Wertvolle Zeit im Kampf gegen das Virus geht verloren
Ein Kommentar von Stephan Gilliar
“…Wir haben jetzt die Kabinettssitzungen eben um 12 gehabt und nicht erst um 9 ….und deshalb haben wir das jetzt so entschieden. Ich glaube das ist aber auch nicht schlimm…”. Diese Antwort gab Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann einer Journalistin bei der Pressekonferenz am Freitag, auf welcher die Öffentlichkeit über die Maßnahmen des Landes gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Kenntnis gesetzt wurde. Die Kollegin wollte von Kretschmann wissen, wieso die Schulen in Baden-Württemberg erst am Dienstag und nicht bereits am Montag geschlossen werden. Die abschließende Bemerkung des Ministerpräsidenten “Ich glaube das ist aber auch nicht schlimm”, die die im Vergleich zum benachbarten Bayern spätere Schließung der Schulen erklären sollte, wird von vielen Menschen völlig anders bewertet – und das meiner persönlichen Einschätzung nach – völlig zurecht!
In Zeiten wie diesen, in denen das Coronavirus sich explosionsartig im Land vermehrt, ist auch “nur” ein Tag durchaus von Bedeutung. Allein von Freitag auf Samstag hat das Sozialministerium 258 neue Erkrankungen im Land registriert, bis zum Schulbeginn am Montag dürften etliche weitere hundert hinzukommen. Ein Gedankenspiel: Wenn also während des Schulbetriebes am Montag nur fünf weitere Infektionen irgendwo im Land unbemerkt weitergegeben werden, kann sich jeder anhand des derzeitigen, exponentiellen Wachstums die Folgen selber ausmalen. Es ist schade dass die Landespolitik nicht schneller “in die Pötte” kommen konnte um diesen wertvollen Tag einzusparen, die meisten anderen Bundesländer haben dies bewerkstelligt und bereits ab Montag die Schule bzw die Schulpflicht ausgesetzt. Die Begründung Baden Württembergs, den Montag noch zum geordneten Übergang nutzen zu wollen, ist in Zeiten von elektronischer Post nicht wirklich zwingend und schlüssig.
Auch einige Bürgermeister im Landkreis sehen das wohl ähnlich und meldeten sich am Sonntag zu Wort. Gondelsheims Bürgermeister Markus Rupp schrieb etwa heute in einem Blogpost: “…wir tun derzeit in Gondelsheim alles, um die Sozialkontakte wegen des grassierenden Corona-Virus auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Insofern hätte ich es – wie unser Landrat und viele Oberbürgermeister und Bürgermeister – für sinnvoll erachtet, die Schulen in Baden-Württemberg schon am Montag zu schließen und nicht erst am Dienstag. Andere Bundesländer machen uns das ja vor.”
Frank Burkard, Bürgermeister von Kronau, gab via Facebook bekannt: “…hiermit gebe ich bekannt, dass es völlig in Ordnung ist, wenn Ihr Kind bereits Morgen, also Montag, 16.3.2020 nicht! in die Schule kommt. Seitens des Landkreises wird dies genauso gesehen.”. Mit dem letzten Satz bezieht sich Burkard auf ein offenbar durch Landrat Dr. Christoph Schnaudigel an die Bürgermeister versandtes Schreiben vom Sonntag-Nachmittag, dessen Erhalt uns mehrere Bürgermeister telefonisch bestätigen. Darin vertritt der Landrat nach unseren Informationen die Auffassung, dass im Sinne der allgemein geforderten Reduzierung von Sozialkontakten, die Reduzierung des Unterrichtes am Montag, oder wo umsetzbar, ein Ausfall vertretbar sei.
Auf telefonische Rückfrage beim Kultusministerium Baden-Württemberg wird uns jedoch heute sinngemäß mitgeteilt, dass man unverändert am morgigen Montag als letztem Schultag festhalte, es sei denn natürlich dem stünden gesundheitliche Belange wie zum Beispiel positive Infektionen im Umfeld der Schule entgegen.
Eine einheitliche Empfehlung an Eltern kann unter diesen Umständen natürlich nicht gegeben werden, es bleibt nur die Homepage der jeweiligen Schule zu konsultieren und auf dieser Basis zu einer individuellen Entscheidung zu kommen. Manche Schulen haben nun spontan die Schließung bereits ab Montag bekanntgegeben, andere folgen der Linie des Kultusministeriums und statten Schülerinnen und Schüler am Montag-Vormittag noch mit Informationen und Aufgaben aus.
Es ist ein Dilemma das die Landesregierung den Eltern in Baden-Württemberg hätte ersparen können. Das dies möglicherweise allem Anschein nach durch etwas mehr Eile oder gar früherem Aufstehen zu machen gewesen wäre, ist eine bittere Pille zum Start in die Zwangsferien. Mein Kind werde ich eingedenk seiner derzeitigen Schnupfnase morgen nicht mehr in die Schule schicken, dieses bisschen zivile Ungehorsam erlaube ich mir ausdrücklich.
Stephan Gilliar
„Mein Kind werde ich eingedenk seiner derzeitigen Schnupfnase morgen nicht mehr in die Schule schicken, dieses bisschen zivile Ungehorsam erlaube ich mir ausdrücklich“.
Eine kluge Entscheidung die wir genauso getroffen haben :)