Vor genau 500 Jahren wagten Anton Eisenhut und sein „Kraichgauer Haufen“ das, was bis dahin als undenkbar galt – den Aufstand gegen die Willkür der Obrigkeit. Bezahlen sollten sie den Mut mit nicht weniger als ihrem Leben.
Sich heute hinzustellen und gegen „die da oben“ zu wettern, den Unmut gegenüber den Regierenden und Herrschenden zum Ausdruck zu bringen, ist allzu leicht. Dafür muss man sich noch nicht einmal mehr vom Küchentisch erheben. Es reicht, eine App zu öffnen, die eigenen Gedanken und Meinungen ungefiltert hinaus in die Welt zu schicken, und die, die es hören wollen, hören zu. So problematisch das hier und da auch sein mag, so wichtig ist diese Errungenschaft für die Demokratie, die auch für das Recht der freien Meinungsäußerung steht.
Leider verstehen viele das Recht auf freie Meinungsäußerung nur darin, diese eigene Meinung unwidersprochen kundzutun – ein großer Irrtum. Man darf durchaus sagen, was man möchte, man darf aber eben nicht damit rechnen, dass das einfach so stehen bleibt.

Wer wissen möchte, welche Konsequenzen es noch vor gar nicht allzu langer Zeit hatte, die eigene Meinung im Widerspruch zu den Linien der Mächtigen zu verkünden, muss sich nur die Geschichte unserer Vorfahren vor Augen holen. Damals wurde lauter, starker Widerspruch nicht hingenommen und auf brachiale und nicht selten endgültige Art und Weise vergolten. Im besten Falle landete man am Pranger, vielleicht auch nur im Kerker; im schlechtesten Falle endete die eigene Meinungsfreiheit jedoch auf dem Schafott.
Das legitime Bedürfnis nach Freiheit, der Widerstand gegen Willkür und Unterdrückung, hat die Menschen dennoch immer wieder dazu inspiriert und motiviert, selbst diesen tödlichen Konsequenzen tapfer entgegenzublicken und sich mutig im Angesicht der Gefahr zu behaupten und aufzulehnen. Warum sich Wut und Widerstand gerade hier bei uns vor 500 Jahren im Kraichgau entladen haben, dafür muss man sich die Ausgangssituation zu Beginn des 16. Jahrhunderts ansehen. Die Bauern standen damals ganz unten in der gesellschaftlichen Ordnung, leisteten harte Arbeit, waren jedoch dazu verdammt, die Früchte dieser Arbeit zu großen Teilen abzugeben oder billigst zu verkaufen. Zudem verfügten sie nur über rudimentäre Rechte, waren nicht selten das Ziel von Willkür und einem komplexen Regelwerk, das sich kaum gänzlich anwenden ließ. Da wären zunächst einmal die vielen Abgaben, die von den Grundherren teilweise willkürlich festgelegt wurden. Doch nicht nur die Grundherren forderten ihren Anteil, sondern auch die Kirche nutzte ihre Macht gegenüber den Bauern schamlos aus.
Ins Rollen gebracht wurde der Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit durch die Reformation. Was Martin Luther da losgetreten hatte, verfing in vielen Köpfen, überall in der Gesellschaft. Dessen Lehren über die Freiheit der Christen und die Kritik an der Korruption der Kirche inspirierten viele Bauern, ihre soziale und wirtschaftliche Unterdrückung als unrechtmäßig zu betrachten. Im Kraichgau entzündete sich die Lunte funkensprühend im damaligen Städtchen Gochsheim. Der protestantische Pfarrer Anton Eisenhut versammelte dort Anfang Mai im Jahre des Herrn 1525 die Bauern um sich. Von diesem Treffen ist sein berühmter Ausspruch überliefert: „Damit das Evangelium und die Gerechtigkeit einen Furgang überkomm.“ Anders als Martin Luther war Eisenhut der Überzeugung, diese Ungerechtigkeit nur durch handfesten Widerstand überwinden zu können. Nicht nur in Gochsheim, sondern auch im Umland konnte er immer mehr Bauern für seine Idee gewinnen, und so wuchs die Gruppe, die später als „Kraichgauer Haufen“ bekannt wurde, immer schneller an. Erste Märsche des Widerstands speisten sich aus Mitläufern nicht nur aus Gochsheim, sondern auch aus Hilsbach, aus Eppingen und vielen weiteren Dörfern im Hügelland. Am 9. Mai die erste große Stufe der Eskalation: die Besetzung des Schlosses in Menzingen und der Einmarsch in die Reichsstadt Heidelsheim. Auf Widerstand trafen die Bauern mit ihrer auf breite Sympathien stoßenden Idee kaum, auch nicht, als sie am nächsten Tag die Stadt Eppingen erreichten. Die Tore der Stadt öffneten sich ihnen genauso wie die am nächsten Tag in Hilsbach. Man mag sich das wie einen wilden Haufen vorstellen, doch die Bauern waren durch und durch organisiert. Konvois aus Wägen und Zugtieren versorgten die immer größer werdende Schar an Aufständischen mit Lebensmitteln und Nachschub. Als man kurze Zeit später in Sinsheim einfiel, waren es bereits über 3000 Menschen, die sich dem Zug angeschlossen hatten. Auf dem Weg dorthin passierte diese kleine Armee auch die Burg Steinsberg, setzte diese als Zeichen ihrer Entschlossenheit kurzum in Brand.

