Weit mehr als eine Drittel Milliarde will der Landkreis Karlsruhe in den Neubau des Landratsamtes investieren – Ein Gesamtpaket das alles umfasst – bis auf ein Quäntchen Demut
Eine Meinung von Stephan Gilliar
Das alte Landratsamt an der Kriegsstraße ist in die Jahre gekommen, die Reste des Hochhauses des ehemaligen Badenwerks geben ein trauriges Bild ab. Viele Fenster sind längst stumpf und blind vom Zahn der Zeit, an manchen Stellen wurden sie provisorisch mit Sperrholz geflickt. Gebaut wurde es Anfang der 60er Jahre im sogenannten “Internationalen Stil”, so wie beispielsweise auch das Hauptgebäude der Vereinten Nationen in New York. Für die Ewigkeit hat man damals nicht geplant – in den Nachkriegsjahren ging es eher darum, die zahlreichen Baulücken zu schließen, mehr auf Funktion als auf Ästhetik zu setzen. Nichtsdestotrotz ist das alte Badenwerk ein Monument seiner Zeit, nach seiner Inbetriebnahme galt es lange als ikonisches Stilelement im Karlsruhe der 60er.
Doch alles hat seine Zeit, bekanntlich währt nichts ewig. Das alte Gebäude ist in die Jahre gekommen, der Sanierungsstau wurde größer und größer, eine Instandsetzung lohnt sich schlicht nicht mehr und wäre angesichts der Kosten auch kaum vertretbar. Dass das darin seit 1998 beheimatete Landratsamt eine neue Bleibe braucht, steht daher auch gar nicht in Abrede. Die Notwendigkeit eines Neubaus ist weitestgehend Konsens. Dessen Dimensionen allerdings lassen durchaus Spielraum für leidenschaftliche Diskussionen, denn der Landkreis veranschlagt für den an selber Stelle zu errichtenden Neubau die immense Summe von 390 Millionen Euro. Ursprünglich sollten sowohl die Kosten als auch die Dimensionen des Gebäudes deutlich geringer ausfallen, doch die überarbeiteten Planungen der vergangenen Monate haben Größe und Budget und das Drei- bis Vierfache anschwellen lassen.
390 Millionen Euro hören sich nicht nur nach sehr viel an, sie sind es auch. Mit einer solchen Summe zu arbeiten braucht in Zeiten der Unsicherheit und der Kostensteigerung an allen Ecken und Enden viel Mut oder – je nach Perspektive – auch eine Portion Unverfrorenheit. Geht etwas schief, laufen die Kosten aus dem Ruder oder ergeben sich sonstige unvorhergesehene Faktoren, wird die Finanzierung zu einer ernsten Herausforderungen für den Kreishaushalt und die Städte und Kommunen, die mit ihrer Umlage für selbigen gerade stehen. Trotz dieser mit einem großen und nebulösen X zu versehenenden Möglichkeiten, hat der Kreistag in Graben-Neudorf jüngst mit großer Mehrheit grünes Licht für den Neubau des Landratsamtes gegeben. 61 mal Ja, 11 mal Nein und 5 Enthaltungen für 63.000 Quadratmeter in bester Karlsruher Innenstadtlage. Die Mehrheit hat gesprochen, that´s democracy.
Nahezu alle Fraktionen stimmten dafür, mit Ausnahme der SPD. Zu hoch seien die mit dem Bau verbundenen Risiken für den Finanzhaushalt und damit für die zukünftige Leistungsfähigkeit der Kommunen, befürchtet Markus Rupp, Fraktionsvorsitzender der SPD im Kreistag. “Und das alles vor dem Hintergrund einer sich immer weiter verschlechternden Wirtschaftslage“, betont Rupp. Hohe Inflation, schrumpfende Wirtschaft, stark steigende Ausgaben der Kommunen – so präsentiere sich die Situation aktuell. Und der Ausblick sei noch weitaus düsterer: „Natürlich hat das Auswirkungen auf die kommunalen Finanzen. Geht es der Wirtschaft schlecht, geht es den Kommunen schlecht, weil die Einnahmen sinken“, so Rupp
Sollten die Baukosten steigen, bliebe im Grunde nur noch die Kreisumlage zu erhöhen, was sich wiederum entscheidend auf die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen auswirken würde. „….Müssen wir dann kleinlaut unseren Gemeinderäten, unserer Bevölkerung erklären: Tut uns sehr leid, aber wir bauen derzeit am neuen Landratsamt mit. Schule sanieren geht nicht!?” fragt Rupp daher bewusst provokant, um die möglichen Folgen eines unvorhergesehenen Preisanstieges vor Augen zu führen.
