Unsere tägliche Apokalypse gib uns heute

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Corona und kein Ende – Der mediale und politische Bombenhagel mit Hiobsbotschaften führt zunehmend zu Frust und Resignation statt der erhofften Einsicht

Eine Meinung von Hügelhelden-Herausgeber Stephan Gilliar

Liebe Leser, ich weiß nicht wie es Ihnen geht, ich aber beginne mich zunehmend müde, erschlagen und erschöpft zu fühlen. Normalerweise blühe ich mit dem einsetzenden Herbst immer auf, in diesem Jahr ist es anders. Diese Erschöpfung ist unzweifelhaft eine Begleiterscheinung des Coronavirus – nicht etwa weil ich es in mir trüge, sondern weil es jeden Tag unaufhaltsam aus allen Kanälen abgefeuert auf uns eindringt. Seit Monaten beherrscht es die Medien, die Politik, unsere Gesellschaft, jedes Gespräch – prasselt wie ein nicht enden wollender Platzregen auf uns herab.

Gefühlt wird der Tonfall dabei immer schriller – Politiker und Medien eilen von einem apokalyptischen Narrativ zum nächsten. Es wird gemahnt, gewarnt und hier und da auch gedroht. Die gezeichneten Zukunftsszenarien spannen sich in ihren Dimensionen von unheilschwanger bis bedrohlich. Auch wenn das Ziel – die Menschen für die sich aus der Pandemie ableitenden Notwendigkeiten zu sensibilisieren – im Grunde nachvollziehbar ist, so kann doch eine beständig erzeugte Atmosphäre aus Angst unmöglich dauerhaft sinnstiftend und zielführend sein. Wie sagte es der deutsche Ärztepräsident Reinhardt vor einigen Tagen so treffend: Man kann Menschen nicht in einer Tour Angst machen.

Ich kann dabei natürlich nur für mich sprechen: Jene Stelle in mir, an die sich die beharrlichen Appelle und Warnungen richten sollen, fühlt sich nach all den Monaten richtiggehend wund und schmerzend an. Die für mich – auch als Journalist unabdingbare, tägliche Lektüre der diversen Online-Nachrichten, ist mittlerweile zunehmend unangenehm und sorgt gleich zum Start in den Tag für reichlich Bauchgrummeln. Wie bei einer weltweiten, gesundheitlichen Krise nicht anders zu erwarten, sind fast alle Schlagzeilen negativer Natur. Im Großen geht es meist um die täglichen Fallzahlen und die Schlüsse und Maßnahmen, die die Politik daraus ableitet, im Kleinen um den leisen Tod des sterbenden Kulturlebens und einem Stakkato aus diesbezüglichen Absagen aller, sonst unverhandelbarer Gepflogenheiten. Vom Infektiologen über den Bundespolitiker bis hin zum kleinen Bürgermeister, ergehen sich alle in Appellen und Grußworten mit mahnendem Charakter und erhobenem Zeigefinger. Was am Anfang noch auf oft fruchtbaren Boden fiel, fällt nun auf schmerzlich gerötete und wundgescheuerte Haut – anders ausgedrückt, man kann es einfach nicht mehr hören.

Die Folge dieser dystopischen Dauerberieselung ist zunehmend auch Frustration, Wut und Resignation. Das hängt natürlich nur zum Teil mit den nicht enden wollenden Botschaften zusammen, sondern auch mit dem unerfüllten sehnlichen Wunsch, das verdammte Virus möge endlich vom Antlitz dieser Erde verschwinden. Das Problem dabei ist: Das Virus wird auf absehbare Zeit nicht verschwinden. Mit diesem Gedanken müssen wir uns anfreunden und etwas mehr Pragmatismus in diesem Zusammenhang entwickeln. Dazu gehört auch mit unseren eigenen Reserven zu haushalten, zum Beispiel der Kraft und der Ausdauer den täglichen Ausnahmezustand zu meistern. Die Situation ist für uns alle unangenehm und fordert jeden einzelnen auf unterschiedliche Weise. Manche trifft es beruflich, manche finanziell, manche persönlich, manche physisch und viele psychisch – kurzum die Kraftreserven der Menschen erschöpfen sich zunehmend.

Es ist daher nicht hinnehmbar, dass Medien und Politik jeden Tag auf die Menschen eindringen und sie mit immer neuen Horrorszenarien zur Raison bringen wollen. Jeder einzelne weiß mittlerweile das Wesentliche, das es zur Corona-Pandemie zu wissen gibt. Wir wissen, dass es sich dabei um eine durch und durch ernstzunehmende Bedrohung handelt, dass das Virus jedem von uns gefährlich werden kann und wir wissen auch, was wir dagegen unternehmen können: Kontakte reduzieren wo es geht, Rücksicht auf Andere nehmen, Alltagsmasken tragen und hygienische Grundregeln beachten. Diese wenigen, aber wesentlichen Verhaltensweisen, liegen in unseren Händen – mehr können wir, trotz des massiven medialen Rauschens nicht unternehmen.

Meiner Meinung nach ist der große Informations-Overkill, der jeden Tag über uns hinweg schwappt, für den Fortgang der Krise wenig förderlich. Es wurde bereits unzählige Male gesagt, was gesagt werden muss. Die Besonnenen und Rationalen haben die zu vermittelnde Botschaft längst verinnerlicht und verstanden, die Kleingeister und Egoisten aber wird sie niemals erreichen, egal wie laut und eindringlich man sie formuliert.

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