Spätestens jetzt wurden die Herrschenden und der Adel auf die überall aufflammende Bewegung aufmerksam und mobilisierten ihre Truppenverbände, die, anders als die Bauern, mit effektiven und tödlichen Waffen ausgestattet waren. Dementsprechend kurz und gnadenlos fielen die wenigen Scharmützel auch aus. Bereits am 12. Mai, nur Tage nach dem Aufbruch in Gochsheim, wurde eine Schar von aufständischen Bauern bei Böblingen vernichtend geschlagen. Keine gute Ausgangsposition für die Verhandlungen am 14. Mai, zu denen sich Abgesandte des Heidelberger Kurfürsten Ludwig und Vertreter der Bauernschaft trafen. Eisenhut, der um die schwache Position der Bauernschaft in taktischer Hinsicht wusste, unterzeichnete einen Vertrag, der die Auflösung des „Kraichgauer Haufens“ beinhaltete. So legte man die Waffen nieder und ergab sich in großen Teilen der Übermacht. Anton Eisenhut zog sich nach Eppingen zurück, wurde allerdings wenige Tage später von den vorrückenden Truppen des Schwäbischen Bundes unter Führung des berüchtigten „Bauernjörg“ festgenommen. Berühmt-berüchtigt war er unter seinem bürgerlichen Namen Georg Truchsess von Waldburg-Zeil, ein schwäbischer Adeliger und Heerführer, der als erfahrener Stratege und Kriegsherr leichtes Spiel mit den kaum erfahrenen Bauern hatte. Mit äußerster Brutalität vernichtete er jeden Rest von Widerstand.
Für Anton Eisenhut endete dessen Traum von Gerechtigkeit und Freiheit letztlich am 25. Mai im Schlosshof von Bruchsal, wo Kurfürst Ludwig ihn öffentlich enthaupten ließ. Auch wenn der Aufstand der Kraichgauer Bauern mit ihm starb, war doch in seinem Opfer eine Pflanze entkeimt, die sich bis heute immer weiter entfalten konnte. Die Wut des mutigen Anton trug dazu bei, das Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeiten zu schärfen und langfristig Reformen im Umgang mit Abgaben, Grundherrschaft und den Rechten der Bauern zu ermöglichen. Dafür gilt es ihm, heute 500 Jahre später, ausdrücklich Dank zu sagen.

Ausstellung „Gerechter Zorn“
Die Ausstellung „Gerechter Zorn – 500 Jahre Bauernaufstand“ ist aktuell im Stadtmuseum Sinsheim zu sehen und beleuchtet die historischen Ereignisse rund um den Kraichgauer Haufen und den mutigen Widerstand der Bauern.
Anschließend geht die Wanderausstellung auf Tour durch die Region und macht an folgenden Stationen Halt:
- Ab 21. Februar: Graf-Eberstein-Schloss, Kraichtal-Gochsheim
- Ab 28. März: Heimatmuseum, Mühlacker
- Ab 12. Mai: Rathaus am Marktplatz, Bruchsal
- Ab 18. Juni: Museum im Schweizer Hof, Bretten
- Ab 18. September: Galerie im Rathaus, Eppingen
- Ab 27. Oktober: Kreisarchiv Enzkreis, Pforzheim
- Ab 28. November: Heimatmuseum, Untergrombach
Ein spannender Einblick in die bewegte Geschichte unserer Region – unbedingt sehenswert!
Klar ist einfach, heute seine Meinung zu sagen. Vor allem, wenn diese die Meinung der Mehrzahl oder der Mächtigen ist.
Wenn nicht, wird es immer noch eng.
Man wird zwar nicht mehr enthauptet, aber man stirbt andere Tode.
Vielen Dank für diesen Text und ihre Recherche zu den geschichtlichen Hintergründen. Darf ich den Text ausdrucken und ins Gipfelbuch am Eisenhut legen?
Liebe Grüße Petra Schurig
Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen
Aufstand gegen Mächtige?
Unzufrieden mit gesellschaftlichen Zuständen?
Kampf um Gleichheit und gegen Obrigkeit?
Gewalt gegen Dinge und dabei Menschen verschonen sofern es geht?
Am Ende dann „die volle Härte des Gesetzes“ zu spüren bekommen.
Klingt für mich wie dass, was heute als „linksradikal“ bezeichnet wird. Gut das wir historische Beispiele haben an denen wir uns aufbauen können, und die so weit zurückliegen, dass wir gefahrlos mit den Aufständischen sympathisieren können.
In „Star Wars“ (Episode 4) geht es übrigens (reichlich überzogen) um genau dieselben (oben beschrieben) für welche die aufständischen Bauern gekämpft haben. Hier allerdings mit „Happy End“.
Was hatte Ludwig V. eigentlich in Bruchsal zu schaffen? Das gehörte zu der Zeit doch dem Bischof von Speyer? Oder hatte der ihn zu Gast und ließ ihn machen?
Schaut man sich das ganze „heilige römische Reich deutscher Nation“ an, fällt auf, dass es eigentlich zu jeder Zeit an irgendeiner Ecke Widerstand gegen die weltliche und kirchliche Herrschaft gab. Das häufig idyllisch verklärte, in sich ruhende Mittelalter mit seinem starren Machtgefüge war also alles andere als idyllisch – und schon gar nicht ruhig.
Danke für den sehr interessanten Hinweis !!! Es gab wohl einige Menschen in meiner kleinen Heimatsadt Gochsheim, die sich gegen die Obrigkeit aufgelehnt haben. Leider war der Bauernaufstand nicht erfolgreich.
Ja, im Verklären unserer desaströsen Vergangenheit sind wir super!
Ich bin froh, dass ich in diesen Zeiten nicht leben musste.
Alles Gründe dafür, unsere Demokratie trotz all ihrer Nachteile zu erhalten und weiter zu entwickeln.