Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht

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Balkonkraftwerke könnten großflächig ihren Teil zur Energiewende beitragen, doch deutsche Bürokratie, Normen und Formular-Fetischismus machen daraus einen echten Spießrutenlauf

Ein Kommentar von Philipp Martin

Plug-and-Play, Einstecken und Loslegen. So liest man es auf den Websites zahlreicher Hersteller sogenannter Balkonkraftwerke. Darunter versteht man steckerfertige, kleine Solaranlagen, die mit wenigen Modulen vergleichsweise geringe Strommengen erzeugen. Doch Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist und gerade beim heimischen Stromverbrauch und den gestiegenen Kosten, kann sich dieser “Mist” durchaus lohnen. Bei guter Ausrichtung und reichlich Sonne lassen sich am Tag problemlos zwei, drei oder mehr Kilowattstunden an Sonnenstrom erzeugen und das quasi zum Nulltarif. Die Preise für solche Anlagen liegen bei Komplettpaketen ungefähr zwischen 800 und 1000 Euro, vor der aktuellen Energiekrise war das Equipment deutlich günstiger.

Bei den derzeitigen Stromkosten amortisiert sich eine solche Anlage dennoch im besten Fall schon nach vergleichsweise kurzer Zeit. Die Installation ist dabei oft genauso einfach, wie sie von den Herstellern angepriesen wird. Solarmodule in bestenfalls geeigneter Ausrichtung auf dem Dach, an der Fassade oder am Balkongeländer installieren, mit dem Wechselrichter (einem Gerät, das aus Gleichstrom Wechselstrom macht) verbinden, in die Steckdose stecken und Sonne ernten. Technisch ist es tatsächlich genauso simpel, der Rest allerdings kann sich deutlich schwieriger gestalten. Leben Sie beispielsweise nur zur Miete, müssen sie eine solche Anlage zunächst einmal mit Ihrem Vermieter absprechen. In manchen Wohnlagen gilt es auch darauf zu achten, das Erscheinungsbild der Fassade nicht zu beeinträchtigen, beispielsweise wegen des Denkmalschutzes. Sollten alle Voraussetzungen für die Aufstellung der Anlage erfüllt sein, kommt noch die Anmeldung auf sie zu und die hat es mitunter in sich. Gleich bei zwei Institutionen müssen sie mit ihrem neuen Balkonkraftwerk ihre Aufwartung machen: Da wäre ihr Netzbetreiber und des Weiteren die Bundesnetzagentur bzw das Marktstammdatenregister.

Obwohl beide vermutlich versucht haben, mit entsprechenden Online-Formularen das Prozedere so einfach wie möglich zu gestalten, dürfte doch so mancher Laie mit den abgefragten und zu bestätigenden Informationen überfordert sein. Die NetzeBW beispielsweise lassen sich in ihrer Online-Maske den Einbau einer Energiesteckdose nach der Norm DIN VDE V 0628-1 durch einen Elektroinstallateur bestätigen. Ein normaler Schukostecker, der mit vielen Balkonkraftwerken ausgeliefert wird, ist in diesem Fall also nicht genug. Es bräuchte eine spezielle Solar-Steckdose des deutschen Herstellers Wieland. Zahlreiche Experten bezweifeln die Sinnhaftigkeit dieser Vorgabe, die die Kosten und damit die Amortisation einer solchen Anlage nachteilig verändern.

Weitaus komplizierter gestaltet sich die Anmeldungen beim Marktstammdatenregister. Dort müssen Sie sich zunächst einmal als Anlagenbetreiber registrieren und im zweiten Schritt ihre Anlage selbst. Dabei werden derart viele Fachtermini abgefragt, dass selbst halbwegs fachkundige Anlagenbesitzer hier und da ins Schwitzen kommen könnten. Zwar werden zu jedem Punkt auch auf Bedarf Erläuterungen angeboten und auch entsprechende Tutorials auf YouTube können eine Hilfestellung geben, dennoch fragt man sich, wieso eine derart aufwendige Registrierung überhaupt notwendig wird?

Eingedenk der drohenden Energiekrise, muss man sich zusammenfassend schon die Frage stellen, wieso dieser einfache Baustein dagegen derart kompliziert umgesetzt werden muss? Sowohl die künstliche Drosselung auf 600 Watt maximale Ausgangsleistung der Wechselrichter, als auch das mehr als unhandliche Prozedere zur Anmeldung einer solchen Anlage, sollten daher nach Meinung dieses Autors dringend und zeitnah überdacht werden.

Balkonkraftwerke, die für vergleichsweise kleines Geld die Haushaltskasse entlasten und zur Energiewende beitragen können, sollten für alle Bürgerinnen und Bürger niederschwellig und idealerweise auch subventioniert zugänglich sein. Der Gesetzgeber ist hier dringend gefordert, die vergleichsweise hohen Hürden schnellstmöglich abzutragen.

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5 Gedanken zu „Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht“

  1. Bürokratie, Lobbyismus, Monopolisten, Geldmacher, Politiker, Verwaltungsmonster…geht grad weiter so! Kein Wunder, dass wir hier nix mehr auf die Reihe kriegen!
    Aber dazu gehören zwei. Die, die es mache und die, die es mit sich machen lassen.
    Deshalb: gehört zu den Machern und macht das einfach so mit den Balkonkraftwerken! Am besten so, dass es keiner mitkriegt…

  2. Bin Energieberater und kann dies absolut bestätigen! Die Hürden werden ohne Grund so hoch gesetzt. Sicher, eine Anmeldung ist absolut sinnvoll, da der Netzbetreiber wissen muss, wo Strom erzeugt wird. Die Bürokratie dazu ist allerdings typisch deutsch!

  3. Der Gesetzgeber wird nen Teufel tun. Schon immer wurden die Kleinen bei der Stromerzeugung möglichst ausgebremst. Die Strippenzieher im Hintergrund haben fast immer die Mehrheit.!

  4. Na warum auch einfache Lösungen bieten wenn die komplexeren wesentlich mehr Geld in die Kasse bringen ?
    Ein Schelm wer böses dabei denkt.

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