Zwar hat der Landkreis in der Gesamtsumme bereits ein Polster für solche Eventualitäten in Höhe von 40 Millionen Euro einkalkuliert, doch würde dies nur einen Preisanstieg von etwa 10% abdecken. Um dies in Relation zu setzen, möge man sich hier ein wörtliches Zitat der Deutschen Bauindustrie vor Augen führen. “Im Jahresdurchschnitt 2022 hat der Preis für Bauleistungen des Bauhauptgewerbes – nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (ohne MwSt.) – um 16,7 % zugelegt, nach einem Plus von 7,5 % 2021 und 2,4 % 2020. Solche Preissteigerungen gab es letztmalig 1970.” Verbunden mit den aktuellen Konjunkturaussichten ergibt sich also nicht gerade das, was man als stabile Rahmenbedingungen für ein solches Mammutprojekt bezeichnen könnte.
Völlig klar, das neue Landratsamt wird einen echten Augenschmaus und ein optisches Highlight in der Karlsruhe Innenstadt schaffen, dort wo bisher der zunehmend zum Schandfleck mutierende Altbau in den Himmel ragt. Erneut errichtet als Langbau mit angeschlossenem, stolzen 90 Metern Höhe und 24 Stockwerken umfassendem Hochhaus, soll hier auch Raum für Wohnungen, Gewerbe, Gastronomie und Grünflächen entstehen. Das ganze schön gestaltet mit viel Glas, viel Grün und errichtet in innovativer Holz-Hybrid-Konstruktion.
Doch bei aller Euphorie, muss man sich vielleicht doch die Frage stellen: Braucht es das alles? So schön es auch sein mag, es ist nicht Kernaufgabe des Landkreises, hier ein schickes neues Stadtviertel zu erschaffen, sondern ein funktionales und leistungsfähiges Dienstleistungsgebäude für die Menschen im Landkreis zu errichten. Dafür muss man im Grunde weder besonders riesig, noch besonders zentral oder besonders ästhetisch bauen – es geht vielmehr darum einen Ort zu erschaffen, an dem die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger des Landkreises bestmöglich und effizient bearbeitet werden. Denn letztlich ist es ihr Geld, das hier eingesetzt, verwaltet und – je nach Perspektive – auch ein Stück weit aufs Spiel gesetzt wird.
So schön die hier entstehende, lichtdurchflutete, begrünte und gläserne Fassade dem neuen Landratsamt auch zu Gesicht stehen wird – etwas Demut dazu wäre sicher nicht gänzlich verkehrt.
Info: Mehr zum Bauprojekt finden Sie unter folgendem Link: https://bauprojekt.landkreis-karlsruhe.de
90 Stockwerke? Bisher 19 Stockwerke?
Danke für den Hinweis, unser Fehler. Haben wir im Text korrigiert. Es sind 90 Meter in der Höhe und 24 Stockwerke
Ja, gebt nur unser Geld in vollen Zügen aus. Kann man ja wieder einsparen, z.B. in den Dörfern des Kraichgaus.
Das Badenwerk ist damals nicht umsonst da ausgezogen.
Vieles war da schon Schrott an der Bude…aber für die öffentliche Hand hat’s noch gereicht.
Da wünscht man sich, dass der Bund der Steuerzahler und der Bundesrechnungshof bei dieser schwindelerregenden Summe vor dem Bau mit einbezogen werden. Vor allem wenn es sich anscheinend mal wieder um ein Prestigeobjekt handelt, während das Geld an anderen, wirklich wichtigen Stellen fehlt. Wer weiß, wer sich da mal wieder ein Denkmal setzen möchte. Der Bürger bestimmt nicht.