Saufen in Tracht

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Humba Täteräää – In der Lederhosn kotzt es sich doch immer noch am schönsten

Eine Kolumne von Thomas Gerstner

Es geht wieder los. Von jeder größeren Vereinshomepage glotzt dir gerade dieselbe Stockbild-Fresse in Dirndl und mit einem dicken Humpen in der Hand entgegen… Jawoll Freunde, O’zapft is – Zeit fürs Oktoberfest. Neben dem Original in München, wo man zwischenzeitlich für eine Maß eine Hypothek aufs Eigenheim aufnehmen muss, gibt es auch unzählige Ableger hier bei uns im Hügelland. Alle haben jedoch eines gemein: Es geht einzig darum die Hochzeit des bayerischen Kronprinzen Ludwig und Prinzessin Therese zu feiern, den Herbst und all seine Schönheit zu würdigen und in Dankbarkeit für einen ertragreichen Sommer dem Allmächtigen in Demut zu huldigen….

Murhararar, am Hintern hängt der Hammer… Machen wir uns ehrlich – es geht ums Saufen, alles andere ist zweitrangig. Was könnte es schöneres geben, als wenn sich die Herren die Plauzen hinter ledernen Hosenträgern arretieren und die Mädels die Mopserln im Polyester-Dirndl gen Kinn drücken? Mir fällt da nicht viel ein. Ich meine, wer freut sich nicht darüber, sich mit 4000 Menschen in einer stickigen Gummi-Hütte auf Holzbänken einpferchen zu lassen, dass sogar Schweine aus Haltungsklasse 1 im Vergleich dazu über Suite-artigen Auslauf verfügen? Wenn dazu noch eine hackedichte Blaskapelle irgendwas von der Vögelweide oder – für den Instant-Orgasmus für Zeitungsredakteure prädestiniert – den herbeigeschriebenen Skandal namens Layla besingt, wähnt man sich doch gleich im Paradies auf Erden.

Zu fortgeschrittener Stunde verlagert sich dann das bunte Treiben zunächst von den Bierbänken auf die Biertische und von dort zur spontanen Magenentleerung vor das Festzelt. Jetzt, da die fettige Haxe den eigenen Prachtkörper auf selbigem Wege verlassen, wie sie ihn betreten hat, läuft so mancher Brünftling erst recht zur Hochform auf. Hier und da gelangt man nun zur Überzeugung, dass der eigene Zustand – geprägt vom partiellen Verlust von Sprachfähigkeit und Körperkoordination – sich vortrefflich dafür eignet, potenziellen Konkurrenten die Fresse zu polieren. Dieses Phänomen mag ursächlich für die neuerdings bei Oktoberfesten in Bataillon-Stärke anwesenden Security-Kräften sein, deren muskelbepackte und in schwarze T-Shirts gepresste Figuren zu vorgerückter Stunde den einen oder anderen Oktoberfest-Aficionado mit einfühlsamen Worten vom Platz geleiten. Kehrt er dennoch wieder, winkt aufgrund seiner Beharrlichkeit ein exklusives Treffen mit den sichtlich genervten Blau-Weißen aus der nächsten Polizeidienststelle.

Ach Freunde, was soll der Terz? Zu meiner Zeit hat man für ein gepflegtes Besäufnis keinerlei Anlass oder Motto benötigt. Ein Partykeller oder wahlweise eine heruntergekommene Grillhütte dienten als Kulisse, dazu wurden alkoholische Derivate aus den untersten Regalreihen der Discounter gereicht, die in Stiefelgläsern serviert, ab einer gewissen Füllhöhe dem Halter als Tsunami in die oberen Atemwege schossen. Ach ja, und statt Blaskapelle waren wir schon froh uns den durch und durch komplizierten Text von Opus´ “Life is Life” merken zu können. Zudem waren wir konsequent und pragmatisch: War um Mitternacht die begehrte weibliche Festung in ausgeblichenem Jeansstoff, Dauerwelle und abgeblättertem Nagellack noch nicht sturmreif geschossen, verzog man sich eben nach Hause um unter David Hasselhoffs gütigem Blick vom Bravo-Starschnitt den eigenen Rausch auszuschlafen.

Alsdann, meine Lieben. Überlasst die Dirndln und die Lederhosen den Alpenrammlern aus Bavaria und schießt Euch auf traditionell-badische Art ab: Oifach so und ohne Gedöns. Und alle: Life ist life… Na na na… wie ging das noch?

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4 Gedanken zu „Saufen in Tracht“

  1. Nicht zu übertrefender Stil!
    Allerdings wurden die beiden weiteren Zwecke dieser Verunstaltung nicht gebührend gewürdigt: Fressen und außerehelicher Verkehr, zuweilen auf der Wiese.
    Die Politiker freut“s, die nächste Wahl fährt die Ernte ein.
    Auch Leute, die das Denken weitgehend eingestellt haben sind zu etwas nütze!

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