“Was noch zu bekommen ist, wird täglich teurer” – Knappe Ressourcen und explodierende Preise machen vielen Kraichgauer Unternehmen zunehmend zu schaffen.
“Alles, einfach alles”. Das ist die knappe Antwort, die mir Kevin Oberst auf meine Frage, bei welchen Materialien es derzeit Probleme bei der Beschaffung gibt, geben kann. “Kabel, FI-Schalter, Schaltkästen, Steckdosen, Installationsmaterial… entweder haben es die Großhändler nicht mehr am Lager oder die Lieferzeiten werden mit “Unbekannt” angegeben. Was noch zu bekommen ist, wird täglich teurer”. Dass Kevin derzeit überhaupt noch arbeiten kann, verdankt er der eigenen Weitsicht. Schon im Januar, als sich die Ukraine-Krise ankündigte, kaufte er das Material für seine tägliche Arbeit als Elektriker auf Vorrat, füllte sein kleines Lager bis unters Dach. So ist er derzeit noch in der Lage, größere Baustellen wie beispielsweise einen Neubau auch reibungslos abwickeln zu können. Wenn die Vorräte aber einmal aufgebraucht sind, wird es eng. “Der Markt ist leergefegt, die Lieferzeiten sind endlos” weiß der Jungunternehmer aus Karlsdorf-Neuthard, ein Eindruck den ihm auch viele Kollegen und befreundete Firmen bestätigen. Das ist insofern auch ganz besonders ärgerlich, weil sein Auftragsbuch voll, die Liste der Anfragen endlos lang ist. “Es ist einfach Mist, wenn man zwar verfügbar ist, aber aufgrund von Materialmangel Baustellen immer wieder aufschieben und Auftraggeber vertrösten muss.” erläutert Kevin das Dilemma, das gerade viele Handwerker auch aus anderen Gewerken mit ihm teilen.
Auch die Firma Staudt aus Ubstadt-Weiher sieht sich in einer ähnlichen Zwickmühle. Zwar konnte das Unternehmen, das unter anderem Sanitär- und Heizungstechnik im Portfolio hat, vor der Krise die Lager so gut wie möglich füllen, doch die geradezu explodierende Anzahl an Anfragen wird auch diese Bestände irgendwann dezimiert haben. “Wir haben zwar über 120 Wärmepumpen im Vorfeld angeschafft, doch bei rund einhundert Anfragen pro Woche, geht dieser Vorrat auch zur Neige” berichtet Geschäftsführer Klaus Staudt im Hügelhelden-Interview. “Wer heute den Auftrag erteilt, kann frühestens 2023 mit der Ausführung rechnen”.
In gleich mehreren sensiblen Bereichen bemerkt auch die Bäckerei Thollembeek aus Bretten-Neibsheim die derzeitige Krise. Lieferengpässe, Lieferausfälle, steigende Rohstoffpreise und massiv gestiegene Energiekosten bereiten dem Familienbetrieb zunehmend Sorgen. “Wir spüren es fast überall” erzählt uns Marc Thollembeek. Zwar werden Rohstoffe als Grundbedarf der Bäckerei, wie beispielsweise das benötigte Mehl in absehbarer Zeit nicht knapp, aber auch die lokalen Erzeuger richten ihre Preise dabei natürlich am Weltmarkt aus. Dieser ist in heller Aufruhr, um es einmal vorsichtig zu formulieren. “Unsere Strategie möglichst alles aus der Region zu beziehen, kommt uns hier zugute, doch das geht eben nicht bei allem” erläutert Marc Thollembeek. Sein Unternehmen, das er zusammen mit seiner Frau Annika vor recht genau fünf Jahren vom Brettener Bäcker Hermann Gerweck übernommen hat, sieht sich in fast allen Bereichen großen Kostensteigerungen ausgesetzt. Allein die gestiegenen Energiepreise wiegen bei einem Verbrauch im sechsstelligen Kilowattstunden-Bereich bereits schwer, doch auch der Weizenpreis ist innerhalb von nur zwei Jahren um etwa 100% nach oben geschossen. An die ebenfalls durch die steigenden Lebenshaltungskosten belastete Kundschaft, lassen sich diese Preissteigerungen nicht einfach so weiterreichen, das wissen die Thollembeeks genau. “Der Kunde kann nicht bei Diesel oder Heizöl sparen, bei Brot aber schon” weiß Marc und fängt daher den Löwenanteil der gestiegenen Preise durch Rücklagen des Unternehmens auf.
Viele Verbraucher ändern ihr Einkaufsverhalten ohnedies schon längst, greifen zunehmend auf günstigere Produkte der Discounter zurück. Erzeuger von Erdbeeren oder Spargelbauern in der Region bleiben daher in diesem Sommer teilweise auf ihren Produkten sitzen, müssen diese sogar tonnenweise vernichten. So ärgerlich das auch ist, so wenig kann man es den Menschen verdenken. Wenn der Gürtel enger gezogen werden muss, müssen Kompromisse geschlossen werden, das bleibt bei knapper Haushaltslage naturgemäß nicht aus.
Zahlreiche Unternehmen im Kraichgau laufen daher derzeit bereits auf Reserve, müssen Rücklagen einsetzen um sich über Wasser zu halten. Zudem laufen viele Lager gerade leer, wann sie wieder gefüllt werden können, steht derzeit in den Sternen. Das Wenige, das verfügbar ist, wird zweifelsohne weiter für steigende Preise sorgen. Dabei spielt es keine Rolle ob es sich um einen Einkauf im Supermarkt oder die Beauftragung eines Handwerkers handelt. Die Krise in der Ukraine ist dabei nur eine Ursache. Auch unterbrochene Lieferketten, aber auch ein Stück weit Spekulationen am Markt müssen in die Betrachtung mit einbezogen werden, ist sich Marc Thollembeek sicher. “Die Großen haben einen etwas längeren Atem, langfristigere Verträge und Ressourcen, die Kleineren spüren die Auswirkungen aber bereits jetzt vollumfänglich.” Wir wollen von Kevin Oberst daher abschließend wissen, wie lange er so noch weiter arbeiten kann? “Irgendwie muss es weitergehen, sonst kann bald keiner mehr schaffen” entgegnet er. “Jeder bemerkt den Mangel, die Kleinen früher, die Großen später”.