Echte Handarbeit aus dem Gefängnis
Gerd und Michael arbeiten in der Arbeitstherapie der JVA Bruchsal. Auf dem Adventsmarkt am Schloss bieten Sie nun die vielen kleinen Einzelstücke, handgemacht von den Gefangenen, zum Kauf an
von Stephan Gilliar
Weit haben die beiden es nicht von ihrem Arbeitsplatz zum Ehrenhof des Bruchsaler Schlosses. Von ihrem kleinen weißen Zelt aus können Sie den Turm im Zentrum des Café Achtecks fast sehen, zumindest wenn Sie den Kopf etwas strecken. In der Ecke läuft ein kleiner Heizofen, versucht erfolglos die Kälte dieses Dezembertages aus der kleinen Bude zu vertreiben. Erfolglos, aber für das gelegentliche Händeaufwärmen reicht es. Dazu kommen Michael und Gerd aber ohnehin kaum, in dem kleinen Pagodenzelt geht es zu wie in einem Taubenschlag. Ständig kommen neue interessierte Marktbesucher, um die vielen kleinen handgemachten Einzelstücke aus der Arbeitstherapie der JVA Bruchsal in Augenschein zu nehmen.
Es ist ein buntes Sammelsurium, dass die beiden Therapeuten hier auf den Tischen aufgestellt haben. Geschnitzte Weihnachtsmänner, Schlüsselanhänger, Insektenhotels, Trinkschalen für Haustiere, Kerzenständer, Engelsskulpturen, Laternen, Stoffpuppen, Stamperl-Ständer und Fensterbilder. Das Besondere: All diese Objekte kommen aus den Werkstätten der Arbeitstherapie, werden von Gefangenen in der JVA Bruchsal in Handarbeit hergestellt. Die Arbeit hier ist wie jede andere Arbeit in den Mauern der Vollzugsanstalt Teil des Bemühens um Resozialisierung, die Arbeitstherapie fällt aber eine ganz besondere Bedeutung zu. So werden hier nicht nur mit einem integrativen Ansatz Menschen mit körperlicher und geistiger Beeinträchtigung beschäftigt, sondern auch die verborgenen Talente der Inhaftierten gesucht, manchmal gefunden und so gut es geht gefördert.
Man könnte sagen, Michael und Gerd sind die Talentscouts der JVA. Durch ihre langjährige Erfahrung haben Sie zwischenzeitlich oft ein Gefühl dafür, welche Fähigkeiten in einem Menschen versteckt schlummern. “Wenn sie zu uns kommen, wissen sie manchmal gar nicht, was sie selbst können, manche haben in ihrem Leben noch nie richtig gearbeitet“, erzählt Gerd. Die Gefangenen haben dann die Möglichkeit, sich in mehreren handwerklichen Richtungen auszuprobieren. Dazu gehören beispielsweise die Holzbearbeitung, die Malerei, das Arbeiten mit Speckstein, mit Stoffen oder mit Blech. Es ist ein schönes Gefühl zu erleben, wie manche auf diese Art und Weise das erste Mal in ihrem Leben eine Art von Selbstwirksamkeit erfahren, entdecken wie es sich anfühlt, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen, erzählt Gerd. Das klappt natürlich nicht immer, doch in den Fällen, in denen es klappt, wurde aus einer Begabung am Ende oft sogar ein Beruf, samt entsprechender Berufsausbildung in den Werkstätten des VAW (Vollzugliches Arbeitswesen)
Wir lassen den Gefangenen so viel kreative Freiheit wie möglich, um herauszufinden, was ihre Begabung ist, was ihnen liegt, erzählt Michael und berichtet von einem Fall, in dem ein Häftling es lange vorgezogen hat den ganzen Tag auf seiner Zelle zu bleiben, jede Arbeit verweigerte. Irgendwann hat er es dann doch einmal ausprobiert und wollte am Ende überhaupt nicht mehr damit aufhören. “Es ist ein schönes Gefühl, wenn etwas hängen bleibt, wenn etwas funktioniert”, weiß Michael durch seine langjährige Erfahrung in der Arbeitstherapie. Diese Erfolgserlebnisse sind auch für die Therapeuten wichtig, zeigen Sie ihnen doch, dass sie auf dem richtigen Weg, auf dem richtigen Kurs sind. Sie geben sich keiner Illusion hin, alle werden sie mit ihrem Angebot nie erreichen, aber manche eben schon und das macht den Job in den Werkstätten der JVA Bruchsal so spannend und oft auch erfüllend.
Mehrere Monate bleiben die Gefangenen in der Regel in der Arbeitstherapie, genug Zeit um eine Beziehung aufzubauen, um ein Gefühl für den Menschen und seine Fähigkeiten zu erhalten. Danach geht es meist weiter in einen der vielen Betriebe des VAW. Hinter den Mauern der JVA gibt es Werkstätten aller Arten. Zum Beispiel eine Schreinerei, eine Druckerei, eine Polsterei, eine Metallwerkstatt und vieles mehr. Die hier hergestellten Produkte können über den Onlineshop des VAW, über den Verkaufsraum in der Söternstraße oder eben auch zu besonderen Anlässen wie dem Adventsmarkt im Ehrenhof des Bruchsaler Schlosses von jedermann erworben werden. Das Geld kommt der Arbeit mit den Gefangenen zugute, fließt in ihre Ausbildung und in ihre Löhne. Wer hier kauft, unterstützt aktiv das Konzept der Resozialisierung im baden-württembergischen Strafvollzug – ein System, das keineswegs frei von Fehlern ist, aber dennoch alles daran setzt, um auch vermeintlich hoffnungslosen Fällen eine zweite Chance zu gewähren. Ein Gedanke, dem vielleicht gerade jetzt zur Weihnachtszeit eine gewisse Bedeutung zufällt.
Wer Lust hat, sich die vielen kleinen Unikate und Handwerksarbeiten aus der Arbeitstherapie des VAW Bruchsal anzuschauen, findet ihren Stand auf dem Adventsmarkt im Ehrenhof des Bruchsaler Schlosses – gleich links neben dem Torhaus. Gerd und Michael würden sich über Ihren Besuch bestimmt sehr freuen.
Wir haben schon des öfteren Polsterarbeiten in der JV A machen lassen und sind vollstens zufrieden. Auch die Holzfiguren sind gut bei den Beschenkten angekommen.