Die Ubstädter Tierärztin Anne Teutschbein begleitet Tiere und Menschen, vom Anfang bis zum unvermeidlichen Ende ihres gemeinsamen Weges
Anne Teutschbein hat zwei entscheidende Eigenschaften, die es braucht um ein guter Tierarzt zu sein. Sie ist gleichermaßen empathisch wie auch pragmatisch. Gerade letztere Eigenschaft ist unabdingbar, will man als Mediziner/in bestehen und nicht mit wehenden Fahnen untergehen. Veterinärmedizin ist keine weichgezeichnete, kitschige Klein-Mädchen-Fantasie, kein Stillleben in warmen Ölfarben, sondern mitunter ein knallharter, fordernder Job, der Ausdauer und ein hohes Maß an Stehvermögen und Rationalität erfordert.
Anne Teutschbein hat diesen Job von der Pike auf gelernt, er erfüllt sie mit Leidenschaft, hat sie aber auch schon manches Mal an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geführt. Schon als Jugendliche hat sie in ihrer Heimatstadt Berlin in einer Tierarztpraxis ausgeholfen, so oft sie nur irgendwie konnte. Nach dem Studium der Tiermedizin jobbte sie zuerst jahrelang in einer großen Tierklinik in Niedersachsen, wo sich oft eine Schicht an die nächste reihte und Bereitschaftszeiten über Tage hinweg, beständig auch die letzte Kraftreserve einforderten. Egal ob Großtiere wie Pferde oder Kühe, oder Kleintiere wie Hunde, Katzen oder Hasen – in ihrer jahrzehntelangen Laufbahn hat Anne Teutschbein schon so ziemlich jede Spezies behandelt.
Schon von jeher war es ihr Traum, einmal eine eigene Praxis zu besitzen und als die Belastung in Niedersachsen irgendwann zu groß wurde, ließ sie alles stehen und liegen und bereiste ganz Deutschland auf der Suche nach einer solchen Praxis. Irgendwann führte sie ihre Suche schließlich nach Ubstadt, wo sie zuerst ihre Zelte in der Seegrabenstraße aufschlug. Mittlerweile findet man sie im benachbarten Erlengrund, wo sie gemeinsam mit einer weiteren, angestellten Tierärztin Hunde, Katzen, Hasen, Meerschweinchen, Vögel und Co. aus der ganzen Region behandelt und betreut.
Zwar kann sie in ihrer Selbständigkeit technisch gesehen die eigenen Arbeitszeiten frei einteilen, doch die Realität eines Tierarztes sehen eben anders aus. Während manche Kollegen pragmatisch ab 18 Uhr den Anrufbeantworter einschalten, ist Anne Teutschbein für ihre Patienten auch außerhalb der Praxiszeiten bei Notfällen zu erreichen. Besagte Notfälle gibt es dabei auch nicht zu knapp. Vergiftungssymptome, Krämpfe, Magen-Darm-Erkrankungen, Blutungen, Atemnot… ähnlich wie bei menschlichen Patienten, passieren diese Dinge eben auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten. Nicht selten sind es übrigens eher die menschlichen Patienten, die mehr Aufmerksamkeit benötigen, als ihr geliebtes Tier. Um als Tierärztin zu bestehen braucht es handfeste Kenntnisse der menschlichen Psychologie, viele Tierbesitzer haben zu Ihrem Vierbeiner ein sehr enges, emotionales Verhältnis entwickelt – manchmal auch deutlich zu eng. Wenn ein kurzes Niesen der Katze zur tödlichen Infektion hochstilisiert wird, braucht es eher geduldiges Zureden für den Halter, als für den oft kerngesunden, tierischen Schützling.
Richtig schwierig wird es, wenn sich irgendwann und unvermeidbar, das Leben des tierischen Begleiters seinem Ende zuneigt. Viele Menschen sind nicht bereit wahrhaben zu wollen, dass ab einem gewissen Punkt an die Stelle von Lebensqualität nur noch Leiden getreten ist. Dann ist es besser dem langjährigen Kameraden Erlösung zu schenken, als ihm ein würdeloses und langwieriges Sterben aufzuerlegen. Aus eigener Erfahrung weiß Anne Teutschbein, dass Tiere es spüren, wenn ihre Besitzer sie nicht gehen lassen können und sich deshalb bemühen, den für sie von Schmerzen und Leiden geprägten, letzten Lebensabschnitt zu verlängern. “Im Grunde wissen es die Menschen in ihrem tiefsten Inneren, wenn es soweit ist das geliebte Tier gehen zu lassen, wollen es aber oft nicht wahrhaben” berichtet die Tierärztin aus ihrer täglichen Praxis.
Irgendwann ist es dann aber soweit und Anne Teutschbein begleitet zusammen mit den Besitzern das Tier auf seinen letzten Metern. Schweigend injiziert die Tierärztin sanft eine Überdosis Narkosemittel, woraufhin das Tier zuerst in einen tiefen Schlaf gleitet und nach einer Weile dessen Atmung und der Herzschlag aussetzen. Ein Moment der niemanden unberührt lässt. “Das ist ein Familienmitglied und nicht weniger” ist sich Anne Teutschbein sicher, die aus eigener, leidvoller Erfahrung weiß, wie sehr der Abschied von einem geliebten Tier schmerzt. “Wenn das Ende kommt, heulen auch gestandene Männer”.
Das Kommen, das Gehen – das Leben in seinen immer wiederkehrenden Zyklen – Anne Teutschbein ist die ganze Zeit dabei und begleitet ihre vierbeinigen Patienten… Von den ersten tollpatschigen Schritten eines Welpen, bis hin zum letzten Atemzug eines langjährigen, treuen Weggefährten. Es ist ein Beruf, abwechslungsreich wie das Leben selbst.
Dieser Beitrag erschien erstmals im Winter 2021
Als ob Männer nicht weinen dürften.
Wunderbarer Artikel. Eine Tierärztin die durch Deutschland reist und dann im Kraichgau sesshaft wird, das ist schon bemerkenswert. Ich bin in einem Arzt-Haushalt (für Zwei-Beiner) aufgewachsen. Mittwochs war in der Zeit von 18 – 20 Uhr Sprechstunde. Täglich wurde Sprechstunde in Bahnbrücken, Oberacker und Zaisenhausen abgehalten, damals gab es dort KEINE ärztliche Versorgung und Hausbesuche gemacht. Heute undenkbar.
Mir graut es auch als Mann davor, wenn unser Hund gehen muss!!!