Samstags Badetag, Montags Waschtag – Viele Jahrzehnte lang konnte man danach im Kraichgau die Uhr stellen
von Stephan Gilliar
Während ich hier sitze und diesen Artikel verfasse, rauscht unten im Waschkeller die Waschmaschine, dreht der Staubsaugerroboter seine Runden und brummt der Durchlauferhitzer, während mein pubertierender Nachwuchs oben duscht – das zweite Mal heute. Dabei bilde ich mir einen noch nicht mal in einem der reinlicheren Haushalte zu leben, den verhassten Putztag schiebe ich oft 10 Tage vor mir her, frische Unterwäsche gibt’s erst dann, wenn die aktuelle den Geruchstest nicht mehr besteht. Um Hygiene wird heutzutage ohnehin imho viel zu viel “Gschiss” gemacht. Wenn ich auf dem Spielplatz Eltern sehe, für die Wegwerftücher und Desinfektionsmittel offenbar zur Standardausstattung zählen, oder bei Kollegen höre, dass deren Küchen und Badezimmer täglich gewischt werden, wäre mir das schon viel zu anstrengend.
Früher hat das doch auch irgendwie funktioniert, sogar nicht mal schlecht, wie ich am Sonntag im Rubenderhaus Östringen aus erster Hand erfahren darf. Zum diesjährigen Tag des offenen Denkmals hat sich die bunte und liebenswerte Truppe vorgenommen allen Interessierten Einblicke in eine kleine Evolution des Waschens im ländlichen Raum zu vermitteln. Als wir zu zehnt am gemütlichen Esstisch in der Stube des liebevoll gepflegten Bauernhauses am Leiberg sitzen, frage ich einfach mal unverblümt in die Runde: Habt ihr euch früher auch jeden Tag geduscht und frische Unterwäsche angezogen? Das ohrenbetäubende Gelächter ist erstmal Antwort genug – gut, das habe ich wohl provoziert. Aber dann kommen die Mitglieder des Freundeskreises des anno 1700 gebauten Rubenderhauses in Fahrt. Jeder erzählt, wie es damals bei ihm zu Hause war und diese Geschichten sind im Grunde alle deckungsgleich.
So gab es früher in Sachen Hygiene und Reinlichkeit zwei elementare Tage, die als gesellschaftlicher Konsens überall auf dem Land dauerhaft rot im Kalender markiert waren – der Samstag als Badetag und der Montag als Waschtag. Man muss sich einfach die Zeit und die Begebenheiten damals vor Augen führen, die meisten Erzählungen, die ich an diesem Sonntag im Rubenderhaus mit auf den Weg bekomme, stammen von Jahrgängen zwischen Ende der 30er und Anfang der 40er. Fließendes Wasser gab es damals noch nicht flächendeckend, viele landwirtschaftliche Anwesen waren einfach mit einem Brunnen ausgestattet. Technische Errungenschaften wie Waschmaschinen oder Trockner suchte man damals auch noch vergeblich. Das Leben war einfach und hart, der Löwenanteil der Arbeit würde nicht im Sitzen am Schreibtisch verrichtet, sondern im Im Schweiße des eigenen Angesichts von Hand- und Muskelkraft. Doch obwohl man dabei zweifellos ins Schwitzen kam und sich ebenso unzweifelhaft nicht nur mit Ruhm sondern auch mit Schmutz bekleckerte, gab es unter der Woche allenfalls die Möglichkeit für eine kurze Katzenwäsche.
Eiskaltes Wasser, etwas Kernseife, ein Weschlumpe in einer Schüssel – fertig ist der Lack. Die Kleider wurden über den Stuhl oder den Fußteil des Bettgestells gehängt, am nächsten Tag wieder und tags darauf erneut angezogen. Apropos Weschlumpe. “Den hewwe ma nooweds ausgsuckelt”, erzählt der 83-Jährige Alfons aus Östringen und erklärt auch, wieso. Abends habe man als Kind nichts mehr zu trinken bekommen und zwar aus dem einfachen Grund dass man in der Nacht “net ins Bett rappelt”, erzählt der gestandene Landwirt und der Rest der Tischgemeinschaft nickt zustimmend. Das Bettzeug wurde schließlich sehr viel seltener gewaschen, als der Rest der Kleidung, maximal einmal im Monat. Kein Wunder, der Aufwand des montäglichen Waschtages war gigantisch. All die Kleidung, nicht selten vor Dreck starrend, mussten schließlich von Hand gereinigt werden, Waschmaschinen gab es damals wie schon gesagt noch keine. Wie das vonstatten ging, zeigen an diesem Tag die “Waschweiber” draußen vor dem Haus mit den originalen Utensilien von früher.
