Wahnsinn mit Ansage: Geschenke auf Bestellung

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Über Sinn und Unsinn der Geschenke-Boxen in Spielwarengeschäften

Eine Kolumne von Tommy Gerstner

Himmel Herrgott, mein letzter Kindergeburtstag ist geradezu absurd lange her. Her mit den Erinnerungsfetzen, wie war das doch noch gleich…. Reise nach Jerusalem, Topfschlagen, Fangen, Verstecken, Kalter Hund, Würstchen mit Ketchup, alle in Papas VW-Bus nach Hause fahren, Eltern mit Erschöpfungssymptomen um 20 Uhr im Bett…. Was die Geschenke angeht, habe ich die Sache nicht sonderlich spektakulär in Erinnerung: Meist waren es Kleinigkeiten wie ein Kartenspiel oder ein Rennauto… War ich auf Geburtstagen eingeladen, hat sich meine Mama darum gekümmert und mir ein Geschenk in die Hand gedrückt, dessen Inhalt ich meist das erste Mal beim Auspacken gesehen habe….

Heute, etwa 450 Jahre später, bin ich selbst Papa und habe die ganze Geschenke-Sache an meine weitaus talentierte Frau outgesourct. Kindergeburtstage scheinen aber heute nicht mehr so abzulaufen, wie es noch zu meiner Zeit der Fall war…. Zu Hause feiern mit den guten alten Spieleklassikern scheint völlig out zu sein…. Heute fährt man den Nachwuchs in riesigen Konvois auf den Ponyhof oder auf gigantische Indoorspielplätze. Es gibt einen minutiös durchgeplanten Programmablauf und Highlights nonstop. Als ich neulich meiner Jüngsten anbot, für ihren Geburtstag bei uns im Hof Sackhüpfen und Dosenwerfen zu organisieren, sah sie mich bestenfalls verständnislos an…. Ja, diesen “Papa wurde noch vor dem Mittelalter geboren – Blick” vergisst du nie…. Mit den klassischen “Zuhause Partys”, wo sich früher statistisch gesehen mindestens ein Kind beim bestrumpfhosten Schlittern über den Fliesenboden ein paar Vorderzähne aus der Fresse gehauen hat, kann man heute offenbar nicht mehr punkten…

Ich kann mit diesem ganzen neumodischen Unfug durchaus leben, aber bei einer Sache platzt mir regelmäßig die Hutschnur. Das Beschenken ist dieser Tage kein Akt der kleinen unverbindlichen Aufmerksamkeiten mehr, sondern ein waschechter Bestellvorgang. Aus den kleinen Mitbringseln von einst, wurde eine richtige “to do list” mit massivem Gruppenzwang. Das Ganze funktioniert wie folgt: Mutti (oder Vati — Haha, nur Spaß) marschiert mit Töchterlein oder Sohnemann in einen Spielwarenladen der Wahl, der Nachwuchs schlendert durch die Regale und wählt diverse Artikel aus die er oder sie zu besitzen wünscht, diese werden in einen Korb gepackt, mit dem Namen des angehenden Geburtstagskindes ausgezeichnet und öffentlich sichtbar zur Schau gestellt. Diese Tatsache wird nun an die Eltern der Geburtstagsgäste übermittelt, auf dass sie sich bitte im besagten Laden einzufinden und eines der im Korb verstauten Geschenke käuflich zu erwerben haben. Die Ladeninhaber dürfte diese private Erschaffung eines Monopols durchaus freuen, weshalb immer mehr Läden in der Region dieses Konzept anbieten. Buchläden, Drogerien und selbstverständlich Spielwarenläden jeglichen Couleurs.

Der propagierte Vorteil liegt selbstredend auf der Hand: Das Geburtstagskind erhält nur Dinge, die es sich tatsächlich auch gewünscht hat und nicht irgendwelchen Firlefanz, der später diskret entsorgt werden muss. Die Kehrseite der Medaille, für mich das absolute No-Go: Aus Schenken wird hier schlicht Bestellen. Niemand muss sich mehr Gedanken machen und sich überlegen, über was der Kamerad sich freuen würde. Zudem wird den Schenkern sogar die Höhe des Budgets vorgegeben. Klar gibt es in diesen Kisten auch günstige Artikel, aber zum einen sind diese schnell vergriffen und zum anderen trifft man ja auch eine wertende Aussage – greift man sich etwas aus dem billigeren Segment. Fantasielosigkeit und Gruppenzwang in Perfektion – für mich sind diese Geschenke-Kisten eine einzige Perversion. Mir schwillt jedesmal der Hahnenkamm, wenn ich mal wieder den klassischen Satz höre “Kind XY hat eine Kiste beim Laden der sich auf Tofu reimt”.

Tatsächlich bin ich mir ziemlich sicher, dass Ende der 70er Fassungslosigkeit darüber geherrscht hätte, schriebe Tommy’s Mama das Folgende auf seine Einladungskarten: Hiermit lade ich Dich ganz herzlich zu meinem zehnten Geburtstag ein. Wir treffen uns zum Frühschoppen auf der Pferderennbahn, danach geht’s zum Paintball-Schießen und abschließend auf eine große Dampferfahrt auf dem Rhein, wo wir uns an Bord gemeinsam am Meeresfrüchte-Buffet gütlich tun. Anschließend wirst du gegen 19 Uhr wieder nach Hause gebracht. Ich wünsche mir von dir entweder das große Playmobil Schloss, ein Pony, die XXL Carrera Bahn mit 421 Autos oder ein neues BMX Rad.

Oh Mann, ich muss aufhören – mir pumpt das Herz schon wieder heiße Lava durch die Schläfen….Gott sei Dank feiere ich am zweiten Februar-Wochenende meinen Geburtstag, um wieder richtig schön zu entspannen. Ich habe übrigens eine Kiste im Media-Markt – vom Ipad bis zur 65-Zoll-Glotze ist für jeden von Euch was dabei! Das wird ein Fest.

Euer Meister im Sackhüpfen

Tommy

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