ersten Generation türkischer Gastarbeiter in der BRD an, wurde damals noch mit einem Blumenstrauß am Bahnhof begrüßt. Nesrin wuchs zusammen mit weiteren vier Geschwistern im oberschwäbischen Laupheim nahe Biberach auf, nach der Schule schloss sie zunächst eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation ab. Eine Verlegenheitslösung, irgendetwas musste ich ja machen, lacht sie bei der Erinnerung an diesen braven Start ins Berufsleben. Eigentlich war ihr Traumberuf immer ein anderer, Nesrin wollte zur Polizei. Also fasste sie sich ein Herz und begann 2001 mit der Ausbildung an der Polizeischule in Bruchsal. Gerade einmal vier weitere Frauen gab es damals in ihrem Lehrgang, ein Verhältnis von eins zu fünf zu den männlichen Kollegen. 2004 verließ sie als frischgebackene Polizeimeisterin die Schule und gehört seither dem Kollegium im Revier Lauffen am Neckar an.

Doch wie kommt nun eine Polizistin dazu, ein eigenes Fitnessstudio zu eröffnen? Auf der Hand lag das offenbar nicht wirklich… “Ich habe Sport gehasst” grinst Nesrin und erzählt mir von einem Schlüsselmoment, der hier einen echten Wendepunkt in ihrem Leben markierte. Während der Ausbildung in Bruchsal gab ihr Ausbilder irgendwann die Tagesaufgabe vor “Heute Dauerlauf, wir orientieren uns dabei im Tempo an der langsamsten Läuferin”. Nun ja, diese langsamste Läuferin war Nesrin und einer ihrer Kollegen entgegnete spöttisch: “Dann können wir ja heute rückwärts laufen”. Das saß und so beschlossen Nesrin, mehr Sport zu treiben.

Noch ein bisschen Trial and Error fand sie schließlich zum Zumba, einer damals äußerst populären Trendvariante im Fitnesssport, bei der lateinamerikanische Tänze mit Aerobic Elementen kombiniert werden, das Ganze zu entsprechend rhythmischer Musik. In ihrer Freizeit absolvierte Nesrin sogar die Ausbildung zur Trainerin, unterrichtete anschließend in mehreren Studios rund um ihre neue Wahlheimat Eppingen, wohin sie damals die Liebe verschlagen hat. Doch auch diese Phase fand irgendwann ein Ende, ein Ende, das sehr viele Sportler aus leidiger Erfahrung ebenso kennen dürften. Die Knie machten irgendwann nicht mehr mit, zu hoch war die Dauerbelastung auf das komplexe Gelenk.

Durch einen Zufall stieß Nesrin schließlich auf “Jumping Fitness”, schaffte sich ein entsprechend dafür konzipiertes Trampolin an und absolvierte auch hier die Ausbildung zur Trainerin. Heute ist die Sportart eines der großen Zugpferde in Nesrins eigenem Fitnessstudio in Kleingartach, einem Stadtteil von Eppingen. Ganz alleine hat sie einen ehemaligen Stall auf ihrem Grundstück zu ihrem Studio “all about fitness” ausgebaut. Es gibt einen großen Trainingsraum unter hölzernem Gebälk, moderne Umkleiden und Duschen für Damen und Herren und im Sommer einen großen Außenbereich. Ein klassisches Fitnessstudio ist “all about fitness” nicht, man kann nicht alleine an irgendwelchen Maschinen herumrödeln, Nesrins Konzept setzt voll und ganz auf abendliche Kurse. Klar, tagsüber hat sie schließlich einen anderen verantwortungsvollen Job zu erledigen, zudem fehlt es der mehrfachen Mutter in ihrer neuen Patchworkfamilie nicht an Aufgaben.

So unterrichtet sie an fast allen Abenden in der Woche nicht nur Jumping Fitness sondern auch Zirkeltraining, Langhanteltraining, Shadow-Boxing und – auch das gibt es nicht an jeder Ecke – Poledancing. Wer Lust hat, kann entweder eine Mitgliedschaft bei Nesrin im jährlichen oder monatlichen Turnus abschließen, alternativ auch eine Zehnerkarte für die Sportart seiner Wahl lösen. Ein besonderes Angebot hat Nesrin auch für Gruppen, beispielsweise aus Firmenkollegen, Vereinen oder privaten Runden. Hierfür bietet sie individuelle Pakete an die sich ganz am Bedarf und auch an den zeitlichen Möglichkeiten der Kundschaft orientieren.

Bis 2020 war Nesrins kleines Studio im Grunde vollständig ausgebucht, in manchen Kursen gab es sogar eine Warteliste. Doch Corona hat hier, wie in so vielen anderen Branchen und bei so vielen anderen Studios auch, eine tiefe Kerbe hinterlassen. So gibt es derzeit wieder viele offene Plätze in den Kursen, die Chancen hier spontan unterzukommen sehen derzeit extrem gut aus.

Nesrin unterrichtet nicht nur Fitness- und Sportvarianten, die man an anderer Stelle vergeblich sucht, sondern erzeugt dabei auch eine Atmosphäre, die für Freude und Spaß an der Bewegung steht. Es ist egal, wie fit man ist, was man leisten kann, es geht einzig und allein darum, gemeinsam eine gute Zeit zu haben, erzählt sie und man ist geneigt, ihr das auch zu glauben.

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