Der Kampf um das Philippsburg von Morgen

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Trotz mehrerer Niederlagen kämpft die Bürgerinitiative weiter gegen das geplante Logistikzentrum – Was sind ihre Motive?

Ein Kommentar von Hügelhelden-Herausgeber Stephan Gilliar

Philippsburg kommt nicht zur Ruhe. Die kleine Stadt als nördlicher Außenposten des Landkreises Karlsruhe, hat in den letzten Jahren viel über sich ergehen lassen müssen. Der Wegfall des Reifenwerkes von Goodyear hat Hunderte ihren Arbeitsplatz und ihre Perspektive gekostet, mit dem Kernkraftwerk verabschiedet sich in absehbarer Zeit auch ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor und darüber hinaus spalten umstrittene Großprojekte wie Superstromtrassen, Konverter und massive Eingriffe auf der Flussinsel Elisabethenwörth die Stadtgemeinschaft.

Man muss nicht Betriebswirtschaft studiert haben um zu erkennen, die Stadt braucht neue wirtschaftliche Impulse und sie braucht Perspektiven für die Zukunft. Andernfalls werden junge Familien Philippsburg den Rücken kehren und das langsame Ausbluten der ca. 13.000 Seelen-Gemeinde beginnt.

Was die Perspektiven angeht, so ist in Philippsburg längst nicht alles verloren. Auf dem Gelände der ehemaligen Salmkaserne plant die Investorengruppe Dietz AG aus Bensheim derzeit ein großes Logistikzentrum mit einem Investitionsvolumen von rund 65 Millionen Euro. Die Vorteile für die Stadt lägen auf der Hand: Sie würde sowohl von den höheren Steuereinnahmen als auch von den voraussichtlich entstehenden 350 – 400 Arbeitsplätzen profitieren.

Dass ein solches Logistikzentrum auch Nachteile mit sich bringt, ist ebenso wenig von der Hand zu weisen. Der zusätzliche LKW-Verkehr würde selbstredend zu einem höheren Verkehrsaufkommen in und um die Stadt führen, hier sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Nun muss man sich aber die Frage stellen: Was ist mir lieber? Eine sterbende Stadt ohne Perspektive und Zukunft, dafür aber himmlischer Ruhe? Oder eine Stadt die auch noch morgen in der Lage sein wird ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und attraktiv für Neubürger zu bleiben, in der es aber in manchen Gebieten zu einem deutlich höheren Verkehrsaufkommen kommt als bisher.

Die im vergangenen Jahr gegründete “Bürgerinitiative – Für ein lebenswertes Philippsburg” beantwortet diese Frage für sich eindeutig und ohne Umschweife. In roten und fetten Lettern prangt es auf ihrer Webseite: Philippsburger wehrt euch – Nein zum Logistikzentrum – Das wollen wir nicht”. Die Köpfe dahinter, vorwiegend Anwohner, befürchten eine große Belastung durch den zu erwartenden LKW-Verkehr im Umfeld des Logistikzentrums.

Die Gründung einer solchen Bürgerinitiative ist völlig legitim und ein gutes Zeichen für das Funktionieren einer Demokratie. Höhepunkt dieses im vergangenen Jahr auf allen Ebenen ausgetragenen Widerstandes, war die Durchführung zweier Bürgerentscheide. Im ersten Entscheid ging es um die Erweiterung des Logistikzentrums, im zweiten um eine weitere Zufahrtsstraße auf das Dietz-Gelände. Das Ergebnis hätte nicht eindeutiger ausfallen können, beide Entscheide verfehlten die notwendige Mehrheit deutlich. Nur 16,5% der Wähler sprachen sich für den Stopp des Bebauungsplanes aus.

Spätestens an dieser Stelle hätte sich ein guter Verlierer einfach zurückziehen und anerkennen müssen dass die eigene Ziele wohl nicht deckungsgleich mit denen der Mehrheit sind. Wahlbeteiligung und Wahlausgang zeigten deutlich das die meisten Philippsburger die Überzeugungen der Bürgerinitiative wohl nicht mit vergleichbarer Leidenschaft teilen.

Anstatt aber dieses Wählervotum zu akzeptieren, stellt sich die Bürgerinitiative bis heute weiterhin auf die Hinterbeine. So legte man Widerspruch beim Regierungspräsidium Karlsruhe gegen den Bau des Logistikzentrums ein und – scheiterte erneut. Die Behörde wies den Widerspruch zurück und stellte fest, dass die Baugenehmigungen rechtmäßig sei und keinen Verstoß gegen geltende Lärmschutzbestimmungen darstelle, so das RP gegenüber dem SWR.

Auch dieses erneute Scheitern ist für die Bürgerinitiative offenbar kein Grund die Hände nun in den Schoß zu legen. Gegenüber dem SWR formulierte ein Anwalt der Initiative, dass er gute Chancen sähe, das geplante Logistikzentrum per Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe zu verhindern. Diese ohnehin schon lange Geschichte, wird also offenbar noch um mindestens ein weiteres Kapitel verlängert. Selbst nach einer eventuellen Niederlage am Verwaltungsgericht könnte der Rechtsweg weiter steil nach oben führen. Die Bürgerinitiative wird in einem Artikel der BNN mit der unmissverständlichen Ansage zitiert: “Klar ist, wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen”

Selbstredend liegt die Gangart des eingeschlagenen Weges absolut im Ermessensspielraum der Bürgerinitiative. Sie zieht alle Register die in einer Demokratie und durch unser Justizsystem möglich sind. Dennoch müssen sich die Mitglieder die Frage gefallen lassen, für wen sie das eigentlich noch tun? Für die Mehrheit der Philippsburger sprechen sie wohl nicht, das haben die Bürgerentscheide deutlich gemacht. Für die Arbeitslosen in der Stadt, die sich durch das neue Logistikzentrum Chancen auf eine neue Stelle ausmalen, sprechen Sie vermutlich auch eher nicht. Ebenso wenig sprechen Sie für die Großinvestoren die in Erwägung ziehen in Philippsburg etwas auf die Beine zu stellen – laut Stadtverwaltung hat bereits vor Monaten der potente Kandidat Daimler aufgrund der Kontroversen einen Rückzieher gemacht.

Für wen oder was kämpft die Bürgerinitiative in Philippsburg also eigentlich noch?

Es wäre doch irgendwie schade wenn es am Ende im wesentlichen ein paar verärgerte Anwohner wären, die in der Ansiedlung des Logistikzentrums in erster Linie negative Auswirkungen auf das eigene Grundstück und den eigenen Lebensstandard sähen. Es wäre ferner schade wenn da wo altruistisches Handeln angezeigt wäre, weniger selbstlose Motive im Vordergrund stünden.

Die Definition des Wortes „Lebenswert“ das die Bürgerinitiative in den eigenen Titel aufnahm, ist möglicherweise am Ende gar nicht so einfach und vor allem nicht so eindeutig, wie es sich manche wünschen.

Ob das Logistikzentrum tatsächlich derart große Vorteile für die Stadt mit sich bringen wird, wie es vorher in blumigen Worten angekündigt wurde, muss und wird sich erst zeigen. Die Alternative jedoch – abgeschreckte Investoren und Leerstand auf einem attraktiven Gewerbe-Areal, ist aber in jedem Fall die deutlich schlechtere Wahl. Sie würde zur Abwanderung von Familien, zu Perspektivlosigkeit und zum Abdriften in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit der Stadt führen.

Dann wäre es himmlisch ruhig in Philippsburg, aber für welchen Preis?

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