Wirbel um Quarantäne-Anordnung für Bruchsaler Grundschulkinder

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Heftige Kritik nach Behördenschreiben – Landratsamt versucht Wogen zu glätten

Die Turbulenzen nach einem Corona-Verdachtsfall an einer Bruchsaler Grundschule im Juli haben nun für ein bundesweites Medienecho gesorgt. Nach einem ersten Bericht der Neuen Westfälischen haben mehrere Medien, darunter auch die Bild-Zeitung, die Berichterstattung über diesen Fall aufgegriffen.

Doch was ist geschehen? Nachdem im Juli bei einer Lehrkraft an der Grundschule ein Corona-Test positiv ausfiel, wurden mehrere Schulkinder als direkte Kontaktpersonen vom Gesundheitsamt Karlsruhe unter Quarantäne gestellt. So weit, so normal, doch offenbar hatte es das entsprechende Schreiben der Stadt Bruchsal an die Eltern der betroffenen Kindern in sich. Laut besagten Medienberichten sollten die Kinder demnach mitunter innerhalb der Familie räumlich isoliert werden. Im Falle einer Nichtbeachtung der Anordnung könne das Kind auch “zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert werden”.


UPDATE: Ein ähnliches Schreiben wurde offenbar auch vom Gesundheitsamt des Kreises Offenbach in einem anderen Fall verschickt.

UPDATE: Unserer Redaktion liegen mittlerweile zwei Kopien des Bruchsaler Schreibens aus unterschiedlichen Quellen vor. Unsere Einschätzung: Teilweise sind die im Netz kursierenden, vermeintlichen Zitate daraus nicht zutreffend, andere Passagen wiederum finden sich tatsächlich in dem Schriftstück wieder. Die verwendete, formaljuristisch korrekte – dennoch aber augenfällig schroffe Wortwahl, lässt sich leicht über- oder fehlinterpretieren.


Die ersten Reaktionen auf die Berichterstattung fielen erwartungsgemäß hart aus. So wird der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes Hilgers in einer Presseerklärung mit den Worten zitiert: “Die Situation der Quarantäne ist für Familien, insbesondere Kinder ohnehin belastend. Kinder in dieser Phase von ihren Eltern und Geschwistern zu isolieren ist eine Form psychischer Gewalt”. Nicht minder drastisch äußerte sich Diane Siegloch von der Initiative „Familien in der Krise“ laut Stuttgarter Zeitung gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag und bezeichnete das Vorgehen mitunter als „eine seelische Grausamkeit“.

Am Nachmittag reagierte nun der Landkreis Karlsruhe auf die Berichterstattung und verschickte eine Stellungnahme an die Redaktionen, so auch an die unsere. Tenor des Statements: “Die uns bekannt gewordenen Meldungen zu diesem sensiblen Thema in Online-Medien und sozialen Netzwerken sind sehr verkürzt und stellen den Sachverhalt in Teilen auch fehlerhaft dar.”

In der umfangreichen Erklärung bezieht der Landkreis zu den einzelnen Vorwürfen Stellung. Zum Vorwurf der angeordneten Isolation der Kinder innerhalb der Familie, verweist die Stellungnahme auf entsprechende Vorgaben in bestehenden Texten: “…Die Verfügung geht in großen Teilen auf eine Musterverfügung des Landratsamtes zurück. Wir haben uns dabei an entsprechenden Vorlagen anderer Landkreise und insbesondere auch am Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes orientiert…” Weiter heißt es: “…Es ist allerdings klar, dass Isolationsmaßnahmen bei Kindern abhängig von Alter, Entwicklungsstand und auch den Bedürfnissen des einzelnen Kindes umgesetzt werden sollten. Dass die Reduzierung von Kontakten bei einem 16jährigen wesentlich weiter gehen kann als bei einem 6jährigen Kind, liegt auf der Hand. Es kommt vielmehr darauf an, die Verfügung situationsbezogen umzusetzen…”

Die Behauptung Kinder sollten keine gemeinsamen Mahlzeiten mit dem Rest der Familie einnehmen, weist die Behörde aber entschieden von sich und versichert: “Zur Einnahme der Mahlzeiten enthält weder die Musterverfügung des Landratsamtes Karlsruhe noch die Verfügung der Stadt Bruchsal irgendwelche Ausführungen.”

Den wohl heikelsten Punkt der Anordnung kann das Landratsamt allerdings nicht gänzlich entschärfen. Das Amt räumt die angesprochene Formulierung „zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert werden“ ein, diese entspräche aber dem Text des § 30 Abs. 2 Satz 2 Infektionsschutzgesetz. Im nun veröffentlichten Statement ergänzt der Landkreis aber einige wichtige Ausführungen, die dem nüchtern formulierten Rechtstext ein ganzes Stück Schärfe nehmen sollen “…Eine solche Zwangsmaßnahme ist Extremfällen vorbehalten und müsste von einem Richter angeordnet werden. Das Landratsamt Karlsruhe hat von dieser Regelung im Falle von COVID-19 bisher keinen Gebrauch gemacht. An eine Trennung des Kindes von den Eltern ist hier überhaupt nicht gedacht!…”

Zum Schluss betont die Behörde aber noch einmal ausdrücklich den ihr auferlegten Schutzauftrag für die Bevölkerung:

“Die Menschen erwarten zu Recht, dass eine Behörde auch in solchen Extremfällen handlungsfähig und in der Lage ist, die notwendigen Maßnahmen durchzusetzen und die Gesundheit anderer zu schützen.”

Ob diese Stellungnahme des Landkreises das Zeug hat den Ärger und die Verunsicherung der betroffenen Eltern abzumildern, bleibt nun abzuwarten. Auch wenn sie sich zwischen den Zeilen durchaus versöhnlich liest, müssen sich die Verantwortlichen dennoch die Frage stellen, ob die nun kommunizierten Erläuterungen nicht besser bereits in der ursprünglichen Quarantäneanordnung vor einigen Wochen hätten enthalten sein sollen. Gerade bei einem solch hochsensiblen Thema schadet etwas mehr Fingerspitzengefühl jedenfalls nicht.

Die komplette Stellungnahme des Landkreises kann auf der Internet-Präsenz landkreis-karlsruhe.de eingesehen werden.

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