Unverhüllt in Bretten

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Sara und Janine planen in Bretten die Eröffnung des ersten “Unverpacktladen” im Kraichgau

Haben sie kurz Zeit für ein kleines Gedankenspiel? Ja? Als dann! Denken Sie doch einmal kurz an all die Köstlichkeiten, die sie über die Osterfeiertage genossen haben. Da wäre das leckere Festessen am Ostersonntag, der gute Brunch am Ostermontag und natürlich die unzähligen Schleckereien nach der Ostereiersuche. Schauen Sie doch nun einmal in den Mülleimer in der Küche, es würde verwundern wenn dieser sich über die Feiertage nicht mindestens bis zur Hälfte gefüllt hätte. Da wären zum Beispiel die Plastiktüte der Bandnudeln, das Einwickelpapier aus der Metzgerei samt dazugehöriger Plastiktüte, die Verpackung des Vanilleeis, der Plastik-Blister für den Lachs zum Frühstück, Stanniolpapier der Ostereier und vieles vieles vieles mehr…

Nicht nur gefühlt wird der Berg an Plastikverpackungen im Mülleimer immer höher und höher. Wie die Tagesschau berichtet haben die Deutschen in den vergangenen zwei Jahrzehnten tatsächlich ihren Pro-Kopf-Verbrauch an Plastikmüll verdoppelt und hauen nun Jahr für Jahr über 25 Kilo davon in die Tonne. Es ist tatsächlich auch verdammt schwer geworden im Supermarkt auf Plastik zu verzichten, werden doch manche Produkte hier teilweise dreifach in Folie eingewickelt verkauft. Zwar hat bei vielen Einzelhandelsketten bereits der Prozess des Umdenkens eingesetzt, doch ist hier ganz augenfällig noch ein weiter und langer Weg zu gehen.

So könnte ein Einkauf im Unverpacktladen aussehen: Abschmink-Pads aus Wolle, Nudeln und Reis im Glas, Eierlikör aus der Flasche und Obst und Gemüse im eigenen Netz.

Abhilfe für dieses Problem wollen die sogenannten “Unverpacktläden” bieten. Hier wird das gesamte Sortiment lose und ohne feste Gebinde angeboten, so dass keinerlei Verpackungsmüll für den Verbraucher anfällt. Kunden können ihre eigenen Gefäße mitbringen und die Waren in der gewünschten Menge abfüllen. An der Kasse wird gewogen und Gramm-genau abgerechnet. Von Kaffee über Nudeln bis hin zu Zahnpasta-Tabs geht einfach alles.

Die beiden Freundinnen Sara und Janine aus Bretten haben das Unverpackt-Konzept bereits in mehreren Städten kennengelernt und waren vom ersten Moment an fasziniert davon. Schnell war den beiden gelernten Erzieherinnen klar – so etwas wollen wir auch bei uns zu Hause in Bretten auf die Beine stellen. Dafür fehlen derzeit aber noch zwei wichtige Voraussetzungen: Das Geld und der passende Laden. Letzteren hatten die beiden bereits so gut wie sicher, doch im letzten Moment sprang der potenzielle Vermieter in spe ab. Gerne würden Sarah und Janine in der Brettener Innenstadt eine passende Location aufstöbern, doch obwohl hier jede Menge Räumlichkeiten leer stehen, tragen sich viele Vermieter offenbar schwer mit dem Gedanken an zwei derart junge Unternehmerinnen zu vermieten.

Janine mit einem Beutel Verpackungsmüll nur einer einzigen Mahlzeit und Sara mit dem Pendant aus dem Unverpackt-Sortiment

Dabei scheinen diese Sorgen unberechtigt, die beiden haben sich ganz offenkundig fundiert und gut vorbereitet an das Projekt gewagt. Ein ausgearbeiteter Businessplan steht längst und auf Janines Seite gibt es sogar jede Menge familiäres Know-How durch eine lange Einzelhandels-Tradition. Wer also einen leerstehenden Laden in Bretten sein eigenen nennt, darf hiermit herzlichst ermutigt werden, sich bei den beiden angehenden Unternehmerinnen zu melden.

Die zweite große Hürde, die es für Sara und Janine zu nehmen gilt, ist die Finanzierung ihres Ladens. Dabei setzen sie auf Crowdfunding, die sogenannte Schwarmfinanzierung. Um den Laden zu eröffnen, die entsprechende Einrichtung und den ersten Warenbestand zu kaufen, brauchen Sie zunächst in der ersten Finanzierungsphase knapp 19.000 Euro. Von diesem Ziel haben sie über die Plattform startnext bereits ca. 2.500 Euro realisiert – in den kommenden 31 Tagen soll die noch stattliche Lücke geschlossen werden. Jeder der die beiden hierbei unterstützen möchte, wird je nach Spendenaufkommen mit kleinen Geschenken belohnt: Von selbstgemachten Einkaufstaschen bis hin zur Kaffee-Flatrate oder gar einem Eintrag auf der “Wall of Fame” ist hier alles möglich.

Knabbereien – ganz unverpackt ins eigene Glas abgefüllt

Auch wenn ein Start-Up in Zeiten einer Corona-Pandemie es unendlich viel schwerer haben dürfte als zu normalen Zeiten, kann man nur hoffen, dass der Traum der beiden am Ende doch wahr werden darf. Bretten käme dann in den Genuss des ersten Unverpacktladen im Kraichgau – mit zwei quirligen und liebenswerten Inhaberinnen und einem kleinen Café-Bistro, das der Innenstadt ganz sicher gut tun würde.

Wer sich also auch über überquellende Mülleimer zu Hause ärgert, zwei angehende Unternehmerinnen unterstützen und den Einzelhandel der Melanchthonstadt aufwerten möchte – Bis Mitte Mai müssen noch gut 16.000 € auf die Beine gestellt werden um diesen Traum wahr werden zu lassen.

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2 Gedanken zu „Unverhüllt in Bretten“

  1. Die Politik könnte das doch für große Supermärkte vorschreiben, ein Grundsortiment muss unverpackt zur Verfügung stehen. Wir haben Nachbarn da ist die Wertstofftonne direkt nach der Leerung sofort wieder zu 2/3 gefüllt, ich verstehe nicht warum die keine größere Tonne beantragen :->, weniger Müll geht da scheinbar nicht.

  2. Ich finde diese Idee super , hatte sie auch schon Anfang des Jahres , aber hatte keinen Mut , obwohl ich auch schon 38 Jahre im Einzelhandel auf dem Buckel habe .
    Ich drücke den Mädels die Daumen , dass sie einen fairen Vermieter finden und würde meine Unterstützung anbieten , da ich zur Zeit arbeitslos bin und vielleicht zur Verwirklichung ihres Traumes beitragen kann . Einfach bei mir melden unter (Telefonnummer aus Datenschutzgründen entfernt, bei Bedarf bitte bei der Redaktion melden)

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