Zuerst einmal wurde die Wäsche kalt in einem Waschtopf über Nacht eingeweicht, dann galt es die kalte Masse auszuwringen und in frischem warmen Wasser mit Kernseife oder Soda auszuwaschen. Als Hilfsmittel gab es das Waschbrett und den Wäschestampfer. Wenn dieser Schritt erledigt war, galt es die Wäsche erneut auszuwringen und in einem Waschkessel zu kochen. Schließlich wurde die heiße Wäsche mit einem Holzgreifer aus dem Kessel genommen und danach mehrfach geschwenkt und gespült. Schließlich wurde die Wäsche erneut ausgewrungen und zum Trocknen aufgehängt. Im Winter ist sie dann auf der Leine häufiger einmal eingefroren, abnehmen dürfte man sie aber erst dann, wenn sie vollständig getrocknet war – manchmal ein Umstand, der sich über Tage hinziehen konnte.
Am Ende des Waschtages waren die Frauen, an ihnen blieb diese Arbeit damals fast ausschließlich hängen, komplett ausgelaugt, nicht selten bluteten die Finger und – so berichtet es eine Zeitzeugin – man war mit den Nerven völlig am Ende.
Kein Wunder, dass es damals völlig undenkbar war, jeden Tag frische Wäsche anzuziehen, deshalb galt es, mit der eigenen Kleidung so gut wie möglich zu haushalten. Die ganze Woche wurde dasselbe Gewand angezogen, erst am Samstag war Zeit für die ausgiebige Körperhygiene. Doch auch dieser Badetag wäre mit unserer heutigen Definition von Körperhygiene kaum zu vereinbaren gewesen. In der oft beengten Stube, meist in der Küche, im Sommer vielleicht auch im Hof, wurde auf einem Holzfeuer heißes Wasser erzeugt und dieses in einen Kübel oder eine blecherne Badewanne eingelassen. Danach sprang die ganze Familie nacheinander in das warme Wasser um sich ausgiebig zu waschen. Damals waren die Haushalte sehr viel größer als heute, nicht selten mussten sich zehn Personen das gleiche Wasser teilen. Man kann sich vorstellen, von welcher Güte die Brühe für die letzten Badegäste in dieser Reihe war.
Nach dem Baden gab es dann endlich die ersehnte, frische Wäsche, so dass tags darauf, am heiligen Sonntag, alle Familienmitglieder wohlriechend und gut gekleidet den Tag des Herrn begehen konnten. Da sonntags nicht gearbeitet wurde, landete die Dreckwäsche einer Woche in Körben, um einen Tag später, am montäglichen Waschtag im oben beschriebenen, sehr aufwändigen Verfahren gereinigt zu werden.
Kein Wunder, dass schon damals Tüftler und Erfinder unter Hochdruck daran arbeiteten, den Prozess des Waschens mit handwerklichem Geschick und Maschinenkraft zu erleichtern. Um 1900 gab es schon die ersten handbetriebenen Trommelwaschmaschinen, die zumindest ein paar der Arbeitsschritte vereinfachten. Schon um 1914 gab es dann Waschmaschinen die mit einem Elektromotor angetrieben eine Art Rührmechanismus in einem Holzkübel mitbrachten. Durch handbetriebene Walzen wurde auch das bis dahin händische Auswringen stark vereinfacht. Vollautomatische Waschmaschinen, so wie wir sie heute kennen, wurden übrigens erstmals frühestens Anfang der 50er Jahre in Deutschland verkauft, damals aber noch zu Preisen, die sich kaum ein Haushalt leisten konnte.
Wunderbarer Bericht! Ja, so war`s .Allergien,Hauterkrankungen waren eine Seltenheit,dank dieser nicht so überzogenen Hygiene,wie wir sie heute haben. Also weniger in allen Dingen, wäre mehr.
es wird aber leider immer mehr!
ja, weniger wär oft besser…und das gilt für viele Bereiche.
Die Realität sieht leider anders aus.
Fast überall wird es immer mehr, trotz Krieg, Krankheit oder Krise.