…und warum wir Ihnen besser zuhören sollten!
Nicht nur in der Region, sondern auch in ganz Deutschland und der EU protestieren dieser Tage unzählige Landwirte
Ein Kommentar von Stephan Gilliar
Die Wahrheit liegt, wie so oft im Leben, irgendwo dazwischen… Zwischen den neu formulierten Anforderungen der Politik an die Landwirte und deren Empörung über die befürchteten Auswirkungen. Am Ende wird ein in der Demokratie so wichtiger Kompromiss stehen müssen, dessen Konditionen sich derzeit aber noch nicht erkennen lassen.
Doch eines nach dem anderen, um was geht es in der aktuellen Debatte überhaupt?
Stein des Anstoßes waren vor einigen Monaten die damals enthüllten Pläne der Bundesregierung, die Landwirte zu mehr Natur- und Tierschutz bei ihrer täglichen Arbeit zu verpflichten. Beispielsweise sollen schärfere Regeln beim Ausbringen von Gülle auf den Feldern, die in Deutschland viel zu hohe Nitratbelastung senken. Tatsächlich ist die Bundesrepublik einer der Spitzenreiter in der EU wenn es um hohe Nitratwerte im Grundwasser geht.
Durch mancherorts übermäßiges Düngen und insbesondere auch die Massentierhaltung, sind die Grenzwerte an vielen Orten im Bund seit Jahren dauerhaft markant überschritten. Nitrat ist deshalb im Trinkwasser in hoher Konzentration bedenklich, weil es im menschlichen Körper zu ungesundem Nitrit verstoffwechselt werden kann – besonders für Babys und Senioren kann das gefährlich werden. Die Europäische Union mahnt Deutschland deshalb seit Jahren an, hier endlich Abhilfe zu schaffen. Weil die Bundesregierung hierauf lange so gut wie gar nicht und später nur zögerlich reagiert hat, drohen mittlerweile empfindliche Strafzahlungen, für die letztlich der Steuerzahler aufkommen müsste.
Um hier endlich effektive Fortschritte nachweisen zu können, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium im September einen erneuten Vorschlag für eine härtere Düngeverordnung bei der EU-Kommission eingereicht. Diese neue Verordnung sieht unter anderem Sperrzeiten für das Ausbringen von Dünger auf Wiesen und Weiden in den kalten Jahreszeiten vor, sowie ein Düngeverbot in der Nähe von Gewässern.
Der Dampfhammer macht keinen Sinn?
Dieser Vorschlag allerdings trifft bei vielen Bauern auf erbitterten Widerstand. Sie sprechen sich statt einer pauschalen Regelung, für flexible Lösungen je nach Belastungsgrad des Bodens und des Grundwassers aus. Auch der Deutsche Bauernverband fordert bei der Düngung stattdessen Augenmaß und die Ausrichtung auf den tatsächlichen Bedarf.
Für mindestens ebenso viele Sorgenfalten auf den Stirn der Landwirte, sorgt das Agrarpaket, welches das Bundesumweltministerium und das Bundeslandwirtschaftsministerium vorantreiben. Dieses sieht mitunter eine starke Reduktion von chemischen Unkrautvernichtungsmitteln, allen voran des berühmt-berüchtigten Glyphosates vor. Dieses steht nach wie vor im Verdacht für einen Teil des Rückgangs der Artenvielfalt auf Wiesen und Feldern verantwortlich zu sein, auch eine schädliche Wirkung auf Menschen und Tiere ist immer wieder Gegenstand von Untersuchungen.
Wenn allerdings auf einen Schlag die gängigsten Unkrautvernichtungsmittel verboten oder deren Ausbringung radikal eingeschränkt würde, so könnten viele Bauern ihre Felder nicht mehr effektiv bewirtschaften, befürchten viele von ihnen und sehen die Existenz ihrer Betriebe durch die Gesetzesnovelle gefährdet.
Überhaupt sind es im Wesentlichen die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe, die angesichts der aktuellen Entwicklungen um ihren Fortbestand bangen. Sie haben weder die finanziellen Rücklagen der Großbetriebe, noch kommen Sie in den Genuss hoher, bislang immer noch umstrittenen auf Flächen ausgelegten Subventionszahlungen der EU.
