Widerstand? Widerstand!

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Die neue Produktion der Jungen Szene Bruchsal beschäftigt sich mit den ethisch-moralischen Dimensionen des Widerstand gegen Mißstände, zieht dabei Parallelen zwischen der dunklen Zeit Bruchsals und den drängenden Themen unserer Gegenwart.

Ende Juni 1939 erreicht ein Brief aus Frankfurt den Reichskreisleiter Helmut Rothmayer in Bruchsal. Abgeschickt wurde er von der Geheimen Staatspolizei mit dem Betreff “Sofortige Zerschlagung des katholischen Jugendbundes Neudeutschland in Bruchsal”. In dem via Kurier zugestellten Schreiben fordert Heinrich Himmler Rothmayer dazu auf, die Bruchsaler Ortsgruppe sofort und unwiderruflich aufzulösen. Weiter heißt es: „Wer dieses Verbot weiterhin mit dem Deckmäntelchen religiöser Veranstaltungen unterminiert, wird die ungebremste Härte der deutschen Gesetzgebung erleben dürfen.”. Der Bruchsaler Reichskreisleiter war bei weitem nicht der einzige Empfänger eines solchen Schreibens, das im Sommer 1939 massenweise in alle Ecken und Enden des Deutschen Reiches versandt wurde. Hintergrund waren die Betätigungsverbote der Nationalsozialisten, die im Grunde alle Jugendorganisationen zugunsten der Hitlerjugend verboten.

Dennoch gilt es Bruchsal in diesem Fall hervorzuheben, denn die Mitglieder der besagten Ortsgruppe des katholischen Jugendbundes Neudeutschland weigerten sich, dem Auflösungsbefehl nachzukommen. Im Untergrund leisteten sie dagegen Widerstand, trafen sich weiterhin und gaben ihrer Gruppe den Namen “Christopher”. 1941 schlägt die Gestapo schließlich unbarmherzig gegen die etwa 35 Mitglieder der Gruppe zu – Hausdurchsuchungen und Festnahmen sind die Folge. Zu den angeführten Beweisen zu Lasten der Gruppe zählen der angebliche Fund einer illegalen Druckerei in einem Keller sowie zahlreiche Dokumente, Flugblätter und Schriftstücke. In der Folge wurden zahlreiche Mitglieder der Gruppe Christopher zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt.

Der Widerstand der Gruppe ist mit dem anderer Gruppen im Dritten Reich natürlich nicht ohne weiteres vergleichbar. Dimension, Intention und Ausprägung muten gänzlich anders an, als beispielsweise jener der Weißen Rose, deren Mitglieder in einem öffentlichen Schauprozess nicht nur mit ein paar Monaten Haft, sondern mit dem Tode bestraft wurden.

Dennoch kann man sich Fragen stellen wie: Was ist Widerstand? Wo fängt er an? Kann er auch im Kleinen bestehen, oder muss er weiter reichen?

All diese Fragen hat sich auch die Junge Szene Bruchsal gestellt und daraus ein Theaterstück geschaffen, das am Wochenende am Exil Theater Premiere feierte. Die Mitglieder der Jungen Szene – einer Zusammenarbeit der Badischen Landesbühne des Exil Theaters und der Jugendclubs der Stiftung der Volksbank Bruchsal-Bretten, haben sich dabei den komplexen Fragen um den zivilem Widerstand im Kontext der Vergangenheit und der Gegenwart gewidmet. So werden Szenen aus der Zeit der Gruppe Christopher, denen der heutigen Zeit und z.B. den Aktionen der klimaaktivistischen Jugend gegenübergestellt. In vollem Bewusstsein dessen, dass sich beides inhaltlich nur schwer vergleichen lässt, wird die Frage daher auf der Metaebene gestellt. Sie besteht aus einem Wort, das gleichzeitig auch den Titel des Theaterstücks bildet: “Widerstand?!”

Man muss sich dabei auch bewusst machen, dass die jugendlichen Darsteller die gesamte Produktion selbst geschultert haben. Sie haben den Text geschrieben, Bühnenbild und Ausstattung entworfen, Filmeinspieler produziert und eben all das, was zu einem komplexen Theaterstück sonst noch dazugehört. Die Premiere am Samstagabend im Rahmen des Stadtfestivals “Heimatgeschichten” der Badischen Landesbühne darf dabei als voller Erfolg bezeichnet werden. Was die Jugendlichen unter der künstlerischen Leitung von Lisa Becker und Bernhard Wendel hier auf die Beine gestellt haben, macht nachdenklich und geht – wenn man sich denn darauf einlässt – wirklich tief. Alle DarstellerInnen spielen intensiv, leidenschaftlich und lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie sich mit der schwierigen und hochkomplexen zugrunde liegenden Fragestellung intensiv befasst haben. Eine klare Empfehlung aus diesem Grund dafür, sich eine der noch kommenden fünf Aufführungen anzusehen. Die Termine finden Sie auf der Webseite des Exil Theaters.

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