Vor 60 Jahren drehte sich das Mühlrad der Eppinger Raußmühle nach fast sieben Jahrhunderten zum letzten Mal – seither steht die alte Mühle still. Geht es nach ihrem heutigen Besitzer Frank Dähling, soll sich das aber wieder ändern.
Die alte Eppinger Raußmühle ist ein besonderer Ort. Ein Ort an dem unzählige Menschen über viele Generationen wirkten und walteten, an dem sich Lebenslinien kreuzten, ein Ort der Not und Freude, Entbehrung und Verheißung, Aufstieg und Fall durchlebt hat. Vor allem aber, ist es ein Ort der Geschichten. Jeder eingeritzte Buchstabe in den Sandsteinen, jeder mächtige Eichenbalken, jede Ecke und jeder Winkel erzählen ihre eigene Geschichte. Der heutige Raußmüller Frank Dähling kennt sie alle und weiß jede davon mit einem Leuchten in den Augen zu erzählen, das viel über seine Verbundenheit mit diesem Ort offenbart.
Nicht minder interessant ist seine eigene Geschichte. Vor fast 50 Jahren kam Frank Dähling Mitte der 70er nach Eppingen. Als Kind der 68er Bewegung strebte er mit dem Kommunistischen Bund Westdeutschland die gesellschaftliche Revolution und die Abkehr vom Kapitalismus an. Zuvor war er Teil der aktiven Studentenbewegung, nahm an Hausbesetzungen teil und brachte so nicht nur die Staatsmacht gegen sich auf. Diese wilden Tage liegen mittlerweile lange zurück, den KBW gibt es nicht mehr, die Revolution verlief im Sand der Zeit. Frank Dähling aber ist immer noch ein Kämpfer, nur seine Ziele hatte er zwischenzeitlich neu gesteckt. Auf seinem Banner stehen nun ökologisch nachhaltiges Wirtschaften, die Rückbesinnung auf natürliche Prozesse und ein Leben im Einklang mit der Natur. Zumindest hier an seinem Wirkungsort, in und um die alte Raußmühle, ist seine Vision längst Wirklichkeit geworden. Auf dem Hof mit dem buckligen Kopfsteinpflaster stolzieren Hähne und Hühner umher, auf der Wiese nahe der Elsenz stehen Schafe, überall wachsen, seltene, von Frank Dähling eigens gepflanzte Bäume und Zeugnisse der technischen Moderne sucht man hier weitestgehend vergebens.
Wobei, beeindruckende Technik findet sich auch in der Raußmühle. Die Mechanik der alten Mahlgänge, mitsamt ihren horizontalen und vertikalen Zahnrädern, ihren Riemenübersetzungen, ihren Aufzügen und ihrer komplexen Wirkweise, sind Zeugnisse einer beeindruckenden Ingenieurskunst längst vergangener Tage. Allein durch die kinetische Energie des Wassers, wurden in der Raußmühle eine ganze Armada technischer Prozesse und Abläufe unterhalten und in Bewegung gehalten. Doch obwohl diese Anlagen gepflegt, restauriert und in bestem Zustand erhalten wurden, ist das Klappern des Mühlrades schon vor Jahrzehnten verklungen. 1958 setzte die Obrigkeit per Verfügung das Wasserrecht der Raußmühle außer Kraft und leitete den Flusslauf um – nach fast 700 Jahren stand die Mühle erstmals still.
Dieser Stillstand ist Frank Dähling von jeher bereits ein Dorn im Auge – er will sich mit dem Los seiner Raußmühle nicht abfinden und plant daher die Rückkehr des alten Mädchens. Gemeinsam mit den 152 Mitgliedern des Fördervereins der Raußmühle will er in einem personellen und finanziellen Kraftakt zunächst ein neues Mühlrad konstruieren – nach alter Maßgabe aus Robinie und Esche, das Lager aus Apfelbaum. Zusammen mit dem bereits zu großen Teilen sanierten und rekonstruierten Mühlkanal, soll so das technische Rückgrat der Raußmühle neu errichtet werden. Damit die Mühle wie in dem alten Volkslied wieder am rauschenden Bach klappern kann, fehlt allerdings noch ein zentrales und unabdingbares Element. Ohne Wasser wird es nichts mit dem Rauschen und Klappern und deshalb steht Frank Dähling bereits seit längerer Zeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden. Da deren Mühlen bekanntlich langsam mahlen, ist Frank Dählings Begehren eher ein Marathon als ein Sprint. Um die alte Raußmühle wieder mit Leben zu füllen, müsste ein Teil des Wassers der nahen Elsenz über den alten Bypass des Mühlkanal geleitet werden und das in ausreichender Menge, um genügend Energie für den Antrieb des Mühlrades aufzubringen.
Um alle Maschinen zum Laufen zu bringen, bräuchte es mindestens 220 Liter Wasser pro Sekunde – in Zeiten sinkender Pegelstände und Wasserknappheit ein absolut illusorisches Unterfangen. Frank Dähling wäre auch mit weit weniger zufrieden, ein Minimalkonsens wären 15 Liter pro Sekunde. Damit ließe sich zumindest das Mühlrad selbst antreiben, nicht aber die komplexe Maschinerie im Inneren der Mühle, die früher einmal für die Produktion von rund zwei Tonnen Mehl am Tag sorgte.
Laut Frank Dähling ist ein solcher Konsens zwar in der Diskussion, jedoch noch nicht in trockenen Tüchern. Doch wer den Raußmüller, seine Beharrlichkeit und sein Sitzfleisch kennt, der weiß – auch dieses gesteckte Ziel wird Frank Dähling eines Tages erreichen. Für welche Gänsehaut muss dieser ehrfurchtgebietende Moment sorgen, wenn das erste Mal seit so vielen Jahren wieder Wasser in den alten Mühlkanal strömt und das mächtige Mühlrad der Raußmühle in Bewegung setzt? Wir werden diese Geschichte in jedem Fall begleiten und regelmäßig in bewegten Bildern davon erzählen.