Große Herzen gegen große Not

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Gemeinsam greift die Blaulicht-Familie einer vom Hochwasser schwer getroffenen Familie in Heidelsheim unter die Arme

So verheerend die Flutkatastrophe entlang des Saalbachs in Gondelsheim, Helmsheim, Heidelsheim und Bruchsal auch gewesen sein mag, hat sie doch eines eindrücklich unter Beweis gestellt: Mitgefühl, Aufopferung, Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft sind in unserer kleinen Ecke der Welt keine Theorie, sondern wahre und gelebte Wirklichkeit.

von Stephan Gilliar

Es ist kein leichter Sommer für die Familie Krause aus Heidelsheim… nein, wahrlich nicht. Irgendwie kommt gerade alles zusammen. Papa Sven kann nach einem Bandscheibenvorfall kaum noch arbeiten, das Familienauto geht kaputt und mitten in all dem Trubel kommt Anfang August dann noch der kleine Adrijan auf die Welt. So wunderbar die Geburt ihres zweiten Kindes auch sein mag, für Mama Dragana bedeutet sie natürlich auch schlaflose Nächte, Einsatz und Nerven, die ein solches Ereignis eben mit sich bringt. Um über die Runden zu kommen, muss die junge Familie von jeher alles geben. Beide Elternteile haben zusätzlich zu ihren festen Arbeitsstellen als Altenpflegerin und LKW-Fahrer noch Minijobs. Dragana arbeitet bei einem Immobilienbüro in Bretten, Sven putzt in einer Kindertagesstätte. Es ist eine jener Konstellationen, wie sie einem reichen Land wie Deutschland eigentlich unwürdig ist… Zwei Elternteile, deren gemeinsames Einkommen kaum für den Haushalt ausreicht, sodass beide zusätzlich arbeiten gehen müssen und jeden Tag mit ihren Verpflichtungen für die Familie jonglieren müssen.

Ein Zimmer der Krauses, an der Wand noch die Dekoration zum ersten Geburtstag der kleinen Tochter Antonija. Bild: Privat

Ihr Zuhause hat die Familie Krause in Heidelsheim, eine kleine Doppelhaushälfte unweit des Saalbachs. Eine kleine Küche und ein Wohnzimmer im Erdgeschoss, das Elternschlafzimmer und das Kinderzimmer darüber. Als das Wasser des sonst so friedlichen Bachs am Abend des 13. August immer weiter steigt, verlassen Dragana und Sven mit ihren beiden kleinen Kindern ihr Heim, als die Flut schon an ihrer Türschwelle brandet. Von Draganas Elternhaus aus müssen sie miterleben, wie der Pegel in ihrem Heimatdorf immer weiter steigt, das Wasser in ihr Haus eindringt und es fast anderthalb Meter hoch unter Wasser setzt. Große Teile ihres Hab und Guts werden durch die Überschwemmung zerstört. Die gesamte Einrichtung des Erdgeschosses und alles, was die Krauses dort aufbewahrt haben, versinkt in einer trüben Brühe aus Schlick und Schlamm, auch wertvolle Erinnerungen wie die Fotoalben der Familie.

Nichts als Trümmer nach dem Rückzug des Wassers. Bild: Privat

Als das Wasser sich in den kommenden Tagen zurückgezogen hat, stehen Sven, Dragana, ihre 18 Monate alte Tochter Antonija und ihr kleiner Sohn Adrijan vor einem Scherbenhaufen. Verzweiflung – etwas anderes kann man in einer solchen Lage wohl kaum empfinden.

Alle packen mit an… Bild: Harald Wiedemann

Doch dann geschieht etwas Unglaubliches: Eine Welle an Hilfsbereitschaft und Solidarität umhüllt die junge Familie. Innerhalb kürzester Zeit organisiert Ortsvorsteher Uwe Freidinger eine vorübergehende Mietwohnung für die vier, sorgt dafür, dass sie auch weiterhin in Heidelsheim leben können, bis ihr Haus wieder instand gesetzt ist. Doch damit nicht genug. Als Harald Wiedemann, der sich bereits nach der Flutkatastrophe im Ahrtal um die Wiederherstellung der Wärmeversorgung in unzähligen Haushalten gekümmert hat, von der Lage der Krauses erfährt, zögert er nicht lange und organisiert über die von ihm gegründete Gruppe einen Hilfeaufruf.

Innerhalb kürzester Zeit finden sich zahlreiche Spender, die die Krauses mit einem im Grunde kompletten Hausstand ausstatten. Ein anonymer Spender aus Kraichtal steuert gar eine komplette Wohnungsausstattung bei. Um diese am Wochenende abzubauen und nach Heidelsheim zu transportieren, melden sich zwei Dutzend Freiwillige, fast allesamt Mitglieder der Blaulicht-Familie. Seite an Seite packen so 25 Helferinnen und Helfer der Freiwilligen Feuerwehr Kraichtal und der Freiwilligen Feuerwehr Karlsruhe an, bauen die Küche in Landshausen ab, verladen sie in mehrere Gerätewagen Logistik und transportieren sie nach Heidelsheim. Sogar Kraichtals Bürgermeister Tobias Borho, selbst Mitglied der Feuerwehr, hilft am Samstag bei der Hauruck-Aktion. Unterstützt werden die Helferinnen und Helfer mit einem Mittagessen, bereitgestellt durch die Metzgerei Fessler aus Odenheim und das Zeltcafé der Familie Heitlinger aus Kraichtal.

„Es war einfach der Wahnsinn, ich wusste zwar, dass die Blaulicht-Familie zusammenhält, aber als dann ganz viele Menschen, die uns teilweise gar nicht kannten, einfach so geholfen haben, das war einfach der Wahnsinn“, erzählt Dragana sichtlich ergriffen, deren Vater auch Mitglied in der Heidelsheimer Feuerwehr war. „Es war ein ehrenamtlicher Einsatz, alle haben freiwillig und umsonst mitgeholfen, einer ist sogar früher aus dem Urlaub zurückgekommen, um dabei sein zu können“, erzählt Berufsfeuerwehrmann Harald Wiedemann und ist stolz auf die gute Kameradschaft innerhalb der Feuerwehr. Auch in Zukunft möchte er die Familie Krause weiterhin unterstützen und ihr unter die Arme greifen, denn Hilfe brauchen die vier Heimatlosen auch weiterhin.

Ein gemeinsames Gruppenbild zum Schluss – Bild: Harald Wiedemann

„Wir hoffen so, dass wir am Geburtstag der Kleinen Anfang Februar wieder zurück in unser Haus ziehen können, aber das ist jetzt noch alles andere als sicher“, erzählt Dragana, sichtlich mitgenommen von den Belastungen der zurückliegenden Wochen. Den Helferinnen und Helfern sind sie und ihr Mann Sven aber unendlich dankbar; die hier geschlossenen Freundschaften, insbesondere die zu Harald, werden auch dann noch Bestand haben, wenn der letzte Tropfen Wasser in ihrem Heim getrocknet ist.

Weiterführende Links zum Thema

Link zu Spendenaktion zugunsten Familie Krause auf gofundme

Link zu Haralds Gruppe auf Facebook

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2 Gedanken zu „Große Herzen gegen große Not“

  1. DANKE sehr für den Artikel über die Familie aus Heidelsheim. Es zeigt, was ALLES möglich ist !!! Allerdings Deutschland ist schon KEIN reiches Land mehr, denn viele ältere Menschen sammeln Pfandflaschen aus dem Müll. Hier geht es geht um nacktes überleben.

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