Natürlich muss der Wind sich drehen
Dass sich etwas ändern muss, dass ein Systemwechsel unabdingbar ist, wissen im Grunde alle Beteiligten. Absurder Preisdruck, Verordnungen, Konkurrenz aus nicht EU-Ländern mit weniger hohen Maßstäben, eine schon lange aus dem Ruder gelaufene Massentierhaltung, so wie die immer weiter abfallende Qualität des deutschen Trinkwassers, machen deutlich dass etwas geschehen muss.
Nur wie – und diese Frage spaltet derzeit Gemüter und Gesellschaft. Es geht nicht gegen die Bauern, es geht nur mit Ihnen. Das ist wahrscheinlich einer jener Punkte, der die Landwirte überall im Land gleichermaßen und auch absolut berechtigt ärgert und frustriert.
Wer Landwirte mit Umweltsündern und Realitätsverweigerern gleichsetzt, stößt nicht nur einer der essentiellsten und ältesten Branchen der Welt vor den Kopf, sondern bewegt sich auch außerhalb jeder Realität. Würde ein Bauer nicht nachhaltig wirtschaften, so wären seine Anbauflächen und Ressourcen nach kürzester Zeit frucht- und wertlos. Das Gegenteil jedoch ist der Fall. Viele Bauernfamilien bewirtschaften ihr Land seit unzähligen Generationen, würden sie dies nicht nachhaltig bewerkstelligen, wären Sie schon längst verschwunden.
Der „kleine Bauer“ stirbt einen stillen Tod
Dass die Bauern den Vorstößen des CDU-geführten Bundeslandwirtschaftsministeriums misstrauen, verwundert nicht wirklich. Durch die Landwirtschaftspolitik von CSU und CDU, verschwand allein in den letzten 30 Jahren rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland, die allermeisten von ihnen kleine Familienbetriebe. Übrig blieben überwiegend große, industrielle Agrarbetriebe.
Wie bei jeder großen, komplexen Diskussion, wird auch hier schnell klar: Es gibt keine einfachen Antworten. Es gibt nicht nur kleine, sympathische Bauernfamilien die am Puls der Natur leben, sondern auch Großbetriebe mit kalkulierten, knallharten Wirtschaftsinteressen, die definitiv mehr tun könnten und müssten als Sie sollten. Beide über einen Kamm zu scheren, macht keinen Sinn und wird niemandem gerecht.
Genauso wenig wie es richtig ist, das Grundwasser immer weiter zu verpesten oder Tiere gegen jeden Ethik wie Gegenstände zu behandeln, ist es richtig nun mit dem Holzhammer jeden Betrieb, ungeachtet seiner Größe und Art der Bewirtschaftung, mit den gleichen radikalen Verordnungen zu maßregeln.
Kein echter Bauer der noch wirklich und wahrhaftig mit Land, Leben und Leuten verbunden ist, würde sich ernsthaft gegen Maßnahmen aussprechen, die selbige schützen und schonen würden.
Es geht auch darum den Bauern und ihrer tagtäglichen Arbeit, die Grundlage für das Leben in diesem Land ist, mit Respekt zu begegnen und nicht alle über den berühmten, einen Kamm zu scheren. Kein echter Bauer der noch wirklich und wahrhaftig mit Land, Leben und Leuten verbunden ist, würde sich ernsthaft gegen Maßnahmen aussprechen, die selbige schützen und schonen würden. Es gilt ihnen vielmehr zuzuhören, ihr über Generationen erworbenes Wissen einfließen zu lassen und so verträgliche Lösungen zu erarbeiten.
Dieser, im Grunde doch eigentlich selbstverständliche Ansatz, wäre ohnehin den vielen aus purem Aktionismus heraus geborenen Auflagen und Schnellschüssen einer unzureichend durchdachten Umweltpoltik dieser Tage vorzuziehen. Viel sinnvoller wäre es doch dieser Sachlage mit mehr Augenmaß zu begegnen und große Änderungen mit, statt gegen die Menschen voranzutreiben. “Der größte Feind der Qualität ist die Eile” hat schon Henry Ford vor über einhundert Jahren gesagt.
Was aber um jeden Preis verhindert werden muss, ist unsere Spaltung, ist der Keil zwischen uns. Es gibt kein “Wir gegen die Bauern” – es gibt nur uns und das Land auf dem wir leben und das kennt niemand besser als sie.