Um seinen Bauernhof über Wasser zu halten, wird Thomas Keller aus Kraichtal nun Straßenbahnfahrer
Seite an Seite finden sich in der idyllischen Weierbachsiedlung zwischen Menzingen und Münzesheim, mehrere landwirtschaftliche Anwesen und Hofstellen. Erbaut wurden die meisten von ihnen in der Mitte des letzten Jahrhunderts, als die Dörfer rundum wuchsen und für die Höfe in den beengten Dorfkernen der Platz fehlte. Einer dieser Aussiedlerhöfe gehört Thomas Keller. Wie schon seine Eltern, führt der gelernte Landwirt den Betrieb weiter fort, die Zukunftsaussichten sind allerdings trübe. Die Schweinezucht, mit der seine Eltern ihr Geld verdienten, lohnt sich längst nicht mehr, zu schwankend und unzuverlässig entwickelten sich die Preise an den entsprechenden Börsen. Vor einigen Jahren verließ daher die letzte Sau den Kellerhof, seither setzen Thomas und seine Familie im Wesentlichen auf Obstanbau, ihren Wengert und die Herstellung hochprozentiger Spirituosen. Von einer kleinen Landwirtschaft mit überschaubaren Flächen, lässt es sich heutzutage aber nur noch schwerlich leben. Gewinner der neuen Agrar-Szene sind die riesigen XXL-Betriebe und vielleicht noch jene Bauern, die es geschafft haben sich in irgendeiner Nische zu spezialisieren.
Das bisschen Obst und Gemüse, sowie die selbstgebrannten Spirituosen, sind für ein ausreichendes Einkommen von Thomas Familie nicht wirklich verlässlich und so musste der findige Familienvater, der gebürtig aus Neuenbürg stammt, stetig improvisieren. Da sein Gut an der beliebten Wanderroute K2 liegt, rief Thomas auf seinem Hof “Kellers Hofrast” ins Leben. Arrangiert um gemütliche und schattige Sitzplätze, finden sich hier mehrere kleine Hütten, die Wanderern, Spaziergängern und Ausflüglern als Station und Hotspot dienen. Hier können kühle Getränke gekauft und im Sortiment des kleinen Hofladens gestöbert werden. Wer fündig geworden ist, wirft den fälligen Betrag in ein kleines Kästchen, alles vollständig auf Vertrauensbasis.
Nimmt man anschließend mit seiner Flasche Bier oder Limonade Platz, bietet sich rundherum ein idyllisches, bäuerliches Panorama. Die Kinder können direkt auf Tuchfühlung mit den vielen Tieren des Hofes gehen. Von Schafen über Gänse, Pferde und Hasen, findet sich hier einfach alles, was kleine Hände gerne streicheln. An den Wochenenden steht Thomas dazu schon vor der Mittagszeit in seinem kleinen Grillwagen und brät und brutzelt Würste, Steaks und Co. für hungrige Wanderer. Das macht er jedes Jahr vom 1. Mai bis zum 4. Oktober – gerade an warmen Tagen pulsiert daher in Kellers Hofrast das Leben.
Seine unmittelbare Zukunft wird sich für Thomas aber nicht nur auf dem elterlichen Hof und auf der Kanzel seines Traktors abspielen, sondern fortan zu großen Teilen auch im Führerstand einer Straßenbahn. Um ein verlässliches Einkommen zu erzielen, etwas Struktur in seine Tage zu bringen und vielleicht um endlich auch einmal wieder ein paar unbeschwerte Urlaubstage mit der Familie genießen zu können, hat sich Thomas Keller dazu entschlossen eine Ausbildung zum Straßenbahnfahrer in Karlsruhe zu absolvieren. Sobald der mehrmonatige Lehrgang abgeschlossen ist, wird man ihn also kreuz und quer in den gelben Bahnen durch die Region rollen sehen. Am Wochenende aber findet man ihn nach wie vor auf seinem schönen Hof mitten in der Weierbachsiedlung, wo er alles für eine schöne Hofrast parat hält: Etwas Kühles zum Trinken, etwas Leckeres fürs Vesper und ein scharfes Tröpfle für danach.
