So geht Dorf

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Der kleine Abendmarkt in Rinklingen ist eine große Idee zur Wiederbelebung der Dorfgemeinschaft

In den Gassen und Straßen unserer Kraichgau-Dörfer nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs zu sein, kann gerade jetzt im Herbst eine wirklich triste und deprimierende Angelegenheit sein. Niemand ist mehr unterwegs, das Klappern der eigenen Absätze auf dem Trottoir klingt hallend und verstärkt das Gefühl von Einsamkeit nur. Die Zeiten, in denen die Fenster der reichlich vorhandenen Gasthöfe – selbst in den kleinsten Weilern – hell und freundlich strahlten, sind längst vorbei…die Adler, Löwen, Hirschen, Kronen und grüne Bäume – verschwunden.

Früher waren die Gasthäuser und Dorfkneipen Dreh- und Angelpunkte des Soziallebens der kleinen Dörfer. Nicht nur Sonntagmittags zum Essen, sondern im Grunde und jedem Abend der Woche, traf man sich hier, um sich auszutauschen, zu quatschen, Karten zu spielen und gemeinsam etwas zu trinken. Doch der Rückzug ins Private und die Verlagerungen des Ausgehens in die nun leichter erreichbaren, größeren Städte im Umland, haben dieser einfachen Form der Daseinsvorsorge den Stecker gezogen.

Was bleibt übrig, möchte man fragen? Was ist vom Dorfleben und der Dorfgemeinschaft geblieben? Wo kann beides noch physisch stattfinden, wo gibt es noch Raum für Begegnung? Vielleicht auf den seltsamen, künstlich geschaffenen Inseln mit ihren obligatorischen zwei Bänken rund um einen trockenen Brunnen oder ein Denkmal? Wohl kaum… Egal zu welcher Uhrzeit, diese Orte sind immer verwaist.

Es braucht also einen Anlass, eine Möglichkeit Klatsch und Tratsch, Austausch und Gemeinschaft mit etwas Alltäglichem zu verbinden. Etwas Alltägliches, wie beispielsweise dem Einkaufen. Das dachten sich auch Timo Hagino, Ortsvorsteher im Brettener Stadtteil Rinklingen und Weinhändler Oliver Stegmann nach einem inspirierenden Besuch in Ispringen und hoben den Abendmarkt in Rio – so nennen die Rinklinger ihr Dorf liebevoll – aus der Taufe. “Kaufen, Genießen, Unterhalten“ ist unser Motto. Der Abendmarkt soll dafür sorgen, dass wieder etwas mehr Leben in unser schönes Dorf kommt.” steht auf der dazugehörigen Webseite und das trifft es auch voll und ganz. Dass der Abendmarkt funktioniert, stellt man schon beim allerersten Besuch fest. Trotz Nieselregen sind während unserer Visite zahlreiche Menschen auf dem kleinen Platz vor dem Rathaus, um dort ihre Einkaufskörbe mit Waren aus der Region zu füllen. Hier engagieren sich Vereine, es gibt einen Obst- und Gemüsehändler, einen Metzger, eine Nudelmacher und immer wieder neue Gäste. “Durch diese “Special Guest” ist kein Abendmarkt wie der andere, es gibt immer etwas Neues zu entdecken, schwärmt Timo Hagino. Ein Rinklinger erzählt uns lachend von drei älteren Damen, die sich auf dem Markt immer eine Flasche Wein kaufen – nicht etwa, um sie nun mit nach Hause zu nehmen – sondern um sie gleich hier auf der Bank zu köpfen und miteinander anzustoßen. So muss das!

Es ist wirklich eine beeindruckende, gelöste und friedliche Atmosphäre. Das sanfte, warme Licht aus den Verkaufsständen, das fröhliche Geplapper der Menschen, Smalltalk beim Shoppen und danach noch Geplauder in kleinen und großen Grüppchen, obwohl die Einkäufe längst erledigt sind. Klar, es gibt auch in anderen Gemeinden kleine Märkte und regelmäßig aufschlagende Händler, doch es ist die Mischung und vor allem die Uhrzeit, die hier den Unterschied macht. Wer hat schon werktags am Vormittag Zeit für so etwas? Sind wir ehrlich – die Allerwenigsten. Abends jedoch, wenn die Arbeit erledigt ist und der Feierabend begonnen hat, braucht sich niemand zu eilen, niemand abzuhetzen, um schnell nach Hause zu kommen. Anstatt sich vom Fernseher betäuben und berieseln zu lassen, ist doch echter zwischenmenschlicher Kontakt zu Freunden, zu Nachbarn und auch zu Fremden, ein viel lohnenderer sowie nachhaltiger und sinnstiftender Zeitvertreib. Man kann sich daher nur wünschen, dass dieses Modell bald überall im Kraichgau Blüten trägt. In Rinklingen bleibt man selbstredend dem Erfolgsrezept nach all der positiven Resonanz treu. “In diesem Jahr gibt es noch zwei Termine”, verrät Timo Hagino.. “am 2. Dezember und am 16. Dezember.” Besonders dieser letzte Termin der mittlerweile dritten Auflage des Abendmarktes wird es in sich haben. “Wir legen das traditionelle und sehr beliebte Weihnachtsliedersingen in Rinklingen mit dem Abendmarkt zusammen, ergänzen durch ein weihnachtliches Angebot und einen kleinen Weihnachtsmarkt.” freut sich der Ortsvorsteher auf dieses kleine, große Highlight mitten im Advent. Danach ist erst einmal Pause zwischen den Jahren, doch eines ist jetzt schon ganz sicher: Der Abendmarkt in Rio kommt auch im nächsten Jahr wieder!

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