Vor einigen Monaten ist die bis dahin politisch parteilos agierende Bruchsaler Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick den Grünen beigetreten. Eine Gewissensentscheidung, die einerseits für Rückenwind, aber nicht zuletzt auch für reichlich Gegenwind sorgt.
von Stephan Gilliar
Einer der zentralen Schlüsselmomente der vergangenen Monate für Cornelia Petzold-Schick war ihr Besuch des politischen Aschermittwochs der Grünen in Biberach Anfang Februar. Die Bruchsaler Oberbürgermeisterin, zu diesem Zeitpunkt bereits seit fünf Monaten Mitglied der Partei “Bündnis 90 / Die Grünen”, war auch unter den geladenen Gästen. Im Pulk der Wartenden vor dem Halleneingang erlebte sie, wie die Situation immer weiter aus dem Ruder lief, immer weiter eskalierte. Sie erlebte mit wie die protestierenden Landwirte immer lauter und aggressiver auftraten, die Parteimitglieder zunehmend durch ihr Auftreten unter Druck setzten. “Biberach war eine Entgleisung und eine Geschichte, die eigentlich so nicht hinzunehmen ist.” erzählt Cornelia Petzold-Schick im Redaktionsgespräch. Sie erzählt von einer aufgeladenen Atmosphäre vor Ort, von einer immer stärker werdenden Drohkulisse durch die Landwirte mit ihren schweren Maschinen, kaum einschreitenden Sicherheitskräften und schlussendlich der Absage der Veranstaltung, die irgendwann über eine WhatsApp Gruppe auch ihren Teil der Warteschlange erreichte. Eine Entscheidung, die sie explizit nicht gut heißt, ein Einknicken wäre für Sie als Entscheiderin hier nicht infrage gekommen.
Cornelia Petzold-Schick kennt sich aus mit Anfeindungen, mit Einschüchterungsversuchen. Zweimal wurde bereits ihr Dienstwagen in Brand gesteckt. Unbekannte hatten 2016 und 2017 die Autos mit Brandbeschleuniger übergossen und angezündet – der Staatsschutz ermittelte… ohne Ergebnis. Man muss sich nur vorstellen, was das mit einem Menschen macht. Stellen Sie sich bitte nur einen Moment vor, mitten in der Nacht würden Flammen aus ihrem Auto schlagen, abgestellt direkt vor ihrem Privathaus – ihrem Rückzugsort… dem Platz, an dem sie sich und ihre Liebsten in Sicherheit glauben. Die psychologischen Folgen für Hausbewohner nach einem Einbruch sind bestens erforscht, doch dabei geht es “nur” um die Absicht ihres Eigentums habhaft zu werden. Welche Dimensionen muss dieses Gefühl entwickeln, wenn die mutmaßliche Botschaft eines solchen Brandanschlags viel mehr auf sie, ihre Person, ja ihr Leben abzielt?
Opportunismus kann man Cornelia Petzold-Schick nicht vorwerfen… wahrlich nicht. Wer auf dem Land politisch erfolgreich sein möchte, der sucht sich die Partei aus, die eine möglichst breite Wählergruppe hinter sich vereint. In der Vergangenheit war das traditionell die CDU, ein Parteibuch bei den Schwarzen galt mehr oder minder als Voraussetzung für ein politisches Amt. Wenn Sie noch vor ein paar Jahrzehnten die Landkarte im Kraichgau nach Parteizugehörigkeit der Bürgermeister eingefärbt hätten, wäre ein tiefschwarzes Gemälde dabei herausgekommen. Als Cornelia Petzold-Schick aber im Oktober vergangenen Jahres den Grünen beitrat, war die Popularität der Partei auf ihrem absoluten Tiefpunkt. Allerorten fokussierte sich der Hass auf die geringschätzig als Öko-Partei bezeichneten Grünen. Quasi alle politischen Probleme der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft wurden Ihnen angelastet, völlig unabhängig davon, dass diese Form der Schuldzuweisung – pardon – faktischer Schwachsinn ist. So kritikwürdig manche Projekte der Ampel-Koalition auch sein mögen, die Grünen sind zumindest jene Partei, die versucht aktiv etwas zu bewegen, anstatt nur zu blockieren (FDP) oder sich weitgehend passiv im Hintergrund zu halten (SPD).
Aber ganz abgesehen von der politischen Diskussion, ist diese Form der Kritik einfach nur abzulehnen. Kritik äußert sich in Worten, allenthalben auch in friedlichen Demonstrationen, nicht aber in Übergriffigkeiten, in verbaler oder gar physischer Gewalt. 224 Angriffe auf Parteigebäude und -einrichtungen der Grünen gab es letztes Jahr, mehr als bei jeder anderen Partei. 1219 Attacken auf Parteivertreter und -mitglieder wurden verzeichnet, auch hier sind die Grünen absolute und traurige Spitzenreiter. Die Übergriffe auf Vizekanzler Robert Habeck oder Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt sind dabei nur zwei Punkte in einer unwahrscheinlich langen Liste.
Kurzum, um Popularität kann es der Bruchsaler Oberbürgermeisterin bei der Wahl ihrer Parteimitgliedschaft nicht gegangen sein. Wahltaktisch war die Entscheidung eher ein Dolchstoß Richtung der eigenen Brust, als ein Schwerthieb nach vorne. Kalkül und Berechnung wurden Cornelia Petzold-Schick vorgeworfen, es ginge ihr nur darum, Regierungspräsidentin in Südbaden zu werden. Nun ja, Carsten Gabbert ist seit April 2024 Regierungspräsident in Freiburg…soviel zu diesem “Plan”. Allenfalls die anstehende Kreiswahl hat für den Zeitpunkt des Beitritts eine Rolle gespielt, da sich Cornelia Petzold-Schick entscheiden musste, auf welcher Liste sie dafür kandidieren möchte.
Die Reaktionen auf Petzold-Schicks Ankündigung warenunterschiedlich, von Respekt, Lob, Anerkennung und Bestärkung bis hin zu offenen Anfeindungen war einfach alles dabei. Wie sehr das Feindbild “Grüne” bereits in der Gesellschaft verankert ist, zeigten auch die Kommentare von Cornelia Petzold-Schicks “Freunden” auf Facebook. “Geht gar nicht, die Grünen zerstören unsere schöne Natur”, “Alles nur nicht grün, sorry”, oder “Wer es sich in der Welt verscheißen will wählt grün”, sind ein paar der (gemäßigteren) lieben Worte, die Cornelias “Freunde” ihr für diesen neuen Lebensabschnitt mit auf den Weg gegeben haben.
Warum also macht sie das, wieso positioniert sie sich freiwillig im Fadenkreuz von derlei viel Hass und Anfeindungen? Vielleicht ist es am Ende ja genau das, was sie als Begründung angibt? Haltung und Gewissen. Eine starke Stimme in einer Gesellschaft sein, in der nur noch extreme Positionen Anklang zu finden scheinen. “Mit der vermehrt zu beobachtenden Abkehr der Menschen, von Parteien und Institutionen, habe ich immer wieder mit mir gerungen, ob es nicht doch wichtig ist, klar zu sagen, ich stehe auch an der Seite einer Partei.” So wurde aus der parteilosen Cornelia Petzold-Schick nun schlussendlich die Grüne Cornelia Petzold-Schick, da es die Inhalte genau dieser Partei waren, mit denen sie sich klar identifizieren kann. Ein Schritt, den sie sich wahrlich nicht leicht gemacht hat. Sie erinnert sich noch gut an das Zögern vor dem Briefkasten, den Umschlag mit ihrem Eintrittsgesuch in der Hand. “Das hat sich bei mir schon verändert, das hätte ich vor 15 Jahren nicht so artikuliert, weil sich die Zeiten einfach geändert haben. Und insofern steht mein jetziger Eintritt dafür: Haltung zeigen.”
Haltung zu zeigen ist ehrenwert, es erfordert Mut. Denn dieser Schritt, dieses bewusste Festlegen auf klare Linien und Positionen, macht natürlich auch angreifbar. Wer Kante zeigen will, kann nicht mehr substanzlos schwadronieren oder folgenlos herumlavieren, er geht quasi “all in” – wie es beim Pokern heißt. Cornelia Petzold-Schick ist mit ihrem Eintritt bei den Grünen auch ein hohes Risiko eingegangen – nicht zuletzt um ihre mögliche Wiederwahl als Oberbürgermeisterin im kommenden Jahr. Ob sie noch einmal antreten wird, lässt sie im Gespräch bewusst offen, doch wenn sie es versucht, wird das in ihrem neuen Outfit (grün, grün, grün sind alle meine Kleider) sicher kein Spaziergang.
Grün Grün Grün waren mal alle meine Scheine !! Sind die Weg, wird diese schöne Geschichte Schwarz ausgehen 😉👍
Ist ja ein toller Beitrag mit toller Aussicht!
Klare Kante zeigen erfordert vielleicht Mut!
Danke für diesen Artikel!
Schwarz war nicht nur früher ein Garant für erfolgreichen Einstieg in die Politik… eigentlich war es eher sichere Pöstchenschacherei…
Wenn ich die Europawahlergebniskarte ansehe, wird’s mir nicht besser…der Westen schwarz, der Osten blau ( dabei wäre braun die korrekte Einfärbung).
Wer was ändern will, bekommt die Quittung.
Ich Frage mich schon, was da für ein Prollvolk auf dem Land sitzt und meint, machen zu können, was es will.
Gesetze gelten für alle…es gibt keine „Landversion“ .
Und wer sich nicht dran hält oder sogar sein (subventioniertes) Eigentum als Drohwaffe einsetzt, sollte mit entsprechenden Konsequenzen rechnen müssen!!!
Wer die Rechnungen nicht mehr zahlen kann wählt gerne , die dunklere Note ! Diese Geschichte war 1930 nicht anders ! Das müssten auch die Grünen wissen ✌️😉👍
Vielleicht was draus gelernt?
Genau…aber es geht schon wieder los.
Vorhin hat Bauernchef Ruckwied als Reaktion auf ein Umweltgesetz der EU gemeint, die deutschen Bauern müssen sich nicht vorschreiben lassen, wie sie ihre Geschäfte führen.
Das ist tiefstes Mittelalter!
Wir sind aufs „Land“ gezogen…schon eigenartig, was hier unter Demokratie verstanden wird.
Änderungen ( und da müsste sich viel ändern!) werden mit Drohungen und Sachbeschädigungen quittiert.
Und wie beschrieben machen die „Sicherheitskräfte“ nichts.
Wenn ich nochmal jung wäre, würde ich das Land verlassen…ist nur die Frage wohin…
Das überlege ich mir im Augrnblick auch !! Die nächste mögliche Koalition wird Grün/Schwarz werden. Die Deutschen sind eben die perfekten Untertanen !! Ich würde das Elsass wählen.
Es geht nicht mehr ohne Haltung zu zeigen. Danke für den guten Bericht – danke fürs Haltung zeigen Fr. Petzold- Schick.
Ja, finde ich auch! Danke!
Problem sind nicht die Grünen, sondern Teile der Bevölkerung die mit komplexeren Zusammenhängen (Klimawandel etc) nichts anfangen können und sich daher lieber dem lauten Geschrei des Populismus zuwenden. Schwarz, Blau (Braun) es funktioniert leider… Es ist längst Zeit sich dagegen zu postionieren. Daher Danke auch an Frau Petzold-Schick.
Ein Satz zu den „Bauernprotesten“: Gut das sich niemand festgeklebt hat in Biberach….und ich hoffe man hat sich mit der Parteizugehörigkeit der Bundesminister*innen für Landwirtschaft seit 2005 mal genauer befasst….
Zu den Zusammenhängen gehört auch , dass Deutschland ein Fliegenschiss in der Welt ist 😉. In Afrika heißt es Wasser und Lebensmittel , in Asien und im Nahen Osten Wohlstand und Wachstum usw. !!! Klimawandel ist dort nur ein netter Werbegag …. Zu mal Europa und die USA mit ihrer Wirtschaft , genau den Klimawandel erheblich beeinflusst hat ! Das gehört auch zur Wahrheit …. Unser Wohlstand ist auf dieser Sache aufgebaut !
Nennen Sie mir ein Land in dem Politiker und Journalisten Freunde sind und ich sage ihnen das ist keine Demokratie !!!