Am wilden Fluss der Träume

Die Gertelbachfälle in Bühlertal sind ein Ort voller Mystik und Magie

Über 120 Jahre alt ist das kolorierte Foto, das eine Gruppe von Männern und Frauen auf der hölzernen Brücke über dem rasenden Wasser der Gertelbachfälle zeigt. Erstarrt in der Zeit blicken Sie in ihren langen Röcken und den strengen Einreihern hinunter in die Schlucht, in die das Wasser aus über 200 Metern Höhe in die Tiefe stürzt. Dieser besondere Ort zieht schon seit unerdenklich langer Zeit Menschen an, losgelöst von jedweder Epoche und Zeit, die Naturgewalten zu fesseln und in ihren Bann zu ziehen. Bereits 1889 erkannten der “Verschönerungsverein Bühl” und die Badische Forstverwaltung das touristische Potenzial dieser Naturgewalt und erschlossen einen Pfad entlang der Fälle und quer durch die Gertelbachschlucht. Unter großer Gefahr und in mühevoller Handarbeit wurden hunderte steinerne Stufen in die Felsen rechts und links des rauschenden Wassers gehauen, eben jene auf denen auch heute noch tagtäglich unzählige Wanderer dieses Spektakel erleben und erfahren wollen.

Wer die Gertelbachfälle das erste Mal sieht, dem verschlägt es schlicht und einfach die Sprache. Man kann sich diese imposante und wilde Schönheit kaum ausmalen, jede Beschreibung und jede Fotografie spottet ihre tatsächlichen Faszination. Man muss es erlebt haben, man muss diese steinernen Stufen einmal selbst erklommen haben. Sie führen vorbei an kaskadenartigen Wasserfällen, an gluckernden Seitenarmen des Baches, an moosgesäumten, riesigen Felsen und Waldlichtungen, die aussehen als wären sie einem alte UFA-Märchenfilm entsprungen. Obwohl der Weg teilweise steil, ja schon fast senkrecht nach oben führt, sind Geist und Seele derart mit Staunen beschäftigt, dass die körperlichen Anstrengungen nur am Rande der Wahrnehmung in Erscheinung treten. Die Natur offenbart sich hier in einer Intensität, in einer Wucht und in einer insistierenden Schönheit, dass es kaum zu ertragen ist. Gerade dann, wenn man denkt, es kann nun unmöglich noch schöner werden, erreicht man das obere Ende der Fälle und betritt eine steinerne Aussichtsplattform auf dem Wiedenfelsen, die den Blick über Bühlertal und unendlich weiter hinein in die Ebene freigibt. Es ist ein magischer, ein mystischer Moment. Unter ihnen rauschen die Fälle, vor ihnen öffnet sich das Land bis zum Horizont, in ihnen strömen Glücksgefühle und unbändige Freude.

Das klingt für sie überzogen und über alle Maßen kitschig? Nun, dann haben sie die Gertelbachfälle noch nicht selbst erleben dürfen. Ein Versäumnis, dem sie dringend mit Abhilfe begegnen sollten. Unser Tipp: Wählen Sie für Ihre Wanderung entlang der Fälle die frühen, sommerlichen Morgenstunden, dann wenn das Wasser in der Kälte des beginnenden Tages noch etwas dampft, dann wenn die ersten Strahlen der Morgensonne die weiße Gischt zum Leuchten bringen. Um diese Uhrzeit ergattern Sie bestimmt auch noch einen der begehrten Stellplätze, die den Beginn des Gertelbach-Rundweges markieren. Sie finden ihn am Ortsausgang von Bühlertal in Richtung der Schwarzwaldhochstraße, alternativ gibt es hier auch eine Haltestelle der Linie 263 auf der Route Bühl-Bühlertal-Ottersweier. Von hier aus führt sie der Rundweg entlang der gesamten Pracht der Fälle, folgen Sie dafür dem weißen bzw. dem gelben kreisförmigen Symbol.

Knapp 9 Kilometer lang ist diese schöne Route . Wenn Sie sich Zeit nehmen, unterwegs auch ein paar Pausen einplanen, werden Sie dafür etwa 3-4 Stunden benötigen. Rund 400 m Höhe sind zu bewältigen, zudem führt der Pfad über zahlreiche nasse Felsen und dicht entlang des Wassers – Kinderwagen, Rollatoren und Co. haben hier natürlich keine Möglichkeit zu passieren. Es ist nicht die anstrengendste Route, die der Nordschwarzwald parat hält, aber sicher auch nicht die einfachste, sie sollten also in jedem Fall gut zu Fuß sein. Doch auch wenn die Strecke hier und da etwas anstrengend erscheinen mag – es lohnt sich – das herrliche Erlebnis zahlt Ihnen jede Mühe dutzendfach zurück. Verpflegung müssen Sie übrigens nicht zwangsläufig mit sich die Fälle hinauf tragen, auf halber Höhe gibt es eine kleine Vesperstation, an der Sie gekühlte Getränke für schon einen fast symbolisch anmutenden Preis über die Vertrauenskasse erwerben können.

Zu guter Letzt unsere immer wiederkehrende und dringliche Bitte: Begegnen Sie diesem Ort, dieser Route und der Natur mit allem gebotenen Respekt. Hinterlassen Sie die Strecke so, wie Sie sie vorfinden möchten und lassen Sie gegenüber diesem uralten Ort und seiner wilden Schönheit Demut walten. Wir wünschen Ihnen eine unvergessliche Erfahrung.