Der Brettener Kinderarzt Dr. Johannes Garvelmann impft Kinder gegen das Coronavirus und wird dafür im Netz auch mit Hass und Feindseligkeit überzogen.
Es ist ein Umstand, der auch für uns als Online-Redaktion von einer anfänglich unguten Vorahnung in den letzten Jahren zu einer traurigen Wahrheit wurde. Die gemäßigten Stimmen in den Untiefen der soziale Netzwerke sind längst auf dem Rückzug, überlassen Stück für Stück das Terrain den krakeelenden und unreflektierten Phrasendreschern. Jenen Anhängern der einfachen Wahrheiten, die sich in ihren Blasen schon längst von jeglicher Objektivität verabschiedet zu haben scheinen.
Eine Tendenz die ungemein traurig eingedenk der Tatsache erscheint, dass diese Vertreter nur für eine kleine Minderheit stehen, nicht aber für den größten Teil der Menschen. Das zeigt eindrücklich die aktuelle, gesellschaftliche Debatte um die Corona-Pandemie, die damit einhergehenden Maßnahmen und die heiß diskutierte Impfung. Während besagte Debatte gefühlt von den Gegnern der Maßnahmen, den Leugnern und den Kritikern dominiert wird, hat die schweigende Mehrheit längst eindrücklich Fakten geschaffen: Nahezu drei Viertel aller Menschen in Deutschland wurden bereits vollständig gegen covid-19 geimpft, also fast 61 Millionen Bürgerinnen und Bürger.
Der Umstand, dass sie nur eine kleine Minderheit bilden, scheint die Gegner aber nicht davon abzuhalten, oft lautstark alles und jeden anzugehen, der sich für die Impfungen einsetzt und stark macht. Anfeindungen, Hass und sogar Aufrufe zur Gewalt sind mittlerweile zur traurigen Realität in der Anonymität des Netzes geworden. Einer der davon bereits ein Lied singen kann, ist der Brettener Kinderarzt Dr. Johannes Garvelmann. Über Postings in den sozialen Netzwerken will er über die Impfung für Kinder informieren und bietet selbige auch an. Zum einen in seiner Eigenschaft als Impfarzt, aber auch über großangelegte Impfaktionen, z.B.im Rathaus unterstützt durch die Stadt Bretten.
Weil er in besagten Postings auch auf die Risiken einer covid-Erkrankung ohne entsprechende Impfung verweist, wird ihm im Netz Angst- und Panikmache vorgeworfen. Neben Einzeilern, die ihm trotz seiner langjährigen, universitären Ausbildung sowie seiner Promotion als Kinderarzt, nebst klinischer Spezialisierung als Kinderneurologe mal eben jegliche fachliche Eignung und Kompetenz absprechen, tritt dabei auch offene Feindseligkeit zu Tage. Als “Verbrecher” musste sich der Mediziner bereits ebenso bezeichnen lassen, wie ihm auch offen und unverhohlen gedroht wurde. “Pass auf wenn du das Haus verlässt” haben ihm anonyme Botschaften bereits nahegelegt, weshalb Garvelmann bereits bei der Polizei vorstellig werden musste.
Die Informationen, die Dr. Garvelmann in seine Postings bereitstellt, mögen zwar auf manche beängstigend wirken, doch sie basieren auf dem jeweils aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse und der zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Studienlage aus anerkannten Quellen. Die mit sehr viel Emotionen verknüpfte Frage nach dem Gefährdungspotential des Virus für Kinder, wird dabei von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt mit Argusaugen beobachtet, ständig neu überprüft und immer wieder neu bewertet – je nach verfügbarer Datenlage, so wie seriöse Forschung eben agiert. Als Dr. Garvelmann Anfang/Mitte Januar per Facebook zu Bedenken gibt: “Die Omicron-Variante ist dtl. ansteckender als die bisherigen Covid-19-Virus-Varianten und sie schädigt leider besonders Kinder und junge Erwachsene häufiger dauerhaft.” ruft das erstmal Empörung hervor, doch genau das war Anfang bis Mitte Januar eben Stand der Dinge. Alleine in den USA, wo die Omikron Variante täglich für rund eine Millionen Neuinfektionen sorgte, wurden pro Tag mehrere hundert Kinder und Jugendliche in Krankenhäuser eingeliefert. Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach sagte noch Anfang Januar im ZDF: “Ich bleibe dabei, eine Durchseuchung mit der Omikron-Variante wäre für die Kinder, wie aber auch für die Erwachsenen in keiner Weise verantwortbar“ und weiter. „Das kann man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Hier werden viele schwer krank werden und werden auch längerfristig krank werden. Das wollen wir gerade unseren Kindern auf jeden Fall ersparen“. Hinzu kommt, dass das Robert-Koch-Institut (Stand 20. Januar) bekannt gibt: „…Auch wenn COVID-19 in der Regel bei Kindern und Jugendlichen keine schwere Erkrankung ist, kann es in Einzelfällen in Folge der Erkrankung zu schwerwiegenden Krankheitsmanifestationen kommen….“ Zudem empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) weiterhin die Impfung für Kinder ab 12 Jahren, bei jüngeren Kinder bei Vorliegen einer Vorerkrankung.
Selbstredend gibt es hierzu auch gegenläufige Meinungen, zudem werden tagtäglich neue Erkenntnisse gewonnen, die alte Positionen ablösen oder ergänzen… nochmal: So funktioniert wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn eben. Auch Johannes Garvelmann ist Wissenschaftler, hat im Zuge seiner Ausbildung gelernt Studienergebnisse zu lesen und einzuschätzen… dennoch sieht er sich im Netz nun mit laienhaftem Feedback und völlig haltlosem Hörensagen im besten Falle sowie schweren Beleidigungen und Drohungen im schlimmsten Falle konfrontiert. Dennoch setzt der Arzt auf Informationen, auch dort wo es weh tut. “Mir war schon klar, dass ich damit jemandem ans Bein pisse” erzählt der Doc und geht davon aus, das ein Großteil dieses “Feedbacks” als Beurteilungsgrundlage nur auf die eigenen Vorurteile zurückgreifen kann. Das meiste davon kann er gelassen nehmen, dann Dr. Garvelmann weiß, dass es sich nur um eine kleine Minderheit handelt, die den selben Trick beherrscht wie der Kugelfisch: Sich größer machen, als man in Wahrheit ist.
Der 1958 in Radolfzell geborene Südbadener ist selbst alles andere als ein “Schwafler”, sondern wirkt wie ein Pragmatiker und Realist durch und durch. Studiert hat er in Italien und Berlin, ist nach eigenen Angaben spezialisiert auf Kinder- und Jugendpsychiatrie, Sozialpädiatrie und Kinderneurologie. Lange Jahre unterhielt er eine Kinderarztpraxis in Knittlingen, zog sich später aus gesundheitlichen Gründen zurück. Den Beginn der Corona-Krise hat er dort miterlebt, wo bundesweit die ersten Epizentren der Pandemie erbebten: An vorderster Front als Mitarbeiter in einem deutschen Gesundheitsamt. Wie die Behörde dort arbeitete, hat ihn nachhaltig irritiert: Starre, unflexible Strukturen, Zettelboxen, Papierablagen, Faxgeräte und unökonomische Verfahrensweisen allerorten. “Hier kann ich nur wenig ausrichten” wusste Dr. Garvelmann bald darauf und verlegte sich wieder auf das, was er eben am besten kann: Die ärztliche Betreuung von Kindern und Jugendlichen.
Nachwievor tritt er vehement für deren Impfung ein, deren Notwendigkeit er nicht nur in medizinischer, sondern auch in psychosozialer Hinsicht erkennt: Die Diskussion um die Impfung ist längst in den Familien angekommen.. Es geht dabei auch um die Angst selbst Teil des Infektionsgeschehens zu sein, um die Teilhabe an der Gesellschaft, um Ausgrenzung und Druck. Die aktuelle Lage gibt ihm dabei recht, überall im Land sind die Kinder und Jugendpsychiatrien völlig überlastet, der Bedarf an entsprechenden Therapieplätzen reicht vorne und hinten nicht aus. Die Pandemie wirkt sich insbesondere auf die Jüngsten der Gesellschaft, die bereits als “Generation Corona” bezeichnet werden, in jeglicher Hinsicht fatal aus.
Genau aus diesen Gründen will Dr. Garvelmann auch weitermachen, möchte weiter für seine jungen Patienten da sein. Dazu gehören ausführliche Beratungsgespräche, Hausbesuche, aber eben auch Impfungen und die dazugehörige Aufklärung. Dass sich manche an letzterem erregen und entzünden, damit kann Dr. Garvelmann leben und umgehen. “Ich habe gelernt mich abzugrenzen” sagt er und auf die Frage ob er die unzähligen Kommentare überhaupt noch liest, antwortet er augenzwinkernd: “Ja, aber meistens auf dem